Grüßt Wolfgang Sobotka Sie, wenn Sie ihn im Parlament treffen?
STEPHANIE KRISPER: Ja, natürlich.

Sie forderten vehement seine Ablöse als Ausschussvorsitzender und laden ihn als Zeugen vor.
Er agiert schmerzbefreit und sitzt selbstbewusst am Vorsitzsessel. Ich denke, er ist sich der Problematik zwar bewusst, aber für die ÖVP ist es extrem wichtig, dass er bleibt. Denn er ist sehr erfolgreich darin, die Ausschussarbeit zu erschweren. Etwa wenn der Kanzler und der Finanzminister so ausschweifend antworten, dass wir um unsere letzte Fragerunde umfallen, und der Vorsitzende nicht eingreift.

Sie zählen, wie oft Gernot Blümel angab, sich nicht erinnern zu können. Auch Sobotka, zählt mit, nämlich wie oft bisher von Unterstellung die Rede war: 171 Mal.
Seine Definition von „Unterstellung“ würde ich gerne kennenlernen. Wenn wir Bezug auf die Strafakten nehmen - da sind gewisse Fragen natürlich kritisch, weil es sich eben so aus der Aktenlage ergibt - ist das noch keine Unterstellung.

Wie erklären Sie sich den großen Auffassungsunterschied in der Geschäftsordnung?
Viele Diskussionen gab es wegen Entschlagungen, weil wir auch Beschuldigte geladen haben. Staatssekretär Fuchs hat vorgezeigt, dass auch Beschuldigte aussagen können, wenn sie sich dadurch entlasten oder zur Wahrheitsfindung beitragen wollen. Über Entschlagungen wurde aber nicht professionell effizient entschieden.

Wieso haben Sie nicht organisiert, dass Beschuldigte vor ihrer Befragung einvernommen werden, damit sie wissen, wessen sie bezichtigt werden?
Es gab bis zum Tag vor dem Beginn des U-Ausschusses wenig Information darüber, gegen wen welches Strafverfahren läuft. Die Konsultation mit dem Justizministerium war diesmal verspätet und nicht so gut abgestimmt, wie bei anderen U-Ausschüssen.

Sie haben die Öffentlichkeit ja daran teilhaben lassen, dass Ihnen „alle am Oasch“ gehen.
Bedauerlicherweise.

Was hat Sie so explodieren lassen?
Ich bin es gewohnt, dass Auskunftspersonen ausweichen, aber nicht, dass sie damit durchkommen, weil nicht „zur Sache“ gerufen wird. Die Proponenten sind immer schwierig. Aber in diesem U-Ausschuss ist das Umfeld auch sonst so schwierig wie nie zuvor, die ÖVP erschwert die Aufklärung bewusst. Das ist extrem enervierend.

Was war bisher das Erhellendste für Sie?
Dass Kanzler und Finanzminister, die Antworten umgangen oder durch unfassbare Erinnerungslücken unterlassen haben. Weil sie wissen, dass der Ausschuss noch Monate dauert, aber nicht, wer aussagen wird, was noch ausgesagt wird, und welche Dokumente wir noch bekommen. Uns war wichtig Kurz und Blümel am Anfang zu haben, um zu sehen, wie viel sie bereit sind, von selbst zu sagen.

Das Ibiza-Video haben Sie noch nicht. Wann rechnen Sie damit?
Ich erwarte mir, dass die Justiz es im Sommer liefert. Und zwar im ganzen Stück. Es ist uns aber noch wichtiger, das Rohmaterial der Soko Tape zu bekommen, weil wir als Beweisthema auch mögliche parteipolitische Ermittlungen haben. Dem können wir nur nachgehen, wenn wir wissen, was die Soko sichergestellt hat, und ob sie jeder Verdachtslage gleich intensiv nachgeht - egal, wen es betrifft.

Dahinter steckt ein schwerwiegender Vorwurf, nämlich der des Amtsmissbrauches.
Jegliches Untersuchungsthema ist, wenn es verwirklicht wird, möglicherweise strafrechtliche relevant. Primär geht es aber um politische Verantwortung. Wenn also Innenminister Nehammer die Soko weiter für die WKStA ermitteln lässt, obwohl sich schon gezeigt hat, dass sie teilweise mangelhaft arbeitet, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er in einem Verfahren, in das ÖVP-Akteure involviert sind, die zuständige Justizbehörde in ihrer Arbeit behindert. Das Vertrauen ist stark belastet, so kann es nicht weitergehen.

Wie lässt sich verhindern, dass die Vertrauenskrise ausufert und am Ende bei den Menschen das Gefühl übrig bleibt: Alles ist verkommen - die Regierung, das Parlament, sogar die Justiz?
Ein U-Ausschuss behandelt immer nur ein Thema, wo die parlamentarische Minderheit den größten Aufklärungsbedarf sieht. Das ist ein Fall, abseits der gesamten anderen Justiz, in die ich großes Vertrauen habe. Die Sorge um den Rechtsstaat geht bei Strafverfahren erst dann los, wenn sie sehr politiknah sind. Da haben wir in Österreich oft ein Problem. Unsere Analyse ist immer differenziert. Nicht differenziert ist es, wenn Sebastian Kurz behauptet, die gesamte WKStA sei von einem roten Netzwerk durchzogen. Das ist kollektiv diffamierend.

Was soll vom Ausschuss übrig bleiben?
Ich hoffe auf Transparenz parteinahen Vereinen und bei Parteienfinanzierung, also eine Rechnungshofskontrolle und höhere Strafen. Außerdem transparente und objektive Postenbesetzungen. Die Berichtspflicht ans Ministerium bei „clamorosen“ Fällen muss abgeschafft werden. Da gibt es momentan die Möglichkeit, massiv Einfluss zu nehmen.

Im U-Ausschuss geht es nicht um die strafrechtliche Relevanz, sondern um politische Verantwortung. Was genau verstehen Sie darunter?
Für mich ist viel an politischer Verantwortung schon klar. Sie liegt beim Bundeskanzler. Er hat die FPÖ an die Futtertröge gelassen. Aufseiten der ÖVP waren der zugegebene Postenschacher und Gesetzesänderungen sehr oft mit Spenden verbunden. Im Untersuchungsausschuss wollen wir das Ganze an Fällen noch klarer aufzeigen. 

Und wie soll der Kanzler diese Verantwortung Ihrer Meinung nach wahrnehmen?
Mit den genannten Reformen, die in Zukunft so ein Verhalten nicht mehr möglich machen. Das wär für mich das schönste Eingeständnis.