Ein Holztisch und dazu zwei Stühle, auf denen die jeweiligen Parteivorsitzenden sowie Premieren-Moderator Tobias Pötzelsberger Platz nehmen - das ist das Setting der heurigen ORF-Sommergespräche. Erster Gast war am Montag ab 21.05 Uhr Maria Stern, Chefin der Liste Jetzt. Nur noch wenige glauben an den neuerlichen Einzug der Pilz-Partei ins Parlament, zumal auch etliche amtierende Abgeordnete bereits abgesprungen sind. Maria Stern wird versuchen, das Scheinwerferlicht des ORF nach Kräften zu nutzen.

Der Regen hat aufgehört, Maria Stern ist guter Dinge. "Das Glück der Tüchtigen", versucht es Pötzelsberger mit einem lockeren Start. Wo verbrachte sie den Urlaub? "In Venedig, es war der erste Urlaub, wo ich nicht gleich krank geworden bin", verrät die Parteichefin. "Nach Ibiza hat es sie nicht gezogen?", versucht es der junge Moderator mit einem Schmäh. Nein, eh klar.

Ein bis zwei Prozent  bescheinigen ihr die Umfragen, vier Prozent braucht sie für den Einzug. Ein Abschiedsgespräch? Stern glaubt an den Erfolg eines guten Wahlkampfes, und daran, dass Österreich "uns braucht".

Schließlich sei es der Initiative der Liste Jetzt zu danken, dass es Kanzler Kurz nicht mehr gibt, dass er nicht mit Geld, Struktur und "Message Control" den Wahlkampf dominieren könne. "Damit waren wir sogar in der New York Times!"

Anträge pro Kopf pro Abgeordnetem hat Pötzelsberger errechnet, um Stern einen "Bonus" zuzuordnen: "Damit liegen sie an der Spitze". Warum geht dann nicht mehr weiter für die Liste Jetzt?

Eh klar, die Medien. Auch Maria Stern ordnet ihnen einen Gutteil der Schuld daran zu, dass "fleißigste Fraktion" so wenig präsent ist.

Donald-Duck-Prinzip

Das "Donald Duck Prinzip" bringt der Moderator ein: Patschert hinfallen, wieder aufstehen, weitermachen. Stern fühlt sich abgeholt: So geht es einer Oppositionspartei, so lernen auch kleine Kinder gehen. Wir machen Fehler, so ist es." Fehler hat auch Listengründer Peter Pilz eingestanden, und Maria Stern ergänzt: Deshalb habe sie letztlich die Partei übernommen, den Aufbau der Partei in die Wege geleitet, abseits der Omnipräsenz der Person Pilz.

Jeder Abgeordnete ist sein Programm - das sei vielleicht ein Fehler gewesen, die Teamfähigkeit sei die Stärke, und darauf liege jetzt der Fokus. Pötzelsberger hakt ein, beim "Egomanen" Peter Pilz. "Ist er für sie schwer zu händeln?" "Nein", sagt Stern. "Ich bin Lehrerin." Und Gerüchten schenke sie ohnehin keinen Glauben. Sie habe ihn als einen umsichtigen, alle zu Wort kommen lassenden Moderator in Sitzungen erlebt. Der Parteivorsitz bleibe aber bei ihr.

"Ein Schönheitsfehler"

Die vielen Abgänge - fünf von sieben Abgeordneten verabschiedeten sich bereits von der Partei - spricht der Journalist an, und den Umstand, dass diese auch keine Unterschriften für die Kandidatur mehr leisten wollten. "Zeitnot", sagt Stern. Die Abgeordneten hätten sich die Kandidaten noch anschauen wollen, aber man wollte schon vorher sicher gehen, dass das Antreten der Partei auch gesichert sei.

Nicht ganz nachvollziehbar, zumal man dafür die Unterschrift eines umstrittenen wilden Abgeordneten brauchte, dem sexistisches Verhalten vorgeworfen wurde. "Ein Schönheitsfehler", so Stern.

Wähler von Grünen und FPÖ

Jeder dritte Wähler kam 2017 von den Grünen - und kehrt möglicherweise wieder dorthin zurück. "Nicht unbedingt", sagt Stern. Die Hoffnung lebt. Und Zack, Zack, das neue "Online-Medium" soll FPÖ-Wähler "mit Anstand, Charakter und Fakten" anlocken. Die einfachen Menschen, die sich nichts leisten könnten, und die man nicht damit abspeisen könne, dass an allem nur die Ausländern schuld seien.

Nur 12.000 Stimmen kamen von der FPÖ, kontert Pötzelsberger. Er ist bestens vorbereitet. "Wir erreichen die Ex-FPÖ-Wähler", ist Stern dennoch überzeugt. Die Alleinstehenden, die sie ansprechen will, sind wohl nicht typische Ex-FPÖ-Wähler, "aber Peter Pilz spricht diese gut an".

