Die SPÖ läuft gegen die Pensionsreform Sturm, die heute Nachmittag vom Nationalrat beschlossen wird. Wie Parteichefin Pamela Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz zu Mittag betonte, gebe es durch die verzögerte Anhebung der Bezüge Kürzungen für alle. Sie ortet Pensionsraub. Bei einer Pension in Höhe von 1200 Euro brutto pro Monat würden durch die Kürzung im ersten Pensionsjahr über die ganze Pensionsdauer 14.000 Euro verloren gehen. Das betreffe mehr als 100.000 Neu-Pensionisten pro Jahr. SP-Pensionisten-Chef Peter Kostelka rechnete vor, dass ein ganzes Jahr Pensionsbezug verloren gehe.

Für Rendi-Wagner, die auch die kurzfristige Einbringung der Vorlage heftig kritisierte, sind die Pensionisten somit die ersten, die die Zeche zahlen müssten zur Begleichung der Corona-Aufwendungen. Gerecht wäre für sie eine Solidarabgabe von Profiteuren der Krise wie dem Online-Dienst Amazon.

Kostelka und SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch orteten Unfairness. "Heute ist kein guter Tag für Österreich." Denn seitens der Regierung seien heuer den Bauern schon zwei Mal Verbesserungen im Pensionsrecht zugestanden worden. Muchitsch empörte sich auch ein weiteres Mal über die Wiedereinführung der Abschläge bei der "Hacklerregelung", ein Minus von rund 300 Euro pro Monat im Gegensatz zur aktuellen Regelung. Dass Frauen von der nicht profitieren würden, da sie erst ab 62 gilt, sieht er nur als Ausrede, weil diese ja schon mit 60 ohne Abschläge in die Regel-Pension können. Somit gingen 35.000 Frauen, aber nur 18.000 Männer derzeit ohne Abzüge in den Ruhestand.

Für viele keine Schwerarbeiterpension

Auch die Ausrede, es gebe ohnehin die Schwerarbeiterpension, gelte nicht. Denn viele fordernde Berufe fielen nicht in diese Regelung - Muchitsch nannte die Dachspengler, die Ziegel- und Zementarbeiter, die Sägearbeiter, Arbeiter in Betonfertigteilwerken, Elektriker, Installateure und Mechaniker als Beispiel. "Die haben nur die Hoffnung, wenn sie es körperlich schaffen, abschlagsfrei in die Pension mit vielen Versicherungsjahren zu kommen."

Unmut über die Kürzung der monatlichen Pensionshöhe kam auch vom Österreichischen Pensionistenverband, der ein existenzsicherndes System für Menschen mit Behinderung forderte. Und die Gewerkschaft wartete mit Aktionismus im Vorfeld der Nationalratssitzung am Freitag auf.

Unterschriften gegen "Pensionsraub"

Über 100.000 Menschen hätten bereits gegen den "Pensionsraub" unterschrieben, erklärte der Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE), Rainer Wimmer. Zur Veranschaulichung der Unterstützung platzierte die Gewerkschaft eine große Leinwand vor dem Ausweichquartier des Parlaments. Wimmer forderte von den Regierungsparteien, von der Abschaffung der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren am Freitag im Plenum Abstand zu nehmen.

Für den Österreichischen Behindertenrat müssten Personen aus Pflege, Gastronomie oder Bau nach 45 Jahren "harter körperlicher und psychischer Arbeit" auch vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters mit vollen Bezügen in Pension gehen können. Ferner brauche es darüber hinaus eine Reform des Pensionssystems. Für Menschen, die aufgrund einer Behinderung und/oder Erkrankung nicht 45 Jahre arbeiten können, sei ein existenzsicherndes Pensionssystem notwendig. Im Durchschnitt liege die aktuelle Höhe der Invaliditätspension bei rund 1.100 Euro brutto. Eine faire Reform sollte beinhalten, dass es bei Menschen mit Behinderungen zu einer Zurechnung von zusätzlichen Beitragsmonaten je nach Schwere der Behinderung kommt, so die Forderung.

Frühstarterbonus ab 2022

Der statt der abschlagsfreien Hacklerregelung ab 2022 geplante Frühstarterbonus wird im ersten Jahr voraussichtlich rund 60.000 bis 70.000 Personen zugutekommen. Etwa die Hälfte davon werden Frauen sein. Das geht aus einer Schätzung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) hervor.

Diese rund 60.000 bis 70.000 Personen werden im Jahr 2022 in Pension gehen - in reguläre Alterspension, vorzeitige Alterspension oder Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension - und die Voraussetzungen für den Frühstarterbonus erfüllen. Das bedeutet, dass sie zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr zumindest 12 Monate an Beitragszeiten erworben haben und insgesamt 25 Versicherungsjahre haben. Pro Monat ein Euro, und Ferienjobs würden gar nicht gerechnet, kritisiert Muchitsch. Nur ein Drittel der Frauen werde in den Genuss des Frühstarterbonus kommen. "Es spricht ja nichts dagegen, dass wir beides haben, die Langzeit-Versicherten-Pension und den Frühstarter-Bonus, aber der Bonus müsste jedenfalls höher sein."

Die Prognose der Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer, dass rund vier Mal so viele Menschen von dem neuen Frühstarterbonus profitieren werden wie von der derzeitigen abschlagsfreien Hacklerregelung könnte damit ganz grob gerechnet in etwa passen. Diese vorzeitige Langzeitversichertenregelung ohne Abschläge haben heuer von Jänner bis inklusive Oktober 9.742 Personen (nur PVA-Versicherte) in Anspruch genommen. Wenn man diese Zahl für das ganze Jahr und für alle Versicherten auf etwas mehr als 13.000 Personen hochrechnet und mit vier multipliziert, dann kommt man annähernd auf die von der PVA geschätzten 60.000 Personen für den Frühstarterbonus.

Zum Vergleich: Im Jahr 2019 gab es insgesamt 101.150 Neuzugänge bei den Eigenpensionen.

Auch bei den erwartbaren Kosten bestätigt die PVA mit rund 40 Millionen Euro im ersten Jahr die Schätzungen der Regierung.