Wahlkampf im Spätsommer 2017. Ob bei Interviews, Diskussionsrunden oder Wahlveranstaltungen – ein Thema war besonders präsent: die Migration. Gestritten wurde über Asylpolitik, Zuwanderung und den Umgang mit Flüchtlingen. Währenddessen ächzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter einer Last an offenen Asylanträgen. Zwei Jahre später ist alles anders. Das Bundesamt hat die Fälle aus dem Rekordjahr 2015 abgearbeitet, die Zahl der Asylanträge hat sich wieder Größenordnungen aus den Jahren zuvor angenähert.

Die ÖVP hat eine einfache Erklärung dafür, warum sich die Lage seither so entspannt hat: die erfolgreiche Arbeit der türkis-blauen Regierung. Doch mit dieser Entwicklung kommt der Partei auch just jenes Thema abhanden, mit dem Parteichef Sebastian Kurz vor zwei Jahren bei den Wählerinnen und Wählern punkten konnte. Inhaltlich hat sich hier an der Linie der Türkisen aber kaum etwas geändert. Die ÖVP setzt weiterhin auf den Kampf gegen die illegale Migration und auf den Schutz des heimischen Sozialsystems. Ausgeweitet wurde hingegen die Forderung nach einem Kopftuchverbot.

Sorgen bei FPÖ, Überraschung bei SPÖ

Dass der einstige Dauerbrenner Migration heute nur noch auf Sparflamme köchelt, bereitet auch der FPÖ Sorgen. Nach dem Versprechen von Schutz vor einem Zustrom Fremder wird weniger verlangt, wenn dieser Zustrom geringer wird. Im Wahlprogramm finden sich kaum neue Forderungen, man will aber weiterhin keinen Zweifel daran lassen, dass die Willkommenskultur zum Scheitern verurteilt sei. Gemeinsam mit der ÖVP trifft man in diesem Bereich weiterhin am strengsten auf.

Überraschend ist der Zugang zu diesem Thema bei der SPÖ. Während sich 2017 in dieser Frage immer wieder offene Gräben zwischen einem linken und einem „Realoflügel“ der Partei offenbart hatten, gibt man sich inzwischen etwas nüchterner: Zuzug: ja, aber nur in Verbindung mit Integration.

Grüne als Profiteure

Auch bei den Grünen hat sich hier inhaltlich einiges getan. Hatte man 2017 noch um eine einheitliche Linie gerungen, spricht man sich unter Chef Werner Kogler klar gegen offene EU-Außengrenzen aus. Die Grünen sind übrigens die größten Profiteure des Umstandes, dass die Migration aus der Wahlkampf-Mode gekommen ist. Stattdessen punktet man beim Klimaschutz. Die Linie von Neos und Liste Jetzt scheint sich indes kaum verändert zu haben.

Sollten sich die Asylantragszahlen wieder bewegen, wird es ihnen die politische Diskussion darüber gleichtun. Bis Sonntag scheint das aber wenig wahrscheinlich.

Die Positionen im Überblick:

ÖVP - Kontrolle und Kürzungen

Die ÖVP will der illegalen Migration und dem Zuzug ins Sozialsystem den Kampf ansagen. Eine eigene Taskforce soll die Sozialleistungen an Zuwanderer prüfen und möglichen Missbrauch aufdecken. Eltern, die ihrer Erziehungspflicht nicht ausreichend nachkommen, sollen ebendiese Leistungen gekürzt werden. Arbeitslosen Asylberechtigten soll bei der Jobsuche mehr zugemutet werden, unter anderem ein Umzug in ein anderes Bundesland. In der Schule soll das neue Fach „Staatskunde“ verpflichtend eingeführt werden, für Lehrerinnen und für Kinder bis 14 soll es ein Kopftuchverbot geben. Das Ehealter soll auf 18 Jahre angehoben, der politische Islam gesetzlich verboten werden. Für Letzteren soll eine eigene Dokumentationsstelle eingerichtet werden.

