Der Plan war ein anderer: dass in alter Tradition die breite Öffentlichkeit am Sonntag über das neue Coronapaket der Regierung, das bei der zweitägigen Klausur fixiert werden soll, informiert wird. Doch die Grünen durchkreuzten die von den Türkisen bis zur Perfektion verfolgte Message Control und plauderten es am Vortag aus.

Das Foul ist Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins, das mit dem Einzug des ehemaligen grünen Bundesgeschäftsführers Stefan Wallner ins Kabinett von Vizekanzler Werner Kogler zeitlich zusammenfällt. Seit dem Start der Koalition mussten sich die Grünen immer wieder vorhalten lassen, von den Türkisen am Nasenring durch die Arena gezogen zu werden. Der Hinweis, dass man als 13-Prozent-Partei nur schwer auf Augenhöhe mit einer 37-Prozent-Partei verhandeln könne, verfing nicht. Oder der Hinweis, dass es keine andere parlamentarische Mehrheit (mit SPÖ und Neos) zur Durchsetzung gewisser Positionen gibt.

Die von Justizministerin Alma Zadic durchaus elegant vollzogene Demontage des übermächtigen Sektionschefs Christian Pilnacek erwischte die ÖVP auf dem falschen Fuß. Deutlich selbstbewusster tritt auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer auf, die die Entlastung der Gastronomie über eine Senkung der Mehrwertsteuer mit jener der Kultur junktimierte. Noch subtiler agiert nur der Gesundheitsminister: Rudolf Anschober war der einzige Minister, der sich der Idee, dass in der Hochphase von Corona alle Pressekonferenzen im Kanzleramt stattfinden sollten, versperrt und zu sich auf den Stubenring geladen hat. Der Dramatik der Krise und der Professionalität des derzeit populärsten Grünen im Land (vor Alexander Van der Bellen) ist es wohl geschuldet, dass Anschober auch abseits der Mikrofone kein schlechtes Wort über den Kanzler verliert.

Dass die Grünen anfänglich völlig unterschätzt hatten, wie aufwendig der Regierungsalltag ist, räumt man in der Zwischenzeit ein. Während die ÖVP in der Zeit der Beamtenregierung ihre gut geölte Maschinerie teils in der Parteizentrale, teils in Ministerien geparkt hatte und mit dem Start der Koalitionsverhandlungen wieder reaktivierte, zogen die Grünen als außerparlamentarische Opposition direkt in die Regierung ein. Kogler ist in Personalunion auch Beamtenminister, wegen Corona kam der Vizekanzler monatelang gar nicht dazu, einen eigenen Referenten für Beamtenfragen im eigenen Kabinett zu platzieren.