Zu einem ersten Aufeinandertreffen der Parteien nach der Präsentation des neuen türkis-grünen Regierungspakts kam es Donnerstagnacht am "Runden Tisch" im ORF. Dabei gab es einige heftige Wortgefechte.

"Kurz macht mit sich selbst Politik"

So attackierte etwa SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried das Programm: Das Ergebnis der Verhandlungen sei, dass "Herr Kurz mit sich selbst und seinen Vertrauten Politik macht". Es gebe im Programm zwei Arten von Punkten: Das, was die ÖVP wolle, sei "bis auf den letzten Beistrich" fixiert - etwa die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent. Dies sei "ein Körberlgeld von 1,5 Milliarden Euro an die Großindustrie".

Hingegen sei die Politik in anderen Bereichen - etwa Arbeit, Gesundheit, Pflege - nur in ganz groben Zügen umrissen: "Da ist nichts fixiert, nichts budgetiert, das schiebt man auf Arbeitsgruppen." Da werde es schwer sein, tatsächlich etwas umzusetzen. Und Leichtfried weiter: Die Sicherungshaft sei "ein Zombie von Kickl-Ideen".

Die Ehrenmedaille

Ebenfalls kein gutes Haar ließ FPÖ-Chef Norbert Hofer an dem Papier: Auf Autofahrer würden keine guten Zeiten zukommen, es werde strengere Tempolimits geben, das Fahren werde teurer werden. Hingegen sagte Hofer zum Thema der Präventivhaft für Gefährder: "Da muss man direkt überlegen, den Delegierten des Grünen Bundeskongresses eine FPÖ-Ehrenmedaille für die Umsetzung freiheitlicher Politik zu verleihen, wenn sie dem zustimmen."

Pensionsreform fehlt

Auf Seiten der Kritiker fand sich klarerweise auch Neos-Vertreter Nikolaus Scherak: "Wenn man sich das Regierungsprogramm anschaut, kann man nur froh sein, nicht dabeisein zu müssen." Er würde sich als grüner Delegierter gut überlegen, ob er die von Hofer angesprochene Medaille haben will - etwa für die Aushöhlung von Grund- und Freiheitsrechten. Das Programm sei vielfach "eine Fortsetzung der FPÖ-Politik". Auch fehlten wichtige Bereiche - etwa eine Pensionsreform.

Positiv sehen hingegen die Vertreter der neuen Regierungsparteien ihr Programm. ÖVP-Klubchef August Wöginger: "Aus beiden Welten wurde das Beste gewählt." Die beiden Parteien seien mit unterschiedlicher Stärke gewählt worden, dieses Verhältnis bilde sich "natürlich" auch im Regirungsprogramm ab. Dennoch hätten die Grünen vieles eingebracht, etwa Klimaschutz, Ökologisierung und mehr Transparenz.

"Diskussionen" ums Kopftuch

Johannes Rauch von den Vorarlberger Grünen ist ebenfalls zufrieden: "Man führt ja nicht Koalitionsverhandlungen, um dem Gegenüber die größtmöglichen Schmerzen zuzufügen." Die Grünen seien in den Verhandlungen "bisweilen lästig und hartnäckig" gewesen. Er könne aber  mit Fug und Recht behaupten, dass die Grünen mit diesem Programm ihre Wahlversprechen umsetzen. Bei Kopftuchverbot und anderen Themen werde es am Bundeskongress noch "Diskussionen" geben, er, Rauch, gehe aber von einer Zustimmung aus: "Es geht um eine staatspolitische Bewertung."