Eine rote Linie zieht sie zu Sebastian Kurz, "und da sind wir die Einzigen". Eine Linie, die leicht gezogen ist, meint der Moderator, denn Kurz werde die Liste Jetzt nicht brauchen. "Wir haben zum ersten Mal einen Wahlkampf, wo der Kanzler schon feststeht. Und Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien finden auch schon statt. Das gab es so noch nie. Wir sind und bleiben jedenfalls die schärfte Kontrolle, ohne Kompromisse."

Gelds & Charakter

Verdirbt Geld den Charakter will Pötzelsberger wissen, und erntet ein klares Nein. Die Parteienförderung ist das Thema. Ist zuviel Geld im Spiel? Durch Großspenden werde Partei korrumpierbar, und dass per Gesetzt nachgeschärft wurde, findet Maria Stern gut. Politik solle sich nicht abhängig machen von der Wirtschaft, daher sei das System der Parteienförderung grundsätzlich gut.

Aber 1,2 Millionen für die Parteiakademie? Mit nur 15 Veranstaltungen heuer? Pötzelsberger hat viel gerechnet. Und Stern weist es zurück: Beratungskosten, Raummieten, andere Ausgaben seien da mit drin. Der Moderator legt eine Falle aus: Will Stern Geld zurückzahlen, wenn sie den Einzug ins Parlament nicht schafft? Das wäre denkbar, will sich Stern nicht verweigern. Das Geld wird sie nach dem Wahlkampf nicht haben.

Kein Problem mit Karikatur

Die Karikatur in "Zack,zack" - Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger als Hündin, die nach Fördermillionen schnappt - ist für Stern in Ordnung, habe nur den Sachverhalt illustriert.

Ja zu einem Berufsheer, Ja zu einer Wehrpflicht für Frauen ab dem Zeitpunkt, wo Männer genauso oft in Karenz gehen wie Frauen, Ja zum Rauchverbot auch in Diskotheken, Nein zum politischen Islam (aber nicht zur gemäßigten Form) - so Sterns kurze Antworten auf kurze Fragen.

Pilz wollte "so wenige Frühlinge wie möglich", Stern setzte sich für Carola Rackete ein - eine Differenz? Nein. "Asyl ist ein Menschenrecht, aber es kann nicht ganz Afrika zu uns kommen. Wir müssen vor Ort helfen, aber Kurz hat die Mittel ja gekürzt." Handelsbeziehungen auf Augenhöhe mit Afrika seien wesentlich, um den Menschen Perspektiven zu eröffnen.

Für autofreien Tag

Zum autofreien Tag, den sie ins Gespräch gebracht hat, steht sie, "aber nicht in ländlichen Regionen". In Räumen wie Graz, wenn etwa die Feinstaubwerte zu hoch seien. In Städten könne man gut verzichten auf das Auto. Eine ökosoziale Steuerreform, gekoppelt mit einer Erbschaftssteuer ab einer halben Million, ist ihr Ziel. Damit Arbeit künftig geringer besteuert werden kann. Höhere Steuern auch auf Diesel und Kerosin, "aber mit einem sozialen Ausgleich". Und Ausbau des Öffentlichen Verkehrs.

Für Vermögenssteuer

Reicht die Erbschaftssteuer, um die Armut zu bekämpfen, braucht es dazu nicht auch eine Vermögenssteuer? Stern kann es sich vorstellen. Die Mittelschicht müsse gestärkt werden. Wenn sich Studierende keine Wohnung mehr leisten könnten, wenn Alleinerziehende von Obdachlosigkeit bedroht seien, dann müsse einfach gegengesteuert werden. "Das müssen wir uns leisten". ÖVP-Kanzler Kurz habe den Menschen das Mindeste weggenommen. Und mit dem Familienbonus nur die belohnt, "die eh schon viel Geld haben". Frauen mit Halbtagsjob könnten den Bonus nicht lukrieren, gleichzeitig seien ihnen die Steuererleichterungen gestrichen worden. "Kurz hat nur seine Klientel gestärkt und gar nicht gemerkt, dass die Armut schon in der Mittelschicht angekommen ist."

Hoffen auf Linksruck

Was tun, wenn die Liste Jetzt ja in der Opposition bleiben will, fragt Pötzelsberger. "Politik ist eine Frage von Seilschaften", sagt Stern. Und: "In Wirklichkeit arbeiten wir nicht auf die kommende, sondern auf die übernächste Regierung hin, die dann hoffentlich wieder gegen den Rechtsruck arbeitet, eine Mitte-Links-Regierung ist."

"We are going to Ibiza" sei ihr Sommerhit, dem Ansinnen des Moderator, ihn anzustimmen, widersagt sie. Und holt stattdessen zur letzten Ansage aus: "Kurz hat Schiss vor Pilz, und das zu Recht."