Beim Namen werden die jungen Abgeordneten gerufen. 182 Augenpaare richten sich - zumindest hypothetisch - auf den Debütanten oder die Debütantin, wenn der Nationalratsvorsitzende sie zu ihrer ersten Rede zum Rednerpult bittet. Spätestens dann schießt das Adrenalin ein, die Nervosität erreicht ein Maximum. Diese Rede vor den eigenen wohlgesonnenen Parteifreunden zu halten mag noch leicht sein, aber auch den prüfenden Blicken der restlichen Abgeordneten zu genügen, ist vielleicht schon schwieriger.

"Man ist schon nervös", gestand die 26-jährige SPÖ-Abgeordnete und Umweltsprecherin Julia Herr nach ihrer Rede zum nationalen Klimaplan, "aber nur die ersten Sekunden. Dann war es wirklich aufregend und hat Spaß gemacht." Kurz vor dem Aufruf zum Pult habe sie nochmal ihre Rede durchgelesen, die Kernaussage sich abermals klar gemacht.  Ihre SPÖ-Parteifreunde hätten sehr positiv auf ihren Auftritt reagiert. "Es war eher ein Schulterklopfen", sagte sie im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Politik bedeute für Herr "mehr als die monatlichen Plenarsitzungen". Es ginge auch um die restlichen Tage im Monat. "Ich will weiterhin unterwegs sein, Stellungnahmen und Einschätzungen der Menschen hören". Diskussionen und "Meinungsmache", wie zum Beispiel in Cafés oder unter Freunden, seien für sie mindestens so wertvoll wie die parlamentarische Arbeit - "wenn nicht wertvoller".

"Je näher die Rede rückt, umso nervöser wird man", sagte Yannick Shetty (24), NEOS Sprecher für Integration und Jugend, und jüngster Abgeordneter. "Aber wenn ich nervös bin, geht es am Ende gut aus." Auch er erntete viel positives Feedback aus der pinken Fraktion. Gerade junge Menschen hätten ihm danach via Instagram/Social Media geschrieben. "Echt viele waren dabei, die sich auch live die Sitzung zu Mittag angeschaut haben. Das ist ein Zeichen, dass junge Leute nicht politikverdrossen sind."

Verschleißerscheinungen

Shetty bekennt sich zum Parlamentarismus und will seine Hausaufgaben als Abgeordneter gut machen. „Ich möchte ein fleißiger Abgeordneter sein - das meine ich ernst.“ Bei dem einen oder anderen Abgeordneten - altersunabhängig - habe er bereits in der zweiten Sitzung erste Verschleißerscheinungen und Konzentrationsmängel beobachten können. "Ich glaube, die nehmen es nicht so ernst, wie man es nehmen sollte." Außerdem glaubt Shetty, dass Kreativität und Engagement gerade in größeren Parteien von der jeweiligen Partei- bzw. Klubführung nicht unbedingt gewünscht sei. "Da habe ich schon das Gefühl, dass manche drin sitzen und sozusagen „Stimmvieh“ sind. Die üben das freie Mandat nicht so aus, wie sie sollten." Bei den NEOS sei das anders.

Der Ex-Bundesrat David Stögmüller (32) von den Grünen wechselte neu in den Nationalrat  und hat eigentlich schon über einige Jahre Erfahrung in themenübergreifenden Reden. Dennoch ist er nervös vor seinem Debüt im Nationalrat. "Man hat dort viel mehr Aufmerksamkeit. Und was man sagt und welche Punkte man anspricht, diese Finkeleien, die man in einer Rede betont, muss man sich vorher gut anschauen." Im Bundesrat hat man zehn Minuten Redezeit, im Nationalrat musste Stögmüller heute seine Punkte in 3 Minuten darlegen. "Das heißt für mich: viel kürzer, viel pointierter und knackiger."

Der gebürtige Oberösterreicher Stögmüller wolle sich als "Anwalt der Steuerzahler" für Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Kontrolle in seiner parlamentarischen Arbeit einsetzen.