"Eine schlechte Nachricht" sah Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gestern in der Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Österreich - zum ersten Mal seit Monaten hatte sie gestern die 200er-Grenze überschritten. Erst die Cluster-Analyse durch die Ages in den nächsten Tagen werde zeigen, ob die Situation mit 282 Neuerkrankungen besorgniserregend sei - oder ob alle Infektionswegen nachvollziehbar sind und damit die Lage unter Kontrolle sei. Auch einen Zusammenhang mit gestiegenen Testzahlen - 12.000 Testungen in den letzten 24 Stunden - will Anschober nicht ausschließen. Das Dashboard des Sozialministeriums zeigt, dass die Zahlen heute noch einmal deutlich angestiegen sind. Über 300 Fälle sind dort verbucht.

Laut Innenministerium wurden exakt 303 neue Fälle registriert, wobei allein 131 auf die Bundeshauptstadt entfallen. Bemerkenswert erscheinen auch 51 Neuinfektionen in Oberösterreich, 37 in Tirol und 33 in Kärnten.

Wien als Hotspot

In Wien wurde am Samstag der bisher höchste Tageswert bei positiv getesteten Reiserückkehrern verzeichnet. In den vergangenen 14 Tagen wurden in Wien fast 16.000 direkte Kontaktpersonen abgesondert und getestet.

So sieht die Corona-Kurve für Österreich aus. Die Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr wurden bei einer deutlich geringeren Zahl an Infektionen verhängt. 222 Infektionen scheinen hier für den 16.3 auf. Das war der Tag, an dem nur noch die "kritische Infrastruktur" geöffnet blieb.

Angesichts eines hohen Anteils von Infektionen, die mit Reisen zu tun haben, wurde gestern eine Reisewarnung für Kroatien verhängt. 

Tests überspringen eine-Million-Grenze

Anschober lobte zunächst den Ausbau der Corona-Testkapazitäten in Österreich: Am Freitagvormittag sei die Grenze von einer Million durchgeführter Tests seit Beginn der Krise überschritten worden. "Wir haben 1,003.432 Tests. Das ist schon ein Zeichen dafür, dass wir sehr aktiv im Feld sind", sagte der Minister. Im Zeitraum von 4. bis 13. April hätte man in Österreich rund 50.000 Tests geschafft, vom 4. bis 13. August bereits 81.000. Dazu hätte vor allem das Screeningprogramm neben den Untersuchungen von Verdachtsfällen geführt. Im ersten Zeitraum sei der Anteil der SARS-CoV-2-positiven Tests bei 5,5 Prozent gelegen, zuletzt bei 1,5 Prozent.

Die Entwicklung entspreche den Erwartungen nach der akuten Phase im Frühjahr und den Öffnungsschritten. Die Besonderheiten laut dem Minister: viele kleine Cluster, 24 Prozent der positiven Tests erfolgen bei nicht-symptomatischen SARS-CoV-2-Infizierten und relativ viele Reise-assoziierte Infektionen.

Schließlich, wie Anschober erklärte: "Wir beobachten eine völlige Veränderung der Alterspyramide." Seien am Beginn der Pandemie vor allem die älteren Menschen betroffen gewesen, seien jetzt die 15- bis 24-Jährigen die am häufigsten positiv getesten Personen in Österreich. "Wir haben in Österreich ein Durchschnittsalter (der neu positiv Getesteten; Anm.) von 33,7 Jahren", sagte Anschober. In Deutschland seien es 34 Jahre.

Die meisten Infektionen der vergangenen Tage seien auf kleine Veranstaltungen zurückzuführen: "Relativ viele Familienfeiern, kleine Feste" sind Anschober zufolge die häufigsten Ansteckungsorte.

Langstreckenläufer schafft keine zwei Kilometer mehr

Wie sehr die Krankheit auch in nicht offensichtlich schweren Verläufen Langzeitfolgen haben kann, erörtert der Leiter der Ambulanten Pneumologischen Rehabilitation der Therme Wien, Hartmut Zwick, der post-Covid-Patienten behandelt hat.

Zwick schildert unter anderem den Fall eines relativ jungen Langstreckenläufers, der früher rund 150 Kilometer die Woche gelaufen war: "Jetzt schafft er keine zwei Kilometer mehr".