Selbe Zeit, selber Ort, selbe Inhalte. Nur die Protagonisten sind Freitag Abend andere, am Viktor-Adler-Markt in Favoriten. Wo zwei Tage zuvor noch das Team rund um Heinz-Christian Strache seinen Auftritt hatte, feiern heute, zwei Tage vor der Wiener Gemeinderatswahl, die Freiheitlichen mit Spitzenkandidat Dominik Nepp ihre Abschlusskundgebung.

Die Stimmung ist verhalten. Man kann die Angst vor Wählerverlusten beinahe in der Luft spüren, mitunter fühlt man sich eher wie bei einer großen Familienfeier als bei einem Wahlkampf-Abschluss.

Kein rhetorisches Feuerwerk

Er möchte „Wien wieder zurückholen“ und nicht die Bürger, sondern die Regierung „unter Quarantäne stellen“. Doch das alles scheint nicht viele Anhänger zu interessieren. Die anwesenden Unterstützer unterhalten sich lieber und schießen Selfies mit einem verkleideten Teddybären in FPÖ-Montur. Anders als seinem ehemaligen Parteikollegen zwei Abende zuvor, gelingt es FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp nicht, ein rhetorisches Feuerwerk abzubrennen.

Das muss er auch gar nicht, erzählt mir ein älterer Herr in bunter Jacke. Er hat seine eigene Videokamera samt Stativ mitgebracht, um diese „zeitgeschichtlich interessante Veranstaltung“ aufzunehmen. Er sei ein „Protest-Wähler“ und wähle daher schon seit Jahren die FPÖ. Der Rechtsstaat habe sich schon lange aufgegeben. Als er 2015 bei der „Ankunft der Flüchtlinge“ selbst mit seiner Kamera vor Ort war, sah er ein ganz anderes Bild als jenes, das die Medien damals zeigten. Auch wenn sie es „manchmal etwas einseitig anlegen“ würden, ist die FPÖ für ihn „die einzig wählbare Partei“.

„Vom Ampelmann zum Hampelmann“

Erst als der geschäftsführende Klubobmann Herbert Kickl, begleitet von „Herbert“-Sprechgesängen, die Bühne betritt, herrscht so etwas wie Begeisterung bei den „unglaublichen 2000 Leuten die hier hergekommen sind“. Dass ein beobachtender Polizeibeamter die Menge auf höchstens 500 schätzt, sieht der ehemalige Innenminister wohl anders. Er bedankt sich fürs Kommen und beginnt sogleich gegen die Regierung, ihre Corona-Maßnahmen und „Horrorszenarien“ zu wettern.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sei vom „Ampelmann zum Hampelmann“ geworden und eigentlich hätten sich diese „Heinis einen Eintrag im Sektenbericht verdient“, poltert Kickl in die blauen Mikrophone. Auch mit der Migrationspolitik unter Rot-Grün und Türkis ist der blaue Klubobmann, wenig überraschend, mehr als unzufrieden und lässt seinem Hang zum Reimen freien Lauf.

Während Kickl gerade „dort wo die Moscheen stehen“ auf „die Frauen in der Burka gehen“ reimt, bricht neben mir ein kleiner Tumult aus. Ein junger Mann namens Mohammed gibt einem Videoteam ein Interview. Vor drei Jahren kam er aus Afghanistan nach Österreich. Er wohnt ein paar Blocks entfernt, geht hier zur Schule und möchte auch „hier sterben“. Sein Deutsch ist nicht akzentfrei, aber er weiß sich gut zu erklären.

„Ich fühle mich hier unwohl. Schon vorgestern haben sie über uns Ausländer geschimpft. Was soll ich denn noch mehr machen, als mich in der Schule anzustrengen und freundlich zu den Leuten zu sein. Solche Menschen wie die hier machen es einem nicht leichter“, beklagt er sich. Keine zwei Minuten dauert es, bis sich erbost Zuseher umdrehen und ihn verscheuchen wollen. „Geh zurück in dein Land, wenn es dir hier nicht passt“, brüllt ihn eine ältere Dame an.

Der, dessen Name nicht genannt werden darf

Zum Abschluss muss auch Klubobmann Norbert Hofer auf die Bühne. Nachdem er „dem besten Innenminister aller Zeiten“ zu seiner Rede gratuliert hat, darf er die Programmpunkte, die in den vergangenen Tagen schon mehrfach in Duellen und Elefanten-Runden zu hören waren, gebetsmühlenartig abarbeiten. Der einzige, der an diesem Abend völlig unerwähnt bleibt, ist der Konkurrent und ehemalige Spitzenkandidat der FPÖ, Heinz-Christian Strache. Der , der die FPÖ in die lichten Höhen der Regierung geführt hatte, ist an diesem Abend tabu.

Auf die Frage, warum man nicht beim HC sein Kreuzerl machen werde, reagiert man im Publikum sehr empfindlich. „Der ist der Falscheste und Verlogendste von allen“, ist noch eine der höflicheren Antworten,  die ich bekomme. Wie sehr die FPÖ aufgrund des Rauswurfes von Strache einbüßt, wird man frühestens Sonntagabend wissen. Dass man mit gehörigen Verlusten rechnet, ist hier nicht zu übersehen.