Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist schon jetzt einer der mächtigsten Menschen Österreichs: Das Epidemiegesetz, das im Kern noch aus Zeiten Franz Josephs stammt, räumt ihm und seinen Gesundheitsbehörden weitgehende Durchgriffsrechte ein, Menschen oder ganze Landstriche unter Quarantäne zu stellen, um eine gefährliche Krankheit zu bekämpfen. Weil das Gesetz aber nicht vorgesehen hatte, ganz Österreich in „Lockdown“ zu nehmen, hat der Nationalrat im März eilig Voraussetzungen geschaffen – Anschober erließ Beschränkungen für den ganzen öffentlichen Raum. Was, wie man heute weiß, die Ermächtigung überschritten hat.

Zur Vorbereitung auf den „herausfordernden“ Corona-Winter will sich Anschober eine verbindliche neue Grundlage holen. Am Freitag endet die Begutachtung für eine Novelle der Epidemie- und Covid-Maßnahmen sowie des Tuberkulosegesetzes.

Unter anderem will Anschober nun eine Ermächtigung, „das Betreten von 1. bestimmten Orten oder 2. öffentlichen Orten“ untersagen oder an Bedingungen knüpfen zu können – etwa an die Einhaltung eines Mindestabstands. Außerdem sollen Behörden Gerichte erst ab einer Dauer von einem Monat über die Verhängung von Quarantäne informieren müssen. Betriebe und Veranstalter sollen verpflichtet werden, Kontaktdaten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeitern für 28 Tage aufzubewahren und den Gesundheitsbehörden im Anlassfall zur Verfügung zu stellen – wenn die Betroffenen der Datenverarbeitung ausdrücklich zugestimmt haben.

Diese Machtfülle findet viele Kritiker: Die Neos wollen „sämtliche Register ziehen, damit dieses Gesetz in der Form auf keinen Fall kommt“, so Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Sie wollen bei massiven Eingriffen in Grundrechte eine verpflichtende Einbindung des Parlaments, auch Verordnungen sollen einem „ministerielles Vier-Augen-Prinzip“ unterliegen, um Anschobers Machtfülle zu zügeln.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sieht „höchst problematische“ Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte und kritisiert „völlig unklare Bestimmungen“ beim Datenschutz und der Weitergabe von Kontaktdaten. Die FPÖ sieht Anschober überhaupt überfordert und verlangt seine Abberufung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Anschober selbst erklärt, er nehme die Kritik „auch in den Teilbereichen, die eher parteipolitisch motiviert sind oder auf Missverständnissen aufbauen, sehr ernst“. Er will kommende Woche die Klubobleute zu einer Besprechung einladen. „Ich weiß, dass die Balance zwischen Gesundheitsschutz und Grundrechten eine besonders sensible ist, und suche klare Mehrheiten“, so Anschober. Das Gesetz soll Ende September im Nationalrat beschlossen werden.