Das Thema Klimapolitik hat die zweite Elefantenrunde im laufenden Wahlkampf dominiert. Die von den Bundesländerzeitungen und der "Presse" organisierte Diskussion mit dem Titel "Der große Schlagabtausch" am Donnerstagabend verlief weitgehend sachlich.

Die Veranstaltung vor 650 Zuschauern wurde live auf den Online-Plattformen der beteiligten Zeitungen übertragen. Manfred Perterer, Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten", und Antonia Gössinger, Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung Kärnten", begrüßten ÖVP-Chef Sebastian Kurz, SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, den designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer, NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, JETZT-Spitzenkandidat Peter Pilz und Grünen-Chef Werner Kogler im Salzburger Landestheater.

Erster Teil der Debatte:

Zweiter Teil der Debatte:

Fast die Hälfte der rund eineinhalbstündigen Diskussion wurde dem Thema Klimapolitik gewidmet, wobei die Kandidaten großteils bereits bekannte Positionen austauschten und durchaus emotional diskutierten. Rendi-Wagner wiederholte etwa die SPÖ-Forderungen nach einem Klimaticket und dem Ausbau der Öffis. Sie verteidigte einmal mehr das Nein der SPÖ zur CO2-Steuer, da diese eine starke Belastung für Menschen im ländlichen Raum mit geringem Einkommen bedeuten würde. "Man darf Umweltpolitik nicht gegen Sozialpolitik ausspielen", sagte die SPÖ-Chefin.

"Habe Mut", forderte Meinl-Reisinger Rendi-Wagner auf, es gebe Modelle, die funktionieren würden. Sie verwies auf das Konzept der NEOS für eine CO2-Steuer, mit dem eine CO2-Reduktion im Verkehr um 30 Prozent erreicht werden könne. "Es geht beides, CO2 bepreisen und gleichzeitig die Menschen entlasten", zeigte sich die NEOS-Chefin überzeugt.

Angriffig gegenüber der SPÖ zeigte sich Grünen-Chef Kogler. "Ich kenne das von Zwentendorf und Hainburg, immer war es die Sozialdemokratie, die auf der falschen Seite gestanden ist, verlässlich", meinte er. "Wir müssen viel größere Räder drehen", forderte er.

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Auch Pilz wollte das Argument der SPÖ-Chefin nicht gelten lassen: "Sozialpolitik machen wir nicht über die Zapfsäule", sagte er. "Ohne eine ökologische Steurerreform geht es nicht, wenn wir gegen den Klimawandel etwas tun wollen." Er forderte etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent für Fleisch aus Massentierhaltung. Gegen "Schnellschüsse" in der Klimapolitik sprach sich ÖVP-Chef Kurz aus. Er verwies auf den Vorschlag der ÖVP, auf Wasserstoff zu setzen. Hofer forderte eine Nahverkehrsmilliarde und den vermehrten Einsatz von Bio-Treibstoffen.

Debatte über Landflucht

In einer anschließenden schnellen Fragerunde zum Mercosur-Handelsabkommen bekräftigten Kurz, Rendi-Wagner, Kogler und Pilz ihre Ablehnung, während sich Meinl-Reisinger und Hofer für Nachverhandlungen aussprachen.

Im Wahlkampf bisher kaum diskutiert wurden Konzepte gegen die Ausdünnung des ländlichen Raums, was sich auch bei den Antworten auf die entsprechende Frage zeigte, die teilweise wenig ausgereift wirkten. Ansetzen wollen die Parteien etwa bei der Bildung und der Infrastruktur (Kurz), bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Frauen (Kogler), bei den Kinderbetreuungsstrukturen (Meinl-Reisinger) oder beim Ausbau von 5G (Hofer).

Kurz will Lehre stärken

Auch das Thema Bildung wurde diskutiert. Einigkeit herrschte bei SPÖ, Grünen und NEOS, dass das Berufsbild der Kindergartenpädagogen aufgewertet werden müsse. Ebenfalls einig waren sich Hofer und Kurz, die sich zum "Leistungsprinzip" bekannten. Kurz forderte außerdem eine Stärkung der Lehre. "Es war ein Fehler, dass wir zugelassen haben, dass Menschen, wo noch nicht klar war, ob sie bleiben dürfen, eine Lehre beginnen dürfen", sagte er. Scharfe Kritik an dieser Aussage übte Pilz: "Statt dem salafistischen Hassprediger werden talentierte Buben und Mädel abgeschoben", meinte er.

