Jetzt ist der Regierungsbildungsprozess quasi komplett. Nach Präsentation des Regierungsprogramms und Angelobung kam am Freitag als dritter und letzter bedeutender Schritt die Regierungserklärung vor dem Nationalrat.

Mit türkis-grüner Mehrheit hat der Nationalrat am Freitagabend das neue Bundesministeriengesetz beschlossen - inklusive der am Freitag noch kurzfristig eingebrachten Änderungen. Bis zum Inkrafttreten der neuen Machtaufteilung könnte es aber noch etwas dauern, denn SPÖ und FPÖ stimmten dagegen und können das Gesetz mit ihrer Mehrheit im Bundesrat noch um einige Wochen verzögern. Gerade begeistert empfangen wurde das türkis-grüne Kabinett im Hohen Haus nicht.

Wie stets bei feierlichen Anlässen war die Besuchergalerie des Nationalrats gut gefüllt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen fand sich mit Ehefrau ebenso im Ausweichquartier in der Hofburg ein wie Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker, die gerade abgetretene Kanzlerin Brigitte Bierlein und etliche weitere Größen aus der Vergangenheit wie die früheren Nationalratspräsidenten Andreas Khol, Fritz Neugebauer (ÖVP) und Heinz Fischer (SPÖ), letzterer ja auch einst Staatsoberhaupt.

"Aus beiden Welten das Beste"

Zu hören bekamen sie zunächst 21 Minuten Sebastian Kurz, in denen der ins Kanzleramt zurückgekehrte ÖVP-Obmann das wiederholte, was man in den vergangenen Tagen schon mehrfach zu hören bekam: Dass man sich bei den Koalitionsverhandlungen nicht auf Minimalkompromisse herunterverhandelt sondern "aus beiden Welten das Beste" zusammengefasst habe.

Gleich zehn Minuten mehr nahm sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Zeit. Der würdigte das Regierungsabkommen als guten Pakt, den zwei weltanschaulich sehr unterschiedliche Parteien zusammengebracht hätten. Am Schluss sei es egal, wer sich wo durch gesetzt habe, solle doch die österreichische Bevölkerung die Gewinnerin sein.

SPÖ sieht "Wagnis"

Daran zweifelt die Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht Türkis-Grün als ein "Wagnis zu Lasten des sozialen Ausgleichs in Österreich". Denn während bei Steuersenkungen für Reiche und Konzerne Milliarden eingeplant seien, sei für einen fairen Familienbonus kein Geld da. Weiters missfällt den Sozialdemokraten, dass die Hacklerregelung wieder zurückgenommen werden könnte sowie, dass Klimaschutz-Maßnahmen im Regierungsprogramm weder bezüglich Terminisierung noch Finanzierung konkretisiert seien.

Jörg Leichtfried (SPÖ) sieht einen "demokratiepolitischen Fehler" darin, dass sämtliche Sicherheitsministerien (insbesondere Innen- und Verteidigungsministerium) in ÖVP-Hand seien. Ungerecht fände er die Abschaffung der Hacklerregelung. Die geplante Sicherheitshaft hält er für "vollkommen inakzeptabel". 

Ein Programm für neoliberale Bürgerliche und Bobos will wiederum die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch erkannt haben. Sie vermisst Maßnahmen für die "arbeitende Bevölkerung". Das Einzige, das diese Regierung verbinde, sei der "Kampf gegen die rechte Zivilgesellschaft". 

Ihr Klubchef Herbert Kickl ätzte: "Ich habe das noch nie erlebt, dass zwei Parteien eigentlich nicht miteinander, sondern nebeneinander regieren." Bezweifelt wird von der FPÖ, dass ihr Kurs in der Migrationspolitik fortgesetzt wird.

"Absichtserklärung"

NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger will der Regierung zwar 100 Tage Schonfrist gewähren, einiges passt ihr aber jetzt schon nicht am Programm des Kabinetts Kurz: "Da sind Absichtserklärungen drinnen, die mit Leben gefüllt werden müssen." Außerdem vermisst Meinl-Reisinger Angaben zur Finanzierbarkeit der Maßnahmen sowie eine Pensionsreform.

Nikolaus Scherak (NEOS) kritisiert, die Grünen hätten ihre grundsätzlichen Haltungen aufgegeben. "Wenn man fundamentale Überzeugungen aufgibt, sollte man nicht mehr von Kompromissen reden."

Nach der Debatte zur Regierungserklärung werden am Freitag auch noch Budgetprovisorium, also die Fortschreibung des Haushalts 2019 bis zur Vorlage des ersten türkis-grünen Budgets, sowie das Bundesministeriengesetz, das die Kompetenzen zwischen den Ressorts verteilt, beschlossen. Freilich ist hier schon eine Verzögerung beim Inkrafttreten absehbar. Da SPÖ und FPÖ beiden Materien skeptisch gegenüber stehen, werden sie diese wohl auch im Bundesrat kommende Woche mit ihrer Mehrheit in der Länderkammer ablehnen, womit der Nationalrat - möglicherweise erst im Februar - einen Beharrungsbeschluss zu fassen hat.