Die oberösterreichische SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer ist für eine Koalition mit den Türkisen gesprächsbereit, aber es gebe viel aus den vergangenen 17 Monaten zu korrigieren. Mit der APA sprach sie darüber, warum die SPÖ die Ibiza-"Granate" bisher nicht in Wählergunst verwandeln konnte, dass ihre Hoffnung auf eine Mehrheit ohne ÖVPund FPÖ lebt und über ihre geplante Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2021.

Am 31. August startet die oberösterreichische SPÖ in Bad Schallerbach offiziell in den Wahlkampf. In der Kommunikation mit den Wählern setzt man erstmals auf rund 100 Town Hall Meetings - Bürgerversammlungen - zu diversen Themen. Ihr Wahlkampf werde "sauber, menschen- und themenorientiert" sein, so Gerstorfer, sie setzt auf klassische SPÖ-Inhalte wie Wohnen, Kinderbetreuung und Pflege.

Rote Umfragewerte

Die aktuell eher bescheidenen roten Umfragewerte sieht sie gelassen: "Wir haben noch zwei Monate." Umgekehrt ortet sie "durchaus Nervosität in der ÖVP", auf die sich in der Schredderaffäre "ein besonderer Blick" habe werfen lassen. Die FPÖ wiederum habe "dokumentiert, dass sie nicht regierungsfähig" und "jenseits jeden moralischen Verstandes" sei. "Es hat in der Geschichte seit 1945 noch nie so eine Granate gegeben in der Politik", sagt sie über das Ibiza-Video. Dass die SPÖ die Affäre dennoch bisher nicht in Wählerzuspruch umwandeln konnte, führt sie darauf zurück, dass man für eine solche Ausnahmesituation "kein Krisenmanagement-Konzept in der Tischlade hat, weil man damit einfach nicht rechnet".

Ein wenig Selbstkritik an der Performance der Partei nach dem Regierungscrash schwingt aber schon mit: "Es braucht Kommunikation und Austausch, aber bei heiklen Themen muss man das innerhalb von vier Wänden machen und dann geschlossen nach draußen gehen. Es hilft uns nicht, wenn wir in der Öffentlichkeit Positionen vertreten, bei denen ganz klar ist, dass sie Widerspruch in den eigenen Reihen auslösen werden." Auch das mediale Vorpreschen ihres Tiroler Kollegen Georg Dornauer in der Affäre um eine ihm zugespielte E-Mail über angebliche illegale Parteispenden an eine ÖVP-Kandidatin sieht sie kritisch: "Ich würde das nicht tun. Solche Dinge muss man zuerst abklären."

"Keine Message Control"

Allerdings wolle sie auch "keine Message Control wie bei der ÖVP", betonte Gerstorfer. "Wenn nur mehr einer was sagen darf, dann geht das Richtung diktatorisch, das ist nicht in Ordnung. Ich höre auch am Stehtisch von ÖVP-Funktionären, dass sie damit hochgradig unzufrieden sind. Aber es sagt nie einer öffentlich."

Was eine mögliche Koalition mit der ÖVP angeht, sei die SPÖ gesprächsbereit, betont sie, aber "es gibt viel zu reparieren, was in 17 Monaten ÖVP-FPÖ Koalition passiert ist" - etwa den Kinderbonus, von dem z.B. geringverdienende Alleinerzieher weniger profitieren. Auch über die Pläne zur Abschaffung der Notstandshilfe werde zu reden sein. In Deutschland gehe man vom "Armutsproduktionsprojekt" Hartz IV bereits wieder ab. "Jetzt kann man sagen, das ist unter einer roten Kanzlerschaft eingeführt worden. Ja, leider. Aber man lernt daraus und man repariert."

Rein rechnerisch hält Gerstorfer nach der Wahl nur Türkis-Grün-Pink, Türkis-Rot oder Türkis-Blau für realistisch, aber "wenn wir ordentlich draufhauen" und "wenn man so mit Optimismus gesegnet ist wie ich", dann könne man auch auf eine "Variante ohne ÖVP und FPÖ" hoffen. Rot-Blau komme jedenfalls nicht infrage.

"Hype" des Umweltthemas

In Oberösterreich will sie bei der Landtagswahl 2021 als Spitzenkandidatin antreten - vorbehaltlich der Zustimmung am Parteitag im Mai kommenden Jahres, wo sie sich der Wiederwahl als Parteivorsitzende stellen will. Die Ziele: "deutlich dazugewinnen, wieder einen zweiten Landesrat stellen und als ein guter Partner für Koalitionsgespräche gesehen werden".

Dass laut einer für die "Kronen Zeitung" erstellten IMAS-Umfrage die Grünen zuletzt die SPÖ in Oberösterreich überholt haben, führt sie auf einen momentanen "Hype" des Umweltthemas zurück. Aber die Sozialdemokratie werde mit ihren eigenen Themen punkten, ist sie überzeugt. Baustellen sieht sie viele im Land: "Beim Wohnen ist Feuer am Dach", es gebe Probleme bei Mobilität, eine "desaströse Situation bei Kinderbetreuung" in der Peripherie und das im Herbst zum Beschluss anstehende Ausführungsgesetz zur Mindestsicherung fördere Kinderarmut noch weiter: Schon die Deckelung in OÖ habe dazu geführt, dass 2018 gut 277.000 Euro weniger BMS an Kinder ausbezahlt worden sei als nach alter Gesetzeslage. Laut dieser wären es knapp 610.000 Euro gewesen, nach neuer nur noch rund 332.000 Euro. "Das wird sich mit der Staffelung der Kinderbeiträge noch weiter steigern", ist Gerstorfer überzeugt.

Zu der laufenden Prüfung der Pacht für ein Grundstück der SJ am Attersee durch den Parteien-Transparenz-Senat im Kanzleramt bleibt sie zurückhaltend: Wie das ausgehen werde, "wissen wir wirklich nicht".