Kogler beklagte, dass der Bildungsweg nach wie vor häufig mit dem Bildungsstatus der Eltern zusammenhänge. "Mit diesem ganzen konservativen Plunder, der unter Leistungsprinzip verkauft wird, wird dieser Missstand auch noch verlängert", fand er.

Komplimente für die Gegner

Für große Erheiterung im Publikum und teilweise auch auf dem Podium sorgte die letzte Fragerunde, in der die Kandidaten aufgefordert wurden, etwas Positives über ihre Konkurrenten zu sagen. Kurz hatte "ganz viel Positives" über Rendi-Wagner, eine "gebildete, kämpferische" Frau, zu sagen und zeigte sich erleichtert, dass er nicht Pilz loben musste. "Da hätte ich mir am schwersten getan." Dieser bezeichnete Kurz als "einen der talentiertesten Politiker der Republik". "Und indem er immer vor mir davonrennt, macht er mir das größte Kompliment, das man einem Oppositionspolitiker machen kann."

Rendi-Wagner nannte Kogler einen "gut gelaunten, humoristischen Zeitgenossen, der mir vielleicht etwas zu oft versucht, die Welt zu erklären". Hofer zollte Meinl-Reisinger Respekt dafür, dass sie es schaffe, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Ein zweifelhaftes Kompliment machte die NEOS-Chefin Pilz: "Ich finde Ihre Reden durchaus unterhaltsam, das wird mir fehlen", meinte sie. Eine "gewisse Handschlagqualität" ortete Kogler bei Hofer, der außerdem "einmal ein durchaus ernst zu nehmender" Umweltpolitiker gewesen sei.

"Ein Stück Aufklärung für Wähler"

Was macht eine gelungene Debatte von Spitzenkandidaten aus? „Es war sehr angenehm, dass Sachthemen auf den Tisch gekommen sind“, erklärt Andreas Koller, stellvertretender Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er und Innenpolitik-Experten der Bundesländerzeitungen haben nach der Debatte eine kurze Analyserunde auf der Bühne des Salzburger Landestheaters eingelegt, Fazit: „Es war ein Stück Aufklärung für Wähler“ – dringend notwendig, denn „der Wahlkampf dauert schon zu lang – die Briten könnten das Unterhaus auflösen und schon am 15. Oktober wählen, und wir schleppen uns schon seit Mai dahin“, findet Koller.

Analyserunde nach der Elefantenrunde
Analyserunde nach der Elefantenrunde © Andreas Kolarik

Was die Debatte frisch gemacht hat: Zum einen der Fokus auf Sachthemen, so sind sich die Redakteure einig – zum anderen die Moderation durch Antonia Gössinger (Kleine Zeitung) und Manfred Perterer (SN): Sie hätten die richtige Balance aus „nötiger Strenge und nötiger Gelassenheit“ gefunden, so Kleine-Innenpolitikchef Michael Jungwirth.Zudem hätte das strenge Zeitmangement - zwei Minuten für jede Wortmeldung – dafür gesorgt, dass Hickhack unter den Spitzenkandidaten hintan blieb: „Wenn man weiß, man hat nur wenig Zeit, konzentriert man sich lieber auf die eigenen Standpunkte als auf jene der anderen“, sagt Birgit Entner-Gerhold, Innenpolitik-Redakteurin der Vorarlberger Nachrichten. Deutlich auch , dass nur zwei Parteien – die Grünen mit Klimawandel, die Neos mit Bildung, einen spezifischen thematischen Fokus hätten, sagt Ulrike Weiser von der „Presse“.

Nicht zu kurz gekommen seien aber auch die Charaktere der Spitzenkandidaten. Das sei wichtig, denn „in einer komplexen Gegenwart klammern sich Wähler weniger an Programme als an Personen, so OÖN-Chef Gerald Mandlbauer.

Hauptfrage werde wohl, wer nach der Wahl mit wem könne, schließt TT-Chefredakteur Alois Vahrner.

