Sie sind zuletzt mit ein paar Spitzen gegen die Parteichefin aufgefallen?

HANS-PETER DOSKOZIL: Welche?

Da gibt es viele Zitate etwa: „Wenn man in den Umfragen unter 20 Prozent liegt, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen.“

DOSKOZIL: Das ist doch so, die ÖVP freut sich darüber.

Häupl pflegte zu sagen, wenn es Interna zu besprechen gilt, tut man es nicht draußen am Balkon?

DOSKOZIL: Ich bin froh, dass wir in der SPÖ noch inhaltlich diskutieren kann, also keine Einheitspartei sind, wo in Wien der Messias sitzt, den Tagesbefehl ausgibt, und alle schweigen.

Als Einheitspartei erfolgreich?

DOSKOZIL: Nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern wegen der PR-Maschinerie.

Und die Wähler fallen drauf rein?

DOSKOZIL: Die Bevölkerung sieht allmählich, dass vieles nur Schein ist. Zwei Beispiele: Kurz hat uns allen erzählt, dass die Balkanroute geschlossen ist. Das ist ein PR-Gag. Die Balkanroute war nie geschlossen. Wenn die Türkei den EU-Pakt aufkündigt, kann man Bilder wie 2015 nicht ausschließen.

Dafür bedarf es eines Einvernehmens auf EU-Ebene?

DOSKOZIL: Kurz hat sich beim letzten EU-Gipfel als erfolgreicher Verhandler inszeniert. Wenn er so erfolgreich ist, soll er auch in der Migrationsfrage, siehe Auslandsverfahren, Aufnahmezentren, was auf den Boden bringen. Zweites Beispiel: Weil Wirecard-Chef Braun der ÖVP 70.000 Euro gespendet und Kurz ein Problem mit den Parteispenden hat, wirft er mir und Kunasek vor, dass wir in Libyen eine Miliz mitfinanzieren wollten. So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört. Da schwingt ein Maß an Abgehobenheit, Selbstverliebtheit, Überheblichkeit mit. Die Menschen werden bald merken, dass die inhaltliche Tiefe fehlt.  

Herrn Braun haben Sie nie getroffen?

DOSKOZIL: Nein. Im Unterschied zu Kurz, wo man die Frage stellen muss: Was hat sich Wirecard von der ÖVP erhofft? Braun ist ein Geschäftsmann, der sich für die 70.000 Euro was erwartet.

Die 70.000 waren aber nicht illegal?

DOSKOZIL: Das sage ich nicht. Ich bin dafür, dass alle Parteispenden abgeschafft werden. Die Parteien bekommen mehr als genug von der öffentlichen Hand. Wenn der KTM-Chef der ÖVP was zahlt, frage ich mich schon: Was entstehen da für Abhängigkeiten? Glaubt jemand ernsthaft, wenn der KTM-Chef sagt: Lieber Herr Bundeskanzler, ich will den Mindestlohn nicht, ich will eine Arbeitszeitflexibilisierung, dass Kurz dann sagt: Du hast mir was gespendet, aber die Wünsche erfülle ich dir nicht. Mit den Spenden hat KTM einen direkten Zugang zum Kanzler. Wer 1200 Euro im Monat verdient, hat keinen direkten Zugang.

Wenn bei Kurz wirklich alles Schein ist, müsste doch die SPÖ durchstarten?

DOSKOZIL: Den Beginn der Corona-Krise hat die Regierung gut gemanagt, nur wird es holpriger. Ich verhehle nicht, dass man eine pointiertere Oppositionspolitik machen könnte. Ziel muss es sein, dass die SPÖ wieder in der Regierung kommt.

Als Juniorpartner?

DOSKOZIL: Wieso?

Sie glauben, die SPÖ landet auf Platz eins?

DOSKOZIL: 2017 hieß der ÖVP-Chef noch Mitterlehner, und die Partei lag bei 20 Prozent. Die Politik ist so schnelllebig.

Und Sie bleiben im Burgenland?

DOSKOZIL: Ich habe im Burgenland eine Wahl geschlagen. Damit verbunden ist ein Versprechen an die Burgenländer, dass ich da bleibe. Was in fünf Jahren, zehn Jahren ist? Politik ist schnelllebig.

Kann am burgenländischen Wesen die Bundes-SPÖ genesen?

DOSKOZIL: Wir haben den Mindestlohn nicht nur gefordert, sondern umgesetzt, und auch den Gratiskindergarten eingeführt. Ich wüsste nicht, warum man damit nicht in ganz Österreich reüssieren sollte.

Es gibt SPÖ-interne Widerstände gegen Ihre Migrationspolitik?

