Wenn es nach einigen in der ÖVP ginge, wäre Sebastian Kurz heute hier. Nach dem Wahldebakel 2015, als die ÖVP in Wien ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, wurde Sebastian Kurz gefragt, ob er die Wiener Landespartei übernehmen wollte. Er sagte ab und schickte stattdessen Gernot Blümel vor.

Ihn treffen wir im Wiener Museumsquartier, gemeinsam spazieren wir zum Rathaus. Blümel ist seit fünf Jahren Wiener ÖVP-Chef, im aktuellen Wahlkampf ist er der türkise Spitzenkandidat und nebenbei noch Finanzminister. Der Rollentausch fällt nicht immer leicht, oft übertönt der Bundespolitiker den Kommunalpolitiker.

Innenpolitik-Redakteurin Veronika Dolna mit Gernot Blümel vor dem Museumsquartier.
Innenpolitik-Redakteurin Veronika Dolna mit Gernot Blümel vor dem Museumsquartier. © (c) Christoph Kleinsasser (Christoph Kleinsasser)

Dabei kennt Blümel das Wiener Rathaus auch von innen. Zwei Jahre lang war er nicht-amtsführender Stadtrat, eine Besonderheit, die die Wiener Landesverfassung vorsieht. Die Neos wollen diese Position abschaffen, die ÖVP hält aber daran fest. „Das Amt macht mehr Kontrollrechte für die Opposition möglich“, sagt er. Wenn die Wiener Stadtverfassung der Opposition mehr Kontrollrechte einräumen würde, hätte er kein Problem damit, die nicht-amtsführenden Stadträte abzuschaffen.

Geht es nach Blümel, ist die ÖVP nach der Wahl in Wien aber ohnehin keine Oppositionspartei mehr. Er selbst kandidiert zwar an erster Stelle für den Gemeinderat, annehmen wird er das Mandat aber nicht. Als Vizebürgermeister könnte er sich aber durchaus vorstellen, nach Wien zu wechseln, sagt er. Im Wahlprogramm sieht die ÖVP einen Sicherheitsstadtrat vor, der auch konkreter Ansprechpartner für das Innenministerium sein soll.

Das Zusammenspiel zwischen Bundes- und Stadtpolitik hat die ÖVP - haben Kurz und Blümel - von Anfang an erprobt. Kurz blieb 2015 Integrationsminister. Als frischer Wiener ÖVP-Chef initiierte Blümel in Abstimmung mit Kurz sofort eine Debatte um islamische Kindergärten und eine Diskussion um die Mindestsicherung. Die Themen Integration und Sozialleistungen dominieren auch jetzt den ÖVP-Wahlkampf.

Sebastian Kurz mit Gernot Blümel beim Wiener Landesparteitag im Februar.
Sebastian Kurz mit Gernot Blümel beim Wiener Landesparteitag im Februar. © (c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)

Blümel spricht von „verfehlter Integrationspolitik“ und „rot-grünen Sozialromantikern im Rathaus“. Er fordert Deutschkenntnisse für Gemeindewohnungen und mehr Kooperation von Eltern bei Schulpflichtverletzungen. Als Sanktionen, die er in Gespräch mit der Kleinen Zeitung „Anreize“ nennt, sieht er die Kürzung der Mindestsicherung vor. „Dann glaube ich, dass sehr wohl schnell die Bereitschaft besteht, diesen Weg zu gehen“, sagt er.

Und wenn nicht? Bringt das nicht eine Gruppe mittel- und obdachloser Menschen hervor? „Es kann doch nicht sein, dass jemand, der sich gar nicht bemüht, trotzdem alle Sozialleistungen bekommt“, antwortet Blümel. „Ich bin nicht dafür, das Menschen Geld bekommen, nur weil sie es möchten, ohne dass sie sich bemühen. Alles andere würde ich als unmoralisch empfinden.“

Podcast-Aufnahme im  Wiener Rathaus.
Podcast-Aufnahme im Wiener Rathaus. © (c) Christoph Kleinsasser (Christoph Kleinsasser)

Dass die vielen Wiener Beispiele gelungener Integration, von denen einige sogar auf den Listen sogar für die ÖVP kandidieren, in seinem Wahlkampf gar nicht vorkommen, sei der Situation geschuldet. „Gerade Personen, die das selbst durchgemacht haben, haben viel Verständnis dafür, dass man Anreize schafft, damit es möglichst viele andere auch schaffen“, sagt Blümel. Und natürlich, schießt er nach, sei in Wien nicht alles schlecht. Aber vieles könnte man eben verbessern.