Die Spitzenkandidaten:

Peter Pilz, Liste Jetzt: Der Desperado

Alles oder nichts, lautet das Motto von Listengründer Peter Pilz. 2017 schaffte er dank der damals selbstzerstörerischen Grünen den Einzug ins Parlament. Aktuell sieht es so aus, dass der 65-Jährige am Tag nach der Wahl seinen Pensionsantrag abschicken kann. Um sich im Wahlkampf Gehör zu verschaffen, stellt die Liste radikale Forderungen auf: Verdoppelung der Mehrwertsteuer auf Nicht-Bio-Fleisch, Entfernung des Kreuzes aus den Amtsstuben, Verbot des politischen Islams.

Beate Meinl-Reisinger, Neos: Premiere für Politprofi

Beate Meinl-Reisinger ist seit Jahren in der Politik, erstmals muss auch sie im Bund Wahlen schlagen. Auch die Neos haben sich zum Umfrageweltmeister entwickelt, am Wahltag bleibt man oft hinter den Erwartungen. Die Ausgangslage ist keine schlechte: Je stärker Kurz nach rechts rückt, umso besser für die pinke Bewegung. Bei TV-Debatten tut sich Meinl-Reisinger als Politprofi sichtbar leichter als Rendi-Wagner. Andererseits hat das pinke Kernthema, die Bildung, derzeit keine Konjunktur.

Werner Kogler, Die Grünen: Der Gewinner

Die Wahlen sind noch gar nicht geschlagen, die Grünen können bereits heute den Champagner einkühlen. Nicht nur wegen des Klimawandels, auch wegen der Schwäche der vormaligen Liste Pilz ist der Wiedereinzug, sofern nicht völlig Unvorhergesehenes passiert, fix. Der Klimaschutz war bei der Wahl 2017 das zehnwichtigste Thema der Wähler, derzeit rangiert es auf Platz eins. Um nicht den linken Flügel vor den Kopf zu stoßen, lässt Kogler völlig offen, ob eine Koalition mit der Kurz-ÖVP vorstellbar ist.

Norbert Hofer, FPÖ: Unrunder Paarlauf

Das Ibiza-Video haben die Freiheitlichen erstaunlich gut überstanden, derzeit läuft es bei den Blauen auch nicht rund. Vor allem ist nicht klar, wer in der FPÖ das Sagen hat: Norbert Hofer und/oder Herbert Kickl. Hofer gibt den Faserschmeichler, Kickl den Scharfmacher, nur eingefleischte Blaue erblicken dahinter eine ausgefuchste Doppelstrategie. Ob Strache wieder eines Tages zurückkehrt, scheint auch nicht geklärt zu sein. Die FPÖ kann nur auf die ÖVP hoffen, sonst drohen fünf Jahre Oppositionsbank.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ: Rote Aufholjagd

Für die SPÖ-Chefin, die erstmals eine Wahl zu schlagen hat, steht viel auf dem Spiel. Sie muss ein achtbares Ergebnis einfahren, sonst sind ihre Tage gezählt. Sollte die SPÖ hinter die FPÖ fallen und erstmals bei Nationalratswahlen auf Platz drei landen, wäre Feuer am Dach. Rendi-Wagner versucht mit bürgernahen bzw. tiefroten Themen zu punkten: Verkürzung der Wartezeit beim Arzt, leistbares Wohnen, Mindestlohn von 1700 Euro, Erbschafts- und Vermögenssteuer. In den verbleibenden Tagen hoffte die SPÖ, den Rekordabstand zu reduzieren.

Sebastian Kurz, ÖVP: Platz eins, aber was dann?

Sofern nicht völlig Unerwartetes passiert, hat Sebastian Kurz den Wahlsieg in der Tasche. Auch wenn es in der ÖVP derzeit unrund läuft: Zu groß ist der Vorsprung auf die Zweitplatzierten. Spannender als der türkise Wahlausgang ist die Frage, mit wem Kurz künftig koalieren will. Paradox: Kurz hat vielleicht vier bis fünf Optionen, aber keine ist so richtig vorstellbar. Rückkehr zur Großen Koalition? Wieder mit der FPÖ? Kurz und die Grünen? Ein flotter Dreier? Minderheitsregierung?