SPÖ -Integration vor Zuzug

Für die SPÖ steht die Verpflichtung zur Hilfe für verfolgte Menschen außer Frage. Aber: Integration vor Zuzug, Nein zu illegaler Migration. Europäische Verteilungs- und Verfahrenszentren außerhalb der EU werden befürwortet, zudem sollen Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft und die Mittel für die Grenzschutzagentur Frontex aufgestockt werden. Wer asylberechtigt ist, soll ein Integrationsjahr absolvieren, ein zweites verpflichtendes, kostenloses Kindergartenjahr soll Sprachprobleme in Familien ausgleichen, in denen kaum Deutsch gesprochen wird. Schulen soll ein Integrationstopf für Deutschlehrer und Psychologen zustehen.

FPÖ - Islam als Feindbild

Die FPÖ erteilt auch in ihrem aktuellen Wahlprogramm Zuwanderung und Willkommenskultur eine deutliche Absage. Der Islam sei kein Bestandteil der österreichischen Kultur, wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen. Und man verweist auf bisherige Erfolge, fordert aber auch, dass das Asyl- und Fremdenwesen komplett neu aufgestellt werden müsse. Auch die umstrittene freiheitliche Forderung nach 1,50 Euro Stundenlohn für Asylberechtigte, die gemeinnützige Tätigkeiten ausführen, findet sich wieder im Programm. Festgehalten wird auch, dass der politische Islam bekämpft werden müsse und Wählen nur mit Staatsbürgerschaft erlaubt bleiben darf.

Neos - Fokus auf Integration

Die Neos fordern ein umfassendes Integrationsgesetz und ein eigenes Integrationsministerium. Eine EU-Asylbehörde soll jene in den einzelnen Ländern obsolet machen, die Asylverfahren sollen künftig auch deutlich verkürzt werden. Das Programm sieht einen massiven Ausbau bei den Werte- und Orientierungskursen vor, Kindern in Brennpunktschulen sollen kostenlose ganztägige Angebote zustehen. Mit Bevölkerungsgruppen „mit erhöhtem Integrationsbedarf“ müsse gezielt gearbeitet werden, die Neos nennen hier unter anderem Menschen aus Tschetschenien und Afghanistan. Zudem fordern die Neos schnellere und konsequentere Rückführungen von abgelehnten Asylwerbern. In der Schule soll zudem das Fach „Ethik und Religionen“ eingeführt werden.

Grüne - Investieren und erleichtern

Die Grünen verknüpfen das Thema Migration mit dem Klimaschutz. Da die Erderwärmung Klimaflüchtlinge produzieren werde, müsse man in den Herkunftsländern investieren. Bei der Rot-Weiß-Rot-Card, die Fachkräfte nach Österreich locken soll, wird ein Abbau der Bürokratie gefordert. Die Karte soll zudem Asylwerbern ein Aufenthaltsrecht geben, die eine Lehre in einem Mangelberuf machen. Für Bevölkerungsgruppen, die schon lange im Land sind, werde eine zweite Integrationsoffensive mit Aus- und Weiterbildung gestartet. Eine Agentur namens „Zusammen Helfen“ soll den Austausch zwischen Zivilgesellschaft und NGOs in Integrationsfragen erleichtern.

Liste Jetzt - Die Richtigen abschieben

Laut Spitzenkandidat Peter Pilz will die Liste Jetzt erreichen, dass „die Richtigen hierbehalten und die Richtigen abgeschoben werden“. Die Liste befürwortet einen Ausbau der Deutschkurse und will dafür die finanziellen Mittel verdoppeln. Statt mithilfe von Schleppern sollen Hilfesuchende über legale Fluchtrouten nach Europa kommen. Die Stellung eines Antrages auf Asyl soll zudem bereits vor Ort möglich sein. Pilz sagt auch dem politischen Islam den Kampf an, Vereine wie Atib und Milli Görus will er verbieten lassen. Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoan sieht Pilz zudem nicht als geeigneten Partner für die EU in Migrationsfragen an.