Eigentlich ist es für die „John Otti Band“ ein Leichtes, den freiheitlichen Fans musikalisch einzuheizen. An diesem Abend haben sie in der „Prater Alm“ in Wien jedoch trotz ohrenbetäubender Lautstärke sichtlich Mühe, die Enttäuschung der Anwesenden zu übertönen. Sie beginnen mit dem Donauwalzer – und nur auf vereinzelten Bänken wird müde das Österreich-Fähnchen geschwenkt. „Das soll eine Party sein“, ruft Sänger Werner Otti ins Publikum. „Bitte tut eure Mundwinkel rauf, es geht weiter.“

Tief hingen die Mundwinkel auch wenige Stunden zuvor im Medienzentrum in der Innenstadt. Als der blaue Balken bei der ersten Hochrechnung zum Stehen kommt, ist den wenigen Funktionären, die sich auf die Bühne getraut haben, das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Tapferes Klatschen, tröstende Blicke – und Generalsekretär Harald Vilimsky, der einen „Neustart“ für die FPÖ verkündet.

Nachdem man „von einem ordentlichen Gewitter getroffen“ worden war, brauche es diesen nun. Unter anderem solle das mit „neuen Gesichtern in verantwortungsvollen Rollen“ gelingen, sagt er und wischt sich den Schweiß von der Scheinwerfer-bestrahlten Stirn. An der Doppelspitze Norbert Hofer und Herbert Kickl wolle man aber festhalten. Und die Wahl habe gezeigt: „Es gibt ein 16-Prozent-rot-weiß-rotes-Wählergebäude – und das hält“.

Strache soll "ein bisserl eine Pause machen"

Zu eben diesen gehören auch die Fans, die trotz massiver Verluste in das Lokal im Prater gekommen waren und sich mit Spätzle und Gulasch trösten. So mancher schaut dennoch enttäuscht in sein Bier, es werde schon wieder aufwärtsgehen, spricht ein Mann seiner traurig dreinschauenden Frau Mut zu. Fragt man nach dem Grund für die Wahlschlappe, fallen die Begriffe Medien, Ibiza und Sebastian Kurz. Den Namen Heinz-Christian Strache sprechen die wenigsten aus. „Jeder verdient eine zweite Chance“, sagt ein Mann in den 50ern. „Aber jetzt sollt er schon ein bisserl eine Pause machen.“

Mit der Frage nach ebendieser Pause muss sich nach der Wahl auch Dominik Nepp beschäftigen. Der Wiener FPÖ-Chef bekräftigt: „Sollte sich der Vorwurf des Betruges bewahrheiten, ist selbstverständlich Ausschluss das Mittel, das anzuwenden ist.“ Auf der Bühne verspricht er „die größte Wähler-Rückholaktion der Zweiten Republik“.

"Die ÖVP kann sich warm anziehen"

Während 48 Stunden zuvor beim Wahlkampfabschluss noch die Weiterführung der türkis-blauen Regierung als oberstes Ziel beschworen worden war, ist davon kurz nach der ersten Hochrechnung keine Rede mehr. „Wir bereiten uns auf Opposition vor“, erklärt Parteichef Hofer zum Ergebnis, über das er sich „persönlich enttäuscht“ zeigt. Parteigranden wie Ex-Innenminister Kickl und Generalsekretär Christian Hafenecker tun es ihm gleich. Und unter der Hand freuen sich viele Funktionäre über diese Befehlsausgabe. „Jetzt können wir wieder poltern – und die ÖVP kann sich warm anziehen“, sagt einer. Hofer und Kickl, die mit mäßigem Applaus begrüßt werden, sprechen von der Bühne aus Mut zu. „Wir können nicht so feiern, wie wir wollten, aber trinken werden wir trotzdem.“

Drei Stunden später hat es die „John Otti Band“ geschafft, dass im bierdunstigen Lokal die Fähnchen wieder geschwenkt werden. „Zeigt’s uns, wie treu ihr seid’s“, ruft der Sänger. Und die Menge applaudiert. Aber leiser als sonst.