Die Frontfrau der Wiener Grünen, Birgit Hebein, wird weiterhin Parteichefin bleiben. Allerdings wird sie auf ihr Gemeinderatsmandat verzichten, wie sie in einem Facebook-Posting am Mittwochnachmittag mitteilte: "Es ist mir wichtig, dass wir Grüne glaubwürdige Politik machen. Wenn der Grüne Klub im Rathaus mehrheitlich kein Vertrauen mehr in mich hat, dann werde ich auch mein Gemeinderatsmandat nicht annehmen - denn ich mache keine halben Sachen."

Ihre Entscheidung, weiterhin Parteichefin bleiben zu wollen, begründete sie in ihrem schriftlichen Statement so: "Die Opposition stellt uns jetzt vor neue politische Herausforderungen - gesellschaftlich und inhaltlich. Dem werden wir uns gemeinsam mit den Hunderten Aktivist*innen der Wiener Grünen und der Zivilgesellschaft stellen. Dazu werde ich jetzt als Parteivorsitzende meinen Beitrag leisten."

Interner Vertrauensverlust

Erst vor zwei Jahren zur Parteichefin gewählt, fuhr Birgit Hebein im Oktober das beste Ergebnis in der Geschichte der Wiener Grünen ein. Noch dazu bekam sie mit Abstand die meisten grünen Vorzugsstimmen. Trotzdem steht der Gang in die Opposition bevor und Hebein ist nicht Teil des selbsternannten "Zukunftsteams", das die Grünen in ihrer Oppositionsrolle führen soll. Dieses bilden nach der Klubsitzung am Montag David Ellensohn als Klubchef im Rathaus, sowie Peter Kraus und Judith Pühringer als nicht amtsführende Stadträte im Stadtsenat.

Dass Hebein keines der zu vergebenen Spitzenämter bekam und sie als amtierende Parteichefin nun von der Vizebürgermeisterin zur einfachen Gemeinderätin degradiert wird, schlug parteiintern hohe Wellen. Vor allem in den sozialen Medien brodelte es gleich nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Der ehemalige Generalsekretär der Grünen, Thimo Fiesel, sieht die Entscheidung als "falschen Schritt", der "menschlich wie strategisch schwer nachvollziehbar" sei. Er ortet Betrug an den Wählern und befürchtet eine Parteispaltung. Die Neo-Gemeinderätin Viktoria Spielmann schrieb von einer Entscheidung gegen den Willen der Basis.

Siegerin ohne Hausmacht

Tatsächlich lässt sich in diese Richtung argumentieren. 2018 wurde Hebein zur Spitzenkandidatin und Nachfolgerin von Maria Vassilakou an die Parteispitze gewählt. Hebein ging als Überraschungssiegerin aus einem Dreikampf hervor. Ihre Gegenkandidaten waren ausgerechnet Ellensohn und Kraus. Den Sieg hatte sie auch dem Wahlsystem zu verdanken, denn die Wiener Grünen wenden ein sogenanntes "Instant Runoff"-Verfahren an. Die Wähler stimmen dabei nicht nur für einen Kandidaten, sie reihen die übrigen dahinter nach ihrer Präferenz. Der Sieger ist meist ein Kompromisskandidat, nicht jener mit den meisten Erststimmen.

Bei der Abstimmung vor zwei Jahren hatte Kraus die meisten Erststimmen, gewonnen hat am Ende aber Hebein, die auf den meisten Stimmzetteln in den vorderen Rängen gereiht war. Rund 2.500 Menschen haben damals an der Wahl teilgenommen. Diese Woche hat nur der 16-köpfige Klub gewählt – und die Ämter vergeben. Die Kompromisssiegerin der Basis ohne Hausmacht im kleinen Rathausklub ist ein dankbares Narrativ. Hebein selbst hat bereits eingeräumt, sich sehr auf ihr Amt als Vizebürgermeisterin konzentriert zu haben und "wenig auf klubinterne Dynamiken". Welche Dynamiken das gewesen sein könnten, war von den Grünen nicht zu erfahren.

Am Ende ist die Entmachtung auch als Symptom der geänderten Rolle zu werten. Hebein hat die Stadt in den vergangenen Monaten entscheidend geprägt. Das Regierungsprogramm von SPÖ und Neos beinhaltet viele grüne Ideen, darunter auch die verkehrsberuhigte Innenstadt, die Hebein noch vor der Wahl umsetzen wollte. Sie an der Spitze der Opposition gegen dieses Programm würde der Glaubwürdigkeit der Fraktion keinen Gefallen tun.