Wieder einmal stehen Tage einer entscheidenden Weichenstellung an. Im Ministerrat am Mittwoch wird die Bundesregierung entscheiden, ob der seit 17. November verhängte Lockdown wie angekündigt mit kommendem Montag aufgeweicht wird – und wenn ja, in welchen Bereichen.

Auch, wenn sich der Rückgang der Zahlen an Infizierten, Spitals- und Intensivpatienten am Wochenende fortgesetzt hat, war die türkis-grüne Koalition zuletzt bestrebt, die Erwartungen an ein schnelles Ende aller Einschränkungen gering zu halten. „Wir werden sicherlich keine übereilten Öffnungsschritte setzen können“, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der Kleinen Zeitung am Sonntag erklärt, auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) stellt nur ein „schrittweises und behutsames Öffnen“ in Aussicht.

„Die Infektionszahlen werden sicher vierstellig bleiben“, sagt Simulationsforscher Nikki Popper von der TU Wien, auf dessen Prognosen die Regierung ihre Entscheidungen zum Teil stützt. Weil Infektionen und Erkrankungen erst einige Tage nach Ansteckung bemerkbar werden, sollte die Wirkung des „harten Lockdown“ dieser und der vorigen Wochen noch bis Mitte Dezember „nachhallen“; jetzt sei die Zeit dafür, die Weichen zu stellen, dass sie auf diesem – hoffentlich niedrigen – Niveau bleiben, sagt Popper.

Eine Hilfe seien die geplanten Massentests, besonders wichtig sei aber, die Testen-Tracen-Isolieren-Strategie, die zuletzt nicht mehr mit den hohen Zahlen mithalten konnte, konsequent durchzuziehen.

Wie es weitergehen könnte

  • Der derzeit auf lebensnotwendige Geschäfte beschränkte Handel darf kommende Woche wohl wieder aufsperren – nicht zuletzt, weil das Weihnachtsgeschäft für viele Betriebe überlebenswichtig ist und sonst ein noch größerer Teil des Absatzes bei Amazon und Co. geschieht.
    Strenger als bisher sollen die Regeln – Abstand und maximal ein Kunde pro zehn Quadratmeter – exekutiert werden. Vizekanzler Kogler erklärte, das bereits mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) akkordiert zu haben.
  • Während der Handel wahrscheinlich wie geplant wieder öffnen darf, müssen sich „körpernahe Dienstleister“ – Friseure, Nagelstudios, Tätowierer usw. – wohl zumindest auf einige weitere Tage behördlicher Schließung einstellen. Der Grund dafür: Die Angst, dass sich das Virus in so unmittelbarer Nähe stark verbreiten kann – gepaart mit der Tatsache, dass der Umsatzersatz für die betroffenen Branchen dem Staat wesentlich günstiger kommt als jener für den gesamten Handel. Ein zweiter Lockerungsschritt vor Weihnachten könnte auch diese Leistungen wieder erlauben.
  • Eine hochpolitische Frage ist jene der Schulen. Wenn der Handel öffnet, brauchen Hunderttausende Mitarbeiter wieder Kinderbetreuung – zudem machen Opposition und Eltern Druck, den Bildungsbetrieb wieder aufzunehmen. Von daher ist praktisch fix, dass mit Öffnung der Geschäfte zumindest auch die Pflichtschulen wieder in Vollbetrieb gehen. Das Bildungsministerium organisiert derzeit nicht nur hektisch Massentests für alle Lehrer am Wochenende, sondern sucht auch Räume, um die Schülerdichte zu senken.
  • Besonders heftig diskutiert worden ist in den vergangenen Tagen die Frage, ob und wann die Skisaison eröffnet werden kann. Hier zeichnet sich ein Kompromiss ab: Lifte könnten unter strengen Auflagen (Abstand!) schon bald aufsperren, während Hotels weiter für Freizeitreisende geschlossen bleiben. Das würde den Liften zumindest Tagesgäste bringen. Ob sich das ohne Hütten- und Après-Ski-Gastronomie auszahlt, ist aber fraglich. Auf Rot steht die Ampel weiter für Kultur wie Kino, Theater, Konzerte usw.
  • Auch die Gastronomie – sie wurde ja schon mit dem „Soft Lockdown“ Anfang November geschlossen – dürfte weiter zubleiben. Überlegungen in der Regierung betreffen unter anderem die schwierige Abgrenzung von Lokalen zu Christkindlmärkten: Das Gedränge vor Punschständen sei schon allein psychologisch kein Bild, das in Zeiten des Abstandhaltens besonders gewünscht sei. Dazu kommt, dass die Branche mit einer hohen Ersatzquote von 80 Prozent des Umsatzes im vergangenen Jahr und der Möglichkeit zum Take-away vergleichsweise wenig Druck macht.
  • Weiter in Kraft bleiben dürften kommende Woche mit Anpassungen die aufrechten Ausgangsbeschränkungen – die vor allem dazu dienen, Ansammlungen von Menschen und gegenseitige Besuche zu verhindern. Auch wenn die Republik zum Teil wieder aufsperrt, sei es nötig, weniger Kontakte als normal zu pflegen. Vor allem Besuche bei Großeltern und Vereinstreffen sollen bis auf Weiteres unterbleiben. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass diese Regel noch vor Weihnachten wieder aufgehoben wird.