Ex-Bundespräsident Heinz Fischer hat seine SPÖ-Mitgliedschaft nach wie vor ruhend gestellt. „Ich habe diesen Status nach meinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt nicht verändert“, erzählte er am Samstagabend bei einem Gespräch mit Chefredakteur Hubert Patterer im südsteirischen Greith-Haus.

Aktuelles Gesprächsthema war etwa die Kritik von Kanzler Sebastian Kurz an der Justiz. Fischer hält Kritik für legitim - in der Demokratie sei niemand sakrosankt. Ein Hintergrundgespräch (wie von Kurz gewählt) sei aber nicht die ideale Form. Denn wenn man jemanden kritisiere, müsse dieser auch die Möglichkeit haben, sich zu wehren. Außerdem gebe es laufende Verfahren. „Das ist dann schon ein Eingreifen, das muss man etwas kritischer sehen“, so Fischer.

Die Wahl von Pamela Rendi-Wagner zur SPÖ-Chefin hält Fischer nach wie vor für eine gute Entscheidung. Erstens sei sie eine Frau, zweitens werde sie „oft ungerecht schlecht beurteilt“. Er selbst kenne Rendi-Wagner als eine belastbare, gescheite, integre Person, der freilich etwas ganz Wichtiges bisher fehle - nämlich der große Erfolg. „Es gibt nichts Erfolgloseres als den Misserfolg.“ Es sei für sie eine schwierige Zeit - „aber ich hätte keinen Grund, auf Distanz zu gehen“. Es imponiere ihm, dass sie trotz schlechtem Medienecho kühlen Kopf bewahre.

Könne Hans Peter Doskozil ein Rollenvorbild für die Wiener SPÖ sein? Fischer erwartet keine großen Korrekturen: „Es wäre falsch, sieben Monate vor der Wahl einen Kurswechsel zu vollziehen.“

"Ankündigen von Reformen wird nicht reichen"

Wie könne die SPÖ wieder die Breite zurückgewinnen? „Es wird das Ankündigen von Reformen nicht ausreichen“, so Fischer. Es werde in der Politik wieder eine Zeit kommen, wo man erkenne, dass „nationale Egoismen“ und Populismus nicht in die Zukunft führten. Dass man die Umweltbewegung verschlafen habe, relativiert Fischer.  Die SPÖ sei immer eine naturverbundene Bewegung gewesen, siehe Naturfreunde. Sie werde möglicherweise „sehr bald die ÖVP auf diesem Gebiet überholen“, letztere sei ja stark industrieverbunden.

Die fehlenden Antworten der SPÖ auf die Migrationsfrage seien hingegen „ein wirkliches Problem“. Dieses habe mit Moral und Menschenrechten zu tun, es gehe um Zweck und Mittel in der Politik. Der Altpräsident: „Wenn hunderte Kinder im Mittelmeer ertrinken, dann ist für mich der Punkt erreicht, wo die Frage, wie sich das bei der nächsten Wahl auswirkt, nicht mehr die wichtigste ist.“ Deshalb mache er der SPÖ in diesem Themenbereich keinen Vorwurf.

"Hätte nicht die Härte für SPÖ-Chef gehabt"

Warum er selbst nie habe SPÖ-Vorsitzender werden wollen, erklärte Fischer so: Die 1970er Jahre, also die Kreisky-Ära, hätten ihn politisch geprägt. Vor Bruno Kreisky habe er größten Respekt gehabt, er habe bei ihm aber auch gesehen, dass man sich manchmal aus politischen Gründen von Parteifreunden trennen müsse. Fischer: „Ich habe mir diese Härte nicht zugetraut, ich habe mir gedacht, das ist nichts für mich.“
Alfred Gusenbauer habe ihn im Oktober 2003 dann gefragt, ob er für die SPÖ als Bundespräsidentschaftskandidat antreten wolle.

Patterer befragte Fischer auch über Verletzungen in der Politik. Es könne auch in der Demokratie „sehr rau zugehen“, so Fischer. Der Wechsel an der Spitze einer Partei sei oft eine schwierige Sache, die Verletzungen zu Folge habe. In der ÖVP habe es aber beim Wechsel von Reinhold Mitterlehner zu Kurz eine Besonderheit gegeben. Kurz habe als Minister „von Anfang an alles getan, um den Sturz seines Parteiobmanns generalstabsmäßig vorzubereiten“. Über sein Verhältnis zu Kurz sagte Fischer“Wir haben wenig Kontakte, ich suche den Kontakt nicht.“ und das Geheimnis des Erfolgs des ÖVP-Kanzlers: „Die momentan herrschenden Verhältnisse in Europa begünstigen ihn.“ Populistische Politik habe Rückenwind, in den sozialdemokratischen Parteien in Europa gebe es Schwierigkeiten und Probleme. Kurz sei ein cleverer Politiker, der vor Machtkämpfen nicht zurückschrecke.

Gefragt nach dem Geheimnis seiner guten Gesundheit im Alter nannte Fischer gutes Essen, Sport und viel Schlaf. Er sei bei Terminen stets um 22 Uhr nach Hause gegangen. „Aber wenn man Pech hat, und es fällt einem ein Ziegelstein auf den Kopf - dann hilft das alles nichts.“