Der künftige Kanzler Sebastian Kurz und der künftige Vizekanzler Werner Kogler umschrieben am Neujahrstag vorerst nur die Eckpunkte des Regierungsprogramms:

  • Österreich soll in Sachen Klimaschutz zu einem europäischen und internationalen Vorreiter werden. Kogler: "Ökologisierung und sozialer Ausgleich gehen zusammen."
  • Österreich soll "das bisher intensivste Transparenzgesetz erhalten". Kogler: "Der gläserne Staat statt der gläserne Bürger."
  • Die Steuerlast soll gesenkt, das Steuersystem ökologisiert werden. Kurz: "Es sind keine Minimalkompromisse, sondern wir haben das beste aus beiden Welten vereint."
  • Nicht nur das Klima, sondern auch Österreichs Grenzen sollen geschützt, der stringente Kurs gegen illegale Migration beibehalten werden. Kurz: "Wir sind gewählt worden für die konsequente Linie, auch gegen den politischen Islam."

"Die Verhandlungen waren nicht einfach", sagt Kurz. Die Dialogbereitschaft solle beispielgebend für die Dialogfähigkeit der österreichischen Gesellschaft sein, ergänzt Kogler und zitiert den Bundespräsidenten: "Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht."

Erste Details des Regierungsprogramms

Vor der Präsentation des türkis-grünen Regierungsprogramms sind am Donnerstagvormittag erste Inhalte der geplanten Vorhaben durchgesickert. So soll etwa die umstrittene Sicherungshaft, die schon unter Türkis-Blau geplant war, in einer verfassungskonformen Variante umgesetzt werden.

An Schulen ist dem Vernehmen nach eine Ausweitung des in Kindergärten und an Volksschulen bereits geltenden Kopftuchverbots für Kinder bis 14 Jahre geplant. Weiters soll es im Asylbereich zur Umsetzung der Bundesbetreuungsagentur für Asylwerber sowie zur Schaffung von Rückkehrzentren kommen, um die freiwillige und sichere Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer oder Drittstaaten besser unterstützen zu können.

Im Umweltbereich sind vorerst keine CO2-Steuern vorgesehen. Eine Task Force soll allerdings eine ökologische Steuerreform erarbeiten. Fliegen wird wohl teurer werden. Das türkis-grüne Regierungsabkommen sieht demnach eine Neuregelung der Flugticketabgabe vor. Eine Ökologisierung ist auch bei der Lkw-Maut geplant. Besonders stinkende Brummer sollen künftig eine höhere Maut zahlen als emissionsarme Lastkraftwagen.

Kurz wieder jüngster Kanzler der Republik

Sebastian Kurz wird mit der Einigung von Türkisen und Grünen - vorbehaltlich der Zustimmung der Basis der Grünen - zum zweiten Mal jüngster Bundeskanzler der Republik.

Eine Premiere ist die Regierungsbeteiligung der Grünen dabei nur für Österreich. In anderen Ländern Europas sind die Grünen bereits an den Schalthebeln der Macht, in Lettland gab es sogar schon einmal einen grünen Premierminister.

In fünf Landesregierungen sind die Grünen auch in Österreich jetzt schon vertreten.

Am Freitag tagen dann Gremien von ÖVP und Grünen, tags darauf entscheidet der Grüne Bundeskongress endgültig über den Regierungspakt. Gibt es ein Ja, folgt die Woche darauf die Angelobung und vermutlich auch die Regierungserklärung im Nationalrat.

Mittwoch Abend wurde bekannt: Die ÖVP installiert auch wieder Generalsekretäre.

Frauen in der Überzahl

Hier die künftigen Regierungsmitglieder, mehr als die Hälfte davon weiblich: Neben Kurz und Kogler sind es 8 Ministerinnen und 5 Minister sowie ein Staatssekretär und eine Staatssekretärin. Der Name von Letzterer (von den Grünen) ist noch nicht bestätigt. Wie die Kleine Zeitung exklusiv herausfand, wird Ulrike Lunacek die Kultur-Agenden übernehmen.

Die Frauenagenden gehen an die ÖVP und werden wahrscheinlich Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher überantwortet.

Erste Reaktionen von SPÖ und FPÖ

Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist es zwar erfreulich, dass Österreich nun endlich eine neue Regierung habe. Aber Vorhaben wie die Verschiebung der Arbeitsmarktpolitik aus dem Sozial- in das neue Familien- und Arbeitsressort hält sie für problematisch. Und die SPÖ werde die türkis-grüne Koalition "daran messen, ob sie die Lebenssituation für die Österreicherinnen und Österreicher verbessert".

Konkret werde die neue Regierung danach zu bewerten sein, ob sie den sozialen Zusammenhang stärkt, die nötigen Klimaschutz-Investitionen tätigt, Wohnen leistbarer macht, die Steuern für Arbeitnehmer endlich spürbar senkt, die Bildungschancen fair verteilt und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Daher sei es höchst an der Zeit, endlich konkrete Inhalte zu erfahren, merkte die SPÖ-Chefin in einer Aussendung Mittwochabend an. Die SPÖ werde ihre Rolle als Oppositionspartei "gewissenhaft" erfüllen, betonte sie.

FPÖ-Chef Norbert Hofer sieht Österreich ob der Einigung auf eine türkis-grüne Regierungszusammenarbeit klar nach links driften. ÖVP-Chef Sebastian Kurz habe den Weg einer Mitte-Rechts-Politik in der Regierung beendet, so Hofer in einer Aussendung nach der verkündeten Einigung von ÖVP und Grünen: "Noch nie war eine Regierung personell so weit links ausgerichtet wie das Kabinett Kurz II".

Wenn grüne Themen viel Spielraum bekommen, könne der von der ÖVP angekündigte Mitte-Rechts-Kurs wohl nicht gehalten werden, argumentierte Hofer, der an den grünen Ministerkandidaten kein gutes Haar ließ. Etwa bekomme Österreich mit Alma Zadic erstmals eine Justizministerin, die aktuell selbst mit der Justiz zu tun hat, betonte Hofer, der auf eine Verurteilung der ehemaligen Jetzt-Abgeordneten wegen übler Nachrede im vergangenen November anspielte. "Es ist nicht hinzunehmen, dass Frau Zadic unter diesen Voraussetzungen ausgerechnet Justizministerin wird", meinte Hofer.

Zudem ortete Hofer auch beim künftigen Sozialminister, dem oberösterreichischen Landesrat Rudolf Anschober, ein "fragwürdiges" Verhältnis zum Rechtsstaat. Anschober habe mit seinen Vorstößen für Asylwerber in Lehre "laufend bewiesen", was er von gültigen Gesetzen halte. "Es ist mehr als zweifelhaft, dass mit Rudi Anschober als Mitglied der Bundesregierung der vernünftige Kurs in der Integrations- und Asylpolitik fortgesetzt werden kann", so Hofer.

Die ÖVP habe den Regierungsbildungsprozess jedenfalls genützt, "um ihre Macht im Sicherheitsapparat zu sichern". Als Beleg dafür nahm Hofer etwa, dass das Innenministerium nun ausschließlich schwarz sei. Dass das Verteidigungsministerium mit Klaudia Tanner in die "Obhut der Bauernbund-Direktorin aus Niederösterreich" übergeben werde, bezeichnetet Hofer als "Hiobsbotschaft".