Der Weg für die türkis-grüne Koalition ist so gut wie frei: Der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen stimmte Freitagabend in Salzburg sowohl dem Regierungspakt als auch dem Personal auf grüner Seite zu, berichtete Werner Kogler, Bundessprecher und nun auch offiziell designierter Vizekanzler, nach siebenstündiger Sitzung in einer Pressekonferenz. Die Beschlüsse erfolgten einstimmig.

Die EBV-Sitzung war seitens der Grünen die vorletzte Hürde für die Koalition. Die letzte ist der Bundeskongress morgen, Samstag. Gibt die Mehrheit der 275 Delegierten dieses höchsten Parteigremiums ihr Okay zum Vorschlag des EBV und zum Eintritt in die Koalition, steht der Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag nichts mehr in Wege.

Auch ÖVP macht Weg frei

Zuvor hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Bundesparteivorstand Freitagvormittag - wie erwartet - breite Zustimmung für sein türkis-grünes Regierungsprogramm bekommen. Der Pakt und das ÖVP-Regierungsteam wurden einstimmig angenommen.

"Das Regierungsprogramm ist das Beste aus beiden Welten. Beide Parteien konnten zentrale Wahlversprechen umsetzen. Es ist ein gutes Programm. Wir freuen und darauf, für unser wunderschönes Land arbeiten zu dürfen", sagte Kurz nach der Vorstandssitzung.

Melchior neuer Generalsekretär

Außerdem hat die ÖVP eine - nicht übermäßig überraschende - Rochade verkündet: Axel Melchior, derzeit Geschäftsführer der Partei und damit bisher eher im Hintergrund tätig, wird Generalsekretär der Volkspartei.

Notwendig wird dieser Wechsel dadurch, dass der bisherige Generalsekretär der Partei, Karl Nehammer, ins Innenministerium wechseln soll.

Melchior war von 2010 bis 2013 Generalsekretär der Jungen Volkspartei und leitete 2013 Sebastian Kurz' Wahlkampf, nach dem dieser zum Außenminister aufstieg.

August Wöginger ist hingegen wieder Klubobmann. Der Parlamentsklub wählte den Oberösterreicher einstimmig. Wöginger übernimmt die Funktion von Kurz, der den Klub für die Dauer der Regierungsbildung interimistisch geleitet hatte. Wöginger war in dieser Zeit erster Stellvertreter. Davor hatte er den Klub seit Dezember 2017 geleitet.

Lob von Landeshauptleuten und Mahrer

Insgesamt erhielt Kurz mit große Zustimmung zum türkis-grünen Regierungsprogramm. Die schwarzen Landeshauptleute zeigten sich vor Beginn der Sitzung in der Parteiakademie nämlich durchwegs zufrieden. Lob kam auch von Wirtschaftsbund-Präsident Harald Mahrer.

"Dieses Regierungsprogramm kann sich sehen lassen. In vielen Punkten wurde geschafft, was europaweit seinesgleichen sucht", zeigte sich Mahrer, der mit Kurz gemeinsam zur Sitzung kam, fast überschwänglich. Die neue Regierung bringe eine Senkung der Steuerlast bei gleichzeitigem Nutzen der Chancen der Ökologisierung. Auf die Frage, ob es für die Wirtschaft auch schmerzliche Punkte im Regierungsprogramm gebe, antwortete Mahrer: "Das sind Phantomschmerzen." Was die geplante CO2-Bepreisung betrifft, werde man sehen, welches Modell für Österreich am sinnvollsten ist.

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter zeigte sich besonders erfreut über das "Transitkapitel" im türkis-grünen Regierungsübereinkommen. Es sei sinnvoll gewesen, lange zu verhandeln, denn die Grünen im Bund seien anders als die Tiroler Grünen, mit denen er sich in einer Koalition befindet. Das Regierungsprogramm trage eine "klare schwarze Handschrift", so Platter.

Auch sein Kollege aus Vorarlberg, Markus Wallner, fand lobende Worte. "Es geht in die richtige Richtung." Das Programm sei rundum "eine gelungene Sache". Besonders hob Wallner die Sicherungshaft hervor. Diese sei angesichts des tragischen Vorfalls, bei dem der Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn von einem Asylwerber getötet wurde, sinnvoll und richtig.

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer zeigte sich froh, dass es eine Einigung gibt. Das Regierungsprogramm nehme alle Herausforderungen ernst und bündle Standortinteressen und Klimaschutz. Aber auch das vorhergehende türkis-blaue Regierungsprogramm sei gut gewesen, so Stelzer, der im Land mit der FPÖ regiert.

Mikl-Leitner: "An die Arbeit"

Zufrieden reagiert auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer. ÖVP und Grüne hätten es trotz inhaltlicher Unterschiede geschafft, sich zusammen den anstehenden Herausforderungen zu stellen. Es sei zuversichtlich, dass diese Koalition fünf Jahre halten werde, so Haslauer.

Vergleichsweise zurückhaltend reagierte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Nach den langen Regierungsverhandlungen sei es nun an der Zeit, die Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Koalition sei keine Liebesheirat, sondern es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, so die Landeschefin.

Kritik von der künftigen Opposition

Die künftige Opposition gab sich da weniger gnädig: "Es ist ein ÖVP-Programm mit Grüner Tarnfarbe", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Mit dem Programm sei der Schlüssel zur Republik der Volkspartei in die Hand gegeben, kritisierte auch ihr Vize-Klubchef Jörg Leichtfried.

NEOS-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger zeigte sich über die "Bankrotterklärung" der Grünen bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten entsetzt: "Das hätt's mit uns nicht gegeben." Sie appellierte an deren Bundeskongresses, zumindest die Sicherungshaft-Pläne zu stoppen.

FPÖ-Chef Norbert Hofer kritisierte nicht nur den koalitionsfreien Raum in der Flüchtlingsfrage, sondern gab - wohl auch in Hinblick auf die kommende Landtagswahl - den Burgenland-Patrioten und beklagte, dass dieses Bundesland als einziges nicht in der neuen Regierung repräsentiert sei.

Kritik an der Mindestsicherung

Konkret kritisiert wird die Zurückführung der Mindestsicherung in die Länderkompetenz. Die NEOS werfen Türkis-Grün vor, eine Rolle rückwärts" zu machen. Bei der FPÖ äußerte man Angst davor, dass Wien wieder zum "Eldorado für Sozialmigranten" werden könnte. "Mit diesem Rückschritt befeuert die neue türkis-grüne Regierung lediglich den bereits bekannten Wildwuchs im System der Mindestsicherung", beschwerte sich NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Für ihn ist es "unverständlich, wie die neue Regierung die Mindestsicherung in ihrem Programm zuerst ganz unter den Tisch fallen lässt, um kurz darauf zu alten, chaotischen Mustern zurückzukehren", zeigte er sich empört. "Mit einem Fleckerlteppich von Mindestsicherung sind wir von sozialer Gerechtigkeit weit entfernt."