Der Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, Gernot Blümel, ist am Samstag beim 36. ordentlichen Landesparteitag in seiner Funktion bestätigt worden. Er erhielt 96,8 Prozent. Das sind insgesamt 394 Delegiertenstimmen.

Blümel hat die Partei unmittelbar nach der Wien-Wahl 2015 interimistisch übernommen. Die offizielle Kür zum Obmann erfolgte bei einem Parteitag 2016. Damals erhielt er 94,84 Prozent der Stimmen.

"Vom vierten auf den zweiten Platz springen"

Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz sieht in der im Herbst anstehenden Wien-Wahl eine "historische Chance" für die Bundeshauptstadt und die Möglichkeit, die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. "Es ist erstmals möglich, dass wir vom vierten auf den zweiten Platz springen", zeigte sich Kurz beim Landesparteitag  zuversichtlich.

"Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Jahr eine historische Chance für Wien ist", betonte er in seiner rund zehnminütigen Rede. Er habe schon mehrere Wiener Wahlkämpfe miterlebt. "Das war nie so eine schöne Situation. Es war dann der Wahltag nie ein so großer Grund zur Freude", erinnerte sich Kurz. Deshalb freue er sich besonders, nun eine Phase miterleben zu dürfen, "wo wir genau wissen, dass mit Gernot Blümel an der Spitze diesmal Großes möglich sein wird".

Blümel: Sind nun "kantige Oppositionspartei"

Blümel hat sich am Samstag in seiner Rede am Parteitag der Stadt-Türkisen als Herausforderer von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) positioniert. Auch er zeigte sich wie zuvor Bundesparteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz überzeugt, dass es möglich sei, der SPÖ das Amt abspenstig zu machen.

Er sei oft gefragt worden, warum er sich das antue, erinnerte Blümel zunächst an die wenig erfreuliche Situation der Partei nach der Wahl 2015. Aber es sei "sonnenklar" gewesen: "Wir wollen die Chance nutzen, von der viele gemeint haben, dass wir sie gar nicht mehr haben." Man habe den Mut zur Veränderung bewiesen und sei zu einer kantigen Oppositionspartei geworden, freute sich der Chef-Türkise.

"SPÖ fehlt der Mut zur Veränderung"

Man habe es geschafft, die Bedürfnisse der Wienerinnen und Wiener wieder in den Mittelpunkt zu stellen und nicht "parteiinterne Befindlichkeiten" - wie es die FPÖ derzeit vormache. Wobei er auf die "gute Zusammenarbeit" mit der FPÖ in der Bundesregierung verwies. Sie sei nun aber eine Partei geworden mit wenig Halt "und dafür mit viel Hinterhalt".

Auch in der SPÖ fehle der Mut zur Veränderung. "Es ist bezeichnend, wenn aus Sicht des SPÖ-Bürgermeisters (Michael Ludwig, Anm.) das brennendste Thema der Herzerlbaum am Rathausplatz oder die Patenschaft fürs Eisbärenbaby ist." Nun gelte es, die Chance zu nutzen, denn der Bürgermeister müsse nicht immer SPÖ-Mitglied sein.

Wichtig sei etwa, die großen sozialen Fragen der Zeit zu lösen. Es gehe um jene, die arbeiten und in der Früh aufstehen und die trotzdem das Gefühl hätten, dass am Ende wenig Geld übrig bleibe. Gleichzeitig würden große Internetkonzerne keine Steuern zahlen und Sozialbetrug werde als Kavaliersdelikt angesehen.

"Zuwanderung ins Sozialsystem"

Blümel kritisierte auch einmal mehr das Wiener Valorisierungsgesetz: Ganz automatisch würden in Wien regelmäßig Gebühren wie Wassern, Abwasser und Müll erhöht. Wien sei mittlerweile Schlusslicht beim verfügbaren Einkommen privater Haushalte im Bundesländervergleich. Man solle sich "ein Beispiel an den ÖVP-Finanzministern nehmen" und auf Gebührenerhöhungen verzichten, urgierte Blümel - der aktuell das Finanzressort leitet.

Der Wiener ÖVP-Chef kritisierte einmal mehr die Mindestsicherung als "Magnet" für eine "Zuwanderung ins Sozialsystem". Eine Studie zeige, dass, seit einige Bundesländer ihre Sozialleistungen für Migranten adaptiert hätten, diese nach Wien ziehen würden.

Auch Probleme in den Spitälern ortete der Obmann der Stadt-Türkisen. Das beste Beispiel für das Systemversagen sei das Krankenhaus Nord. Dass man derartige Meldungen nur aus Wien kenne, habe einen Grund: "In allen anderen Bundesländern sind die Spitäler mittlerweile ausgegliedert und vom Gängelband der Politik befreit." Dies müsste auch in Wien geschehen, forderte er. Die "Schuldenpolitik" im Rathaus ist ihm ebenfalls ein Dorn im Auge. Wenn Ludwig in "sozialistischer Manier" verkünde, dass künftig "alles gratis" werde, zeige dies, dass Budgetdisziplin nicht zum Programm der SPÖ gehöre.

Ihm liege Wien am Herzen, beteuerte Blümel. Er sei hierher zum Studieren gekommen - und nicht als Grüner wieder zurückgekehrt, sondern als Türkiser geblieben. Auch seinen Lieblingsplatz verriet er: den Wakeboardlift an der Neuen Donau. Wien wolle er nun jedenfalls mitgestalten.

"Ich will in einer Stadt leben, in der sich Eltern nicht schon bei der Geburt des Kindes Gedenken machen müssen, ob sie sich die Privatschule leisten können werden, weil in den öffentlichen vielleicht kein Kind mehr Deutsch spricht", sagte Blümel - und er wolle vor allem in einer Stadt leben, wo nach 100 Jahren endlich ein Bürgermeisterwechsel möglich sei.

"Ich bin mittlerweile sehr optimistisch"

Kanzler Kurz blickte indes auch auf das vergangene Jahr mit dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos und der Neuwahl zurück. "Das Jahr 2019 war wirklich kein so einfaches", sagte er. Man müsse in Interviews immer die Fassung wahren und "vielleicht einiges herunterspielen", aber "das war schon eine emotionale Achterbahnfahrt".

Der Zusammenarbeit mit den Grünen sei er lange skeptisch gegenübergestanden, sogar noch nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen. "Jetzt nach über einem Monat kann ich sagen, ich bin mittlerweile sehr optimistisch. Die Zusammenarbeit hat gut begonnen." Auch die noch nicht ganz abgeschlossenen Verhandlungen über das Budget seien fair verlaufen und auf einem guten Weg, insofern sei er fest davon überzeugt, dass der Fahrplan mit der Budgetrede am 18. März halten werde, bekräftigte er.

Zuvor durfte ein Überraschungsgast das Wort ergreifen: der frühere Life-Ball-Organisator Gery Keszler. "Ich glaube an die Kraft der Veränderung, sowohl am politischen Parkett als auch abseits davon", versicherte er. Stillstand sei Rückschritt, auch im politischen Bereich. Er selbst sei weder rechts noch links, beteuerte Keszler - wobei er konstatierte, dass Türkis-Grün von der Mehrheit der Österreicher gewünscht werde.