Innenpolitischer Paukenschlag: Nach nicht einmal sechs Monaten im Amt trat Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) zurück. "Ich musste in den letzten Tagen feststellen, dass ich mit meinen Stärken keine positiven Wirkungen mehr erzielen konnte, dass mir keine Chance gegeben wurde."

Sie habe ein ambitioniertes Regierungsprogramm vorgelegt, in dem es ihr insbesondere um die Absicherung der freien Szene, um "fair pay", gegangen sei. Die Corona-Krise habe ihr dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es sei ihr nicht gelungen, das, wofür sie sich einsetzen wollte, umzusetzen. "Ich habe in meinem Leben immer Konsequenzen gezogen, wenn das nötig war. So mache ich es auch heute."

1.000 statt 500 Euro für Künstler

Bevor sie ging, erteilte Lunacek noch die Anweisung, alle 500-Euro-Zahlungen an Künstler mit einem Einkommen von weniger als 11.000 Euro pro Jahr auf 1.000 Euro zu verdoppeln.

Ihre drei Wünsche an ihre Nachfolgerin bzw. das Wirken der Regierung in Nach-Corona-Zeiten: Dass den Künstlern gerade in den Zeiten der Krise das finanzielle Überleben ermöglicht werde, dass auch in Zeiten der Geldnot genügend Geld für die Kunst vorhanden sein möge, und dass die Freiheit der Kunst nicht dem Kräftespiel in der fragilen Balance zwischen Gesundheitsschutz, Eigenverantwortung und Wirtschaftlichkeit zum Opfer fallen möge.

Lunacek bekannte sich dazu, die Funktion der Kulturstaatssekretärin mit einem gewissen Risiko übernommen zu haben, "aber ich habe immer den Mut zum Risiko, dazu, Neues zu wagen, gehabt". Auch ihrer Nachfolgerin, der Regierung für ihre künftige Arbeit wünsche sie diesen Mut."Wer nicht den Mut zum Risiko hat, wird neue Ideen nicht umsetzen können." Lunacek wirkte traurig, aber gefasst: "Ich habe in meinem Leben oft gewonnen, und manchmal auch verloren. Das gehört dazu."

Wer ihre Nachfolgerin sein wird, gab sie nicht bekannt. Fragen nach ihrem Statement waren nicht zugelassen.

"Länder bei Maßnahmen einbinden"

Der steirische Kulturlandesrat Christopher Drexler erklärte: „Ich respektiere die Entscheidung von Ulrike Lunacek, als Kulturstaatssekretärin zurückzutreten. Nun geht es vor allem darum, schnell eine Nachfolge zu bestimmen und gemeinsam rasch Lösungen für den von den Corona-Maßnahmen so stark betroffenen Kulturbereich zu entwickeln. Vor allem braucht es Perspektiven, einen klaren Öffnungs-Fahrplan und praktikable Wege für den gesamten Kunst- und Kulturbetrieb – vom Theater bis zur Blasmusik.

Für Drexler ist besonders wichtig, dass die Betroffenen eng miteinbezogen werden, um auf Basis der Erfahrungen aus der Praxis agieren zu können. Daneben gilt es auch, die Länder in die Erarbeitung der Maßnahmen miteinzubinden: „Nur so können wir die Hilfs- und Unterstützungsinstrumente, die wir auf Landesebene vorbereitet und eingerichtet haben, bestmöglich abstimmen und die Planungen mit den steirischen Kultur-Institutionen und Vereinen auf gesicherter Basis durchführen.“

Seit Wochen unter Beschuss

Lunacek steht seit Wochen schwer unter Beschuss, da im Unterschied zum Sport-, Gastro- oder Hotelbereich bisher keine Lockerungsperspektiven für die Kultur ausgehandelt worden sind. Gestern verdichteten sich die Gerüchte, weil die für heute geplante Pressekonferenz zu den Kulturöffnungen kurzfristig abgeblasen wurde.

Immer lauter waren die Vorwürfe von Kulturmanagern und Künstlern geworden, sie habe zu wenig Verständnis für die spezifischen Probleme der Branche und könne deren Anliegen innerhalb der Regierung zu wenig vertreten. Zuletzt sagte sie kurzfristig Interviewtermine ab. Statt der erhofften nächsten Lockerungen für den Kunst- und Kulturbetrieb, auf die vor allem die Bregenzer und die Salzburger Festspiele dringend warten, dürfte es heute eine Rücktrittserklärung geben

Schon länger Gerüchte

Auf die Rücktritt-Gerüchte von Lunacek in der "ZiB2" vom Donnerstag angesprochen, meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nur: "Entscheidungen wie diese sind höchstpersönliche Entscheidungen". "Die Staatssekretärin hatte keine einfache Zeit in den letzten Wochen", meinte er noch unter Hinweis auf die angespannte Lage der Kultur.

Er habe zu Lunacek "ein gutes persönliches Verhältnis", erklärte Kurz. Auf die Frage, ob im Fall ihres Rücktritts die Kultur-Zuständigkeit wieder zur ÖVP wechseln könnte, versicherte er: "Die Ressortverteilungen sind klar'" und "sie werden sich auch nicht ändern".

Was die angespannte Situation im Kulturbereich betrifft, bekräftigte Kurz, er hoffe, dass "wir in den nächsten Tagen ein Konzept vorlegen können, wie wir auch die Kulturnation Österreich wieder auferstehen lassen können". Darum "bemühen wir uns natürlich unabhängig von Personen". Auf die Frage nach - von Kulturschaffenden ebenfalls vehement eingeforderter - stärkerer finanzieller Unterstützung ging er nicht näher ein. "Natürlich" brauche es diese, aber ebenso sehr brauche es Wege, um wieder Auftritte zu ermöglichen.