DOSKOZIL: Wenn man den Anspruch hat, dass man keine Partei will, die einen Messias an der Spitze hat, muss man andere Meinungen zulassen. Am Ende geht es darum, eine Wahl zu gewinnen. Da kann man nicht auf jeden Sozialromantiker Rücksicht nehmen.

Ist der Doskozil-Kurs mehrheitsfähig in der SPÖ?

DOSKOZIL: Mein Eindruck von Gesprächen mit der Basis und den Funktionären ist, dass er mehr als mehrheitsfähig ist. Ich spreche mich gegen den Wirtschaftsliberalismus und für einen Staat, aus, der seiner Rolle gerecht wird. Es kann nicht sein, dass ein Privatunternehmen ein Schubhaftzentrum führt. Ich bin auch dagegen, dass private Unternehmen Spitäler führt.

Sie sind gemeinsam mit Kunasek aufgetreten. Ist das ein Erfolgsmodell für den Bund?

DOSKOZIL: Das ist eine Allianz in einer Sache. Daraus abzuleiten, dass man jetzt mit der FPÖ koaliert, ist sehr einfach gedacht.

Es gibt einige in der SPÖ, die gegen eine Koalition mit der FPÖ sind?

DOSKOZIL: Ich stehe auf dem Standpunkt: Sag niemals nie, sage aber auch dazu. Mit den jetzigen Akteuren ginge es nicht.

Ging es nicht Hofer leichter als mit Kickl?

DOSKOZIL: Beide werden in der SPÖ als Rechtsideologen gesehen. Man ist sich auch nie ganz klar, wer der Chef ist. Ich wiederhole daher: kein Koalitionspartner für die SPÖ.

Die SPÖ soll in die Regierung, aber mit wem koalieren?

DOSKOZIL: Die Regierung ist kein Wunschkonzert, der Wähler entscheidet. Wie es der SPÖ gut getan hat, einmal nicht in der Regierung zu sein, sollte auch die ÖVP einmal in Opposition gehen.

Also doch mit der FPÖ?

DOSKOZIL: Die ganze Koalitionsdiskussion bringt wirklich nichts.

Wäre Rot-Grün eine charmante Idee?

DOSKOZIL: Rot-Grün hat die SPÖ selber versemmelt. Wir haben immer gedacht, wir müssen mit den Grünen um die Wähler, um das linke Segment konkurrieren. Wir wollten immer die besseren Grünen sein. Das ist ein strategischer Fehler. Wir sollte die SPÖ wieder in die Mitte führen und in erster Linie jene Wähler, die wir an die FPÖ verloren haben, zurückholen. Den Grünen sollten wir ihren Platz lassen.

Was ist in Mattersburg passiert? Ist die kriminelle Energie eines Einzelnen oder doch Auswuchs eines Biotops?

DOSKOZIL: Ich bin immer noch vor den Kopf gestoßen, dass jemand, der als Persönlichkeit gegolten hat, ein solches Verbrechen begeht.

Hauptaktionär der Bank ist eine Genossenschaft, wo das Land die Revionsbehörde stellt. Gibt es eine Mitverantwortung des Landes?

DOSKOZIL: Zuständig dafür war der Wirtschaftslandesrat, den bis zur letzten Wahl 2020 die FPÖ und vorher immer die ÖVP gestellt hat. Das Land prüft die Genossenschaft, aber nicht die Bank. Der Chef des Aufsichtsrats und dessen Stellvertreter haben ein Naheverhältnis zur ÖVP und zur Wirtschaftskammer. Mir ist immer noch ein Rätsel, warum Nationalbank, FMA, Staatsanwaltschaft, nichts getan haben.

Das Land ist aus dem Schneider?

DOSKOZIL: Wir haben keine Befugnis, die Bank zu prüfen. Wenn wir einen Wirtschaftsprüfer in die Bank geschickt hätten, hätten sie uns rausgeschmissen.

Es gibt das Gerücht, dass Gelder der burgenländischen SPÖ auf Sparbüchern gelagert sein?

DOSKOZIL: Wir hatten bis vor der Wahl einen Betrag bei der Bank, das Geld ist im Zuge der Kampagne vor der Wahl im Jänner aufgebraucht worden.

Was machen Sie mit den Gemeinden, die um ihre Gelder fürchten?

DOSKOZIL: Da geht es um sechs bis acht Millionen. Wir greifen den Gemeinden unter die Arme. Wenn die Gemeinden die Gehälter ihrer Bediensteten nicht mehr zahlen können, dann springen wir mit vorgezogenen Bedarfszuweisungen ein.