Wenn die FPÖ ihre Bedeutung an ihren Gegnern misst, dann könnte sie direkt in Trübsal verfallen: Alles bleibt ruhig am Samstagmorgen vor der Messehalle in Graz. Nur ein Häuflein Tierschützer ist da und lockt kaum jemanden an seinen Stand.

Die Beinahe-Hundertschaft Polizisten kann durchatmen, man holt sich Autogramme vom freundlichen Mann mit Stock, um den sich heute alles dreht: Norbert Hofer kommt als einer der Ersten und lässt sich von Fans fotografieren. „Jetzt simma bald verheiratet, da fehlt nicht mehr viel“, sagt er zu einer Frau, die schon das dritte Foto will. Kein Vergleich zu weiland Jörg Haider, der stets als Letzter in pompösem Triumph und unnahbar in die riesigen Parteitagshallen schritt.

Diesmal ist alles enger, intimer, gedämpfter. Hatte die steirische Landes-FPÖ für ihren Parteitag im Mai noch die riesige Grazer Stadthalle gebucht, so findet die Bundespartei mit dem deutlich kleineren Raum im Obergeschoss das Auslangen. Man rückt spürbar zusammen in der Abendsonne von Ibiza. Der Parteitag ist diesmal keine Arena für Konflikte, sondern eine Kurpackung für Angeschlagene, die neue Orientierung brauchen in der leider so stürmischen Zeit.

Die Koordinaten liefert Hofer in seiner 50-minütigen Rede: Ibiza war eine „böse Falle von Kriminellen“. Der Koalitionsbruch hätte nicht sein müssen, aber „wir lassen uns niemanden herauskicken“. Die Regierung war beliebt und erfolgreich, ihre Erfolge kamen von der FPÖ und da wiederum vom besten Innenminister, den die Republik je hatte: „Herbert, du hast es hervorragend gemacht!“

Hofer, der später mit 98,25 Prozent zum 11. FPÖ-Chef gewählt wird und damit das Resultat von Heinz-Christian Strache aus 2017 nur knapp verfehlt, zeigt, was er kann: Er kann im freundlichsten Ton die härteste Linie vorgeben. Das christliche Abendland sei bedroht. Der Islam sei zwar anerkannte Religion, aber das seien die Zeugen Jehovas auch. Hofer: „Es ist unser Land. Der Islam war nie Teil unserer Geschichte und Kultur, und er wird es niemals sein.“ Zugleich spricht er von der nötigen Verbreiterung der FPÖ: Umweltschutz, Wirtschaft müssten stärker bearbeitet werden. Auf dem Land und bei Arbeitern sei man erfolgreich, aber das müsse man auch in den Städten und bei den Studenten werden.

Ein „Modell für eine urbanere FPÖ“ will er sich ausgerechnet von Ungarns Viktor Orban holen: „Er hat mir da einen Weg aufgezeigt“, sagt der neue Parteichef kryptisch. Und er legt die Latte hoch: „Ich trete nicht an als Obmann einer Partei, die sich auf Dauer mit Platz zwei oder drei zufrieden gibt.“ Diesmal werde es zwar für Platz eins nicht reichen. Aber Messlatte für künftige Wahlen seien jene 35 Prozent, die Hofer selbst als Präsidentschaftskandidat 2016 im ersten Wahlgang bekam.

Das alles wäre fast harmonisch, und die Landesparteichefs tragen das Ihre dazu bei, indem sie der Reihe nach mit Ergebenheitsadressen ans Pult treten: Alle seine 186 Delegierten würden Hofer wählen, verspricht Oberösterreichs Manfred Haimbuchner. Der Wiener Dominik Nepp (110 Delegierte) und die Salzburgerin Marlene Svazek (48 Stimmen) tun es ihm gleich. Nur der Steirer Mario Kunasek kennt die Zahl der Landesdelegierten nicht, verspricht aber: „Alle stehen felsenfest hinter dir.“

Kickl gibt einmal mehr den Scharfmacher

Dann ist die Stunde der Biedermänner vorbei: Herbert Kickl tritt ans Rednerpult. „Norbert ist eher der Clincher, aber von mir gibt es halt ab und zu einen rechten Haken“, hatte er im Vorfeld erklärt, und jetzt zündet er in knapp zehn Minuten die Hütte an. Die „biologischen Angriffe“ der Gegner hätten nichts genützt, die FPÖ sei seit Knittelfeld gegen den Spaltpilz immun. Die Flüchtlinge seien „ein Schub Testosteron, als ob wir mit dem parlamentarischen Oberschwammerl nicht schon genug Grapscher hätten“. Er, Kickl, wolle „das Triple-A der aggressiven afghanischen Asylwerber auf eine Null-Linie downgraden“. So geht es dahin gegen „türkise Weichspüler“, SPÖ, Grüne und Neos.

Dem Saal gefällt’s, die Obmannwahl ist dann nur mehr Formsache. „Wir sind wieder da“, strahlt Hofer. Den vom Herzen gefallenen Stein konnte man trotzdem bis Ibiza hören.