Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) haben sich am Donnerstag über die neue Asylwerber-Beratung in der Bundes-Betreuungsagentur (BBU) geeinigt und am Freitag die Verträge mit den NGOs aufgekündigt. Nehammer zeigte sich in einer gemeinsamen Aussendung am Freitag zufrieden, Zadic verwies auf die Weisungsfreiheit der Berater und des Leiters der Rechtsberatung.

"Für mich war es das wichtigste, die im Vorfeld geäußerte Kritik ernst zu nehmen, und daher im Rahmen des bereits bestehenden Gesetzes die Unabhängigkeit und inhaltliche Weisungsfreiheit der Rechtsberater von der BBU-Geschäftsführung sicherzustellen", meinte Zadic - die aufgrund des türkis-grünen Regierungsprogrammes die zuvor von Türkis-Blau vereinbarte Verstaatlichung der Rechtsberatung per 1. Jänner 2021 umzusetzen hatte.

Nehammer freute sich, dass ein "wichtiger Bereich des Regierungsübereinkommens im offenen und konstruktiven Dialog gemeinsam umgesetzt" werde. Er versicherte, dass die BBU eine "grundrechtskonforme, qualitätsvolle und stringente Rechtsberatung" umfassend gewährleisten werde.

Betonung auf Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der - mit 1. Jänner 2021 der BBU übertragenen - Rechtsberatung werde auch durch einen Qualitätsbeirat aus unabhängigen Experten sichergestellt, beschickt von UNHCR, Menschenrechtsbeirat und Volksanwaltschaft. Zudem seien "klare Qualitätskriterien" vereinbart worden, deren Einhaltung regelmäßig evaluiert werden soll. Zadic ist es auch ein "Anliegen", dass die bisherigen Rechtsberater weiter ihre Klienten im Rahmen der BBU beraten und vertreten können.

Die Diakonie sammelt dennoch ab sofort Spenden, um ihre Rechtsberatung zumindest zum Teil fortsetzen zu können. 100.000 Euro pro Jahr bräuchte man, sagte Mediensprecherin Roberta Rastl-Kircher der APA. Mit 25 Euro werde eine Dolmetscheinheit ermöglicht, mit 450 Euro die Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht, steht auf der Spenden-Homepage. Die Diakonie hofft auf Dauerspenden, um weiter unabhängige, umfassende und qualitative Rechtsberatung bieten zu können.

NGOs sammeln Unterschriften

Nicht Geld, sondern Unterschriften sammelt die von mehr als 40 NGOs getragene Kampagne #fairlassen - für eine Petition gegen die Verstaatlichung der Rechtsberatung bzw. für die Aufhebung des betreffenden Gesetzes. 11.320 Menschen haben laut Homepage schon unterschrieben, die asylkoordination hofft auf 12.000. Und Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination nahm am Freitag in einer Aussendung Innen- und Justizministerium in die Verantwortung: Sie seien in den nächsten Monaten gefordert, "die grundrechts- und verfassungswidrigen Mängel einer verstaatlichten Rechtsberatung durch eine transparente Praxis in Grenzen zu halten" .

Früherer Grün-Justizsprecher kritisiert "massiven Rückschritt"

Die - mit der Kündigung der Verträge per Ende Februar besiegelte - von Türkis-Grün vollzogene Übertragung der Asylwerber-Rechtsberatung an die dem Innenministerium unterstellte Bundes-Betreuungsagentur BBU stieß am Freitag nicht nur auf Kritik der NGOs und der SPÖ, sondern auch des früheren Grünen Justizsprechers Albert Steinhauser. Er konstatierte auf Twitter einen "massiven rechtsstaatlichen Rückschritt".

Die türkis-grüne Regierung habe damit eine "politisch falsche Richtungsentscheidung" getroffen, befand Steinhauser. Er war von 2007 bis 2017 Grüner Justizsprecher und 2017 von Eva Glawischnigs Rücktritt bis zum Abschied aus dem Nationalrat auch Grüner Klubobmann. Jetzt ist er nach eigenen Angaben "ohne parteipolitische Funktion und wieder Gewerkschafter".

Enttäuscht von den Grünen ist auch SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz. Sogar der ehemalige ÖVP-Justizminister Josef Moser habe es "bis zum Schluss verhindert, was die Justizministerin (Alma Zadic, Anm.) jetzt umsetzt". Der Rechtsstaat werde mit dieser türkis-grünen Maßnahme "auf Kosten von schutzbedürftigen Menschen" ausgehöhlt.