Die "Reisswolf-Schredder-Affäre", die seit Tagen die Innenpolitik beschäftigt, zieht immer weitere Kreise. ÖVP-Chef Sebastian Kurz - der vom "Jetzt"-Abgeordneten Peter Pilz angezeigt wurde - beteuerte dabei stets, dass auch sein Amtsvorgänger Datenträger vernichten habe lassen. Dieser - Ex-SPÖ-Chef Christian Kern - bestritt das und drohte Kurz mit einer Klage. „Dass ein Mitarbeiter meines Kabinetts mit Festplatten zu einer Privatfirma gegangen wäre um diese dort zu zerstören, ist selbstverständlich nicht vorgekommen", so Kern.

Vernichtung um 2.100 Euro

Nun könnten Kern Dokumente in Bedrängnis bringen, die beweisen sollen, dass auch vor dem Regierungswechsel 2017 Datenträger vernichtet wurden. Laut "Krone" gibt es ein Dokument mit Auftragsbestätigung vom Dezember 2017, das belegt, dass sieben Druckerdatenträger vernichtet worden waren. Kostenpunkt: 2.100 Euro.

Die Festplatten sollen aus dem Ballhausplatz, aber auch aus dem Büro des damaligen Kanzleramtsministers Thomas Drozda und aus dem früheren Staatssekretariat von Muna Duzdar kommen.

Kern: Habe keinen Auftrag gegeben

Kern betonte auf Facebook, dass es von ihm dazu keinen Auftrag gegeben habe. "Das Prozedere zur Amtsübergabe wurde von den Beamten des Kanzleramts eingeleitet und durchgeführt", erklärte Kern. Es habe sich dabei um einen "amtswegigen Vorgang" gehandelt. Er selbst habe bis zum heutigen Morgen keine Kenntnis gehabt, "dass Festplatten des Kanzleramtes aus meiner Amtszeit zerstört worden seien", so Kern: "Ich sehe auch im Nachhinein dafür keine Notwendigkeit."

Aus dem Kanzleramt von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein gab es vorerst keine weiteren Stellungnahmen zu der Causa. Die Erhebungen zu den parlamentarischen Anfragen mehrerer Parteien seien im Laufen, hieß es.

ÖVP sieht "Doppelmoral"

Die ÖVP hat Kritik an der SPÖ geübt: "Es ist unglaublich mit welcher Doppelmoral Kern und die gesamte SPÖ hier agieren", so ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer: "Wie sich jetzt herausstellt, schredderte auch die SPÖ, und das sogar im größeren Stil."

Kurz habe von der SPÖ noch massive Kritik geerntet, weil er die Vernichtung der Druckerfestplatten als "normalen Vorgang" bezeichnet habe. "Spätestens seit heute" sei klar, dass es nicht "außergewöhnlich" sei, dass "zeitgerecht vor einem Regierungswechsel Festplatten ausgebaut und vernichtet werden", meinte Nehammer. "Dass ein Mitarbeiter von uns falsch gehandelt hat, kann man nicht wegwischen, das war nicht korrekt und dafür hat er sich schon entschuldigt und den Schaden beglichen."

Nehammer verwies darauf, dass Kern laut Medienberichten sogar sieben Druckerfestplatten schreddern ließ und dass die Beauftragung bereits zwei Wochen vor dem Regierungswechsel erfolgte. "Vor allem bei Thomas Drozda bedarf es einer besonderen Aufklärung", so Nehammer. Immerhin sei der nunmehrige Bundesgeschäftsführer der SPÖ 2017 Wahlkampfleiter gewesen.

Drozda: ÖVP hat "einiges zu verbergen"

Drozda wiederum ließ via Twitter wissen, dass die Übergabe damals durch Beamte des Kanzleramts durchgeführt und geleitet wurde. Die ÖVP hingegen habe "offenbar einiges zu verbergen, verstrickt sich in Widersprüche und will nicht über ihre zerstörten Daten, Festplatten und Fehler reden. Stattdessen versucht sie, uns mit Dreck zu bewerfen."

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hieß es auf APA-Anfrage, dass keine Details zu den Ermittlungen bekanntgegeben werden, auch nicht gegen wie viele Personen ermittelt werde. Bei den Ermittlungen sei jedenfalls "besondere Sensibilität" geboten, zudem handle es sich um einen "Verschlussakt". Die vom JETZT-Abgeordneten Peter Pilz angekündigte Sachverhaltsdarstellung sei noch nicht eingelangt. Sobald sie vorliege, werde sie freilich geprüft.

Festplatten für PC oder Drucker?

Zwischen in Druckern und in PCs verbauten Festplatten gibt es grundsätzlich keinen Unterschied, erklärt der IT-Experte Otmar Lendl vom Computer Emergence Response Team Austria (CERT). Rückschlüsse darauf, wie die fünf geschredderten Festplatten im Bundeskanzleramt unter Sebastian Kurz verwendet wurden, sind damit kaum möglich.

Nach Aufkommen der Schredder-Affäre hat die ÖVP stets davon gesprochen, dass es sich bei den vernichteten Datenträgern um Druckerfestplatten gehandelt habe. Mit Verweis darauf wurde von ÖVP-Generalsekretär Nehammer in der "ZiB2" etwa auch ein Zusammenhang zum Ibiza-Video bestritten - da sich Videos ja nicht ausdrucken ließen.

Gesicherte Informationen, wo die Festplatten verbaut waren, gibt es jedoch nicht. In Druckern verbaute Festplatten würden sich jedenfalls in keiner Weise von PC-Festplatten unterscheiden, meint dazu Lendl auf APA-Nachfrage. Ob die fünf vernichteten Festplatten also tatsächlich in Druckern oder etwa einem Laptop verwendet wurden, lässt sich somit nicht sagen. Lediglich der Hersteller könnte eventuell Informationen haben, wo die Festplatten eingebaut wurden. Das Bundeskanzleramt wollte zu der Affäre und die verwendeten Druckermodelle keine Auskunft geben.