Hannes Androsch, Industrieller und langjähriger SPÖ-Spitzenpolitiker, gibt sich in der Gesprächsreihe "Was zählt" mit Peter Pelinka in der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung kämpferisch. Er beklagt den Zustand seiner Partei, die Schäden an der Wirtschaft, die Politik der Bundesregierung, des US-Präsidenten und Chinas.

Gefragt nach der SPÖ, sagt er resigniert: „Man kann nicht viel sagen über einen im Tiefschlaf Befindlichen. Mit 16 Prozent in den Umfragen müsste man ein Masochist sein, wenn man zufrieden sein wollte, wenn man aus einer Zeit kommt, wo man 51 Prozent bei Wahlen hatte und 720.000 Mitglieder. Jetzt hat man 160.000.“

Um Schulterschluss bemüht

Zur Feststellung, die ÖVP setze im Kampf gegen Arbeitslosigkeit manche Maßnahme, die auch von der SPÖ sein könnte, sagt Androsch: „Man muss ihr konzedieren, dass sie schamlos opportunistisch ist.“ Zur Corona-Bekämpfung der Regierung fällt dem ehemaligen Finanzminister und Vizekanzler Bruno Kreiskys auch nichts Gutes ein. Er bezweifelt die Aussagekraft der Daten, „weil wir verdammt wenig testen und noch weniger die Infektionsnachfolge betreiben“. Ihn stört an der Regierung, was er „selbstbelobigendes Eigenmarketing“ nennt und „eine Scharade von inhaltslosen Pressekonferenzen“. Was er getan hätte? „Ich hätte früher gehandelt.“ Auch hätte er sich um einen Schulterschluss mit allen Kräften bemüht, der sei bis heute ausgeblieben.

Ob die Krise auch Positives bewirke, etwa eine Entschleunigung? „Das ist eine lächerliche Weisheit: Wenn du Zahnweh hast, setz dich auf eine heiße Herdplatte, dann spürst du das Zahnweh nicht.“ Natürlich würden sich Konsumverhalten und unternehmerische Dispositionen ändern und manche medizinische Ausstattung künftig in Eigenproduktion hergestellt. „Aber wenn man glaubt, man kann in einem alpinen Schrebergarten den Wohlstand und die Wohlfahrt aufrechterhalten, dann ist das eine Illusion, wie die Behauptung des Kanzlers, wir werden nach der Krise stärker sein als vorher. Das ist entweder Unwissen oder Unverschämtheit.“

In manchen Bereichen hofft Androsch geradezu auf „überfällige Änderung“: Überbürokratisierung, Überbesteuerung, Regulierungswahn und das „rückständige Schulwesen, das noch in der Kreidezeit lebt“, nennt er konkret. Videokonferenzen? „Das soll man nicht überschätzen, das sind Hilfs- und Notmaßnahmen, die nicht wirklich dauerhaft sind, weil sie für die meisten Berufe nicht möglich sind.“ Digitale Fiaker, Operationen oder Gasthäuser gebe es eben nicht.

Dringend notwendig findet Androsch eine hohe CO2-Steuer. An einen Umstieg auf E-Mobilität glaubt er nicht, wegen der ungelösten Batteriefrage. Auch nicht an Wasserstoffantrieb. Die Emissionen müsse man in den Griff bekommen, das sei beim sauren Regen oder bei FCKW auch gelungen.

Besorgniserregend findet Hannes Androsch die Konfrontation zwischen den USA und China, die sich zur Feindschaft auszuwachsen drohe. „Das kann beiden nicht helfen und schadet der gesamten Welt. Wir haben eine Weltunordnung und niemand ist da, der bereit wäre, eine Führungsrolle anzunehmen.“ Er hofft auf eine Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten und eine Wiederannäherung der USA an die EU. „Altmeister Henry Kissinger hat vor Kurzem gesagt, entweder finden Amerika und Europa wieder – so wie nach 1945 – zusammen, oder Amerika wird eine Insel und Europa wird ein Appendix von Eurasien.“