Der Abend des 18. Mai war ein betriebsamer in der Führungsetage der österreichischen Justiz – und das, obwohl es ein Samstag war. Einen Tag zuvor war das Ibiza-Video veröffentlicht worden. Um 21 Uhr an diesem Samstag erteilte die Oberstaatsanwaltschaft Wien der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) per Weisung den Auftrag, „Erkundigungen“ rund um die Korruptionsvorwürfe einzuholen, die sich aus dem Video ergeben.

Wie der „Standard“ berichtet, hatten Justiz-Insider dadurch den Eindruck, die WKStA sei durch diese Weisung ausgebremst worden – hatte sie doch bereits einen Anfangsverdacht, der für die Aufnahme von Ermittlungen reichte. Am Montag wurden die Ermittlungen dann getrennt – die WKStA sollte sich um etwaige illegale Parteienfinanzierung kümmern, die Staatsanwaltschaft Wien nach den Urhebern des Videos suchen.

Neue Anzeige gegen Pilnacek

Aktiv war an diesem Samstagabend aber auch der damalige Generalsekretär des Ministeriums und Chef der Strafrechtssektion, Christian Pilnacek – und zwar auch in eigener Sache.
Der Kleinen Zeitung zugetragenen Unterlagen zufolge hat Pilnacek an besagtem Abend gegen halb elf eine Mail an Alexander Pirker, Sektionschef der Präsidialsektion, geschrieben – in der er Pirker ersucht, Anzeige gegen fünf Staatsanwälte der WKStA zu erstatten. Es ging um die Dienstbesprechung in der Causa Eurofighter am 1. April, in der Pilnacek die langwierigen Ermittlungen mit den denkwürdigen Worten „daschlogts es“ kritisiert hatte.

Die Staatsanwälte der WKStA in dieser Besprechung zeigten auf Basis eines Mitschnitts ihre Vorgesetzten, allen voran den damaligen Generalsekretär, wegen des Verdachts der versuchten Anstiftung zum Amtsmissbrauch an. Dieses Verfahren wurde eingestellt. Die Oberstaatsanwaltschaft revanchierte sich – und brachte eine Gegenanzeige gegen einige Organe der WKStA ein, sie dürfte ebenfalls eingestellt werden.

Es dürfte nicht die letzte Anzeige von Justiz-Insidern gegeneinander bleiben: Pilnaceks Mail vom 18. Mai ist Teil einer neuerlichen Anzeige eines Justiz-Mitarbeiters, die diese Woche bei der Staatsanwaltschaft Wien einlangen wird.

Ein Screenshot von Pilnaceks Mail.

"Zur vollständigen Wiederherstellung meiner Ehre..."

Pilnacek formuliert in der Mail dramatisch: „Ich erwarte mir zur vollständigen Wiederherstellung meiner Ehre eine Anzeige (...) gegen diejenigen, die das ‚Protokoll‘ unterfertigt haben!“ Er deutet aber auch an, eine Unterlassung einer Anzeige könnte Amtsmissbrauch durch Unterlassung sein.

Weil Pirker aber gar keine Pflicht zu einer Anzeige gehabt hätte, habe Pilnacek durch „Drohung mit einer grundlosen Strafanzeige“ eine Nötigung begangen, heißt es in der neuen, anonymen Anzeige. Aus dem Justizressort und von Pilnacek kommt dazu am Dienstag keine Reaktion. „Wir geben zu internen Abläufen keine Stellungnahme ab“, so eine Sprecherin.