"Derzeit ist wenig Rückenwind zu verspüren", beschreibt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch die aktuelle politische Großwetterlage. Im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Vorarlberg (kommendes Wochenende) und der Steiermark (Ende November) bleibt er im Ö1-Mittagsjournal-Interview am Samstag aber optimsitisch. "Jedes Bundesland hat eigene Voraussetzungen." Einer Vorverlegung der Wiener Wahl erteilt Deutsch eine Absage.
Nach dem mit 21,2 Prozent historische schlechtesten Wahlergebnis für die SPÖ am vergangenen Sonntag bei der Nationalratswahl verteidigt Deutsch zwar den (von ihm gemanagten) Wahlkampf - "Die Themen waren die richtigen" - kündigt aber erneut den Start einer "Erneuerungsbewegung" an: "Wir brauchen Bewegung in der Bewegung", setzt er auf ein schon mehrmals in der jüngeren Parteivergangenheit angedachtes und angekündigtes Modell: Die Öffnung der Partei. Dabei dürfe man keine Zeit verlieren: "Wir müssen Tempo machen." Kommenden Mittwoch trifft sich Deutsch mit den Landesgeschäftsführern. Zwei Tage später ist eine ganztägige Klausur des Bundesparteipräsidiums angesetzt.
Keine Neugründung
Eine Neugründung, wie sie der Steirer Max Lercher zuletzt gefordert hatte, lehnt er ab. Aber es gehe um ein tabuloses Infragestellen von allem. Man wisse nicht mehr, wofür die SPÖ stehe, hatte er schon vor dem Wochenende analysiert. Deshalb wolle man, so Deuscht, jetzt über die Kernwählerschichten hinaus Künstler und Wissenschaftler einbinden, die modernen Kommunikationskanäle verbessern und gemeinsam mit den Ländern, Bezirken und Organisationen interne Strukturen überprüfen. Man müsse sich unter anderem um die "weißen Flecken auf der Landkarte kümmern".
Ob es dafür ein stärkeres Durchgriffsrecht der Parteichefin brauche? Auch das sein eine Frage, "die man ernsthaft diskutieren wird müssen", sagt Deutsch. Der ehemalige Wiener Landesparteigeschäftsführer, dort dem Lager von Ex-Kanzler Werner Faymann und Doris Bures zugerechnete gebürtige Linzer sah sich nach seiner Bestellung zum Bundesgeschäftsführer umgehend scharfer interner Kritik ausgesetzt.
Deutsch verteidigt sich. Er sei von Rendi-Wagner am Montagvormittag nach der Wahl, nachdem Thomas Drozda überraschend seinen Rückzug erklärt hatte, gefragt worden und hatte eine Stunde Zeit zu überlegen. Erneuerung sei keine Frage des Alters. Ich bringe langjährige Erfahrung mit", kontert Deutsch.
Keine zweite Geschäftführerin"
Der intern angedachten Variante, Deutsch mit SJ-Chefin Julia Herr eine zweite Geschäftsführerein und Vertreterin der Parteijugend an die Seite zu stellen, kann er wenig abgewinnen. "Herr ist jedenfalls Teil der Erneuerung" - aber eine zweite Geschäftsführerin "ist nicht angedacht".
Zu den anlaufenden Sondierungs- und Koalitionsgesprächen bleibt Deutsch defensiv: "Wir haben bewusst keine Koalitionsbedingungen genannt, werden uns aber keinen Gesprächen verwehren". Er halte "etwas anderes als Fortsetzung der Ibiza-Koalition aber für unwahrscheinlich."
Klaus Höfler