Wer in nächster Zeit einen lästigen Falschparker von seinem Grund vertreiben will; wer eine komplizierte Erbschaftssache entschieden braucht; oder wer einfach nur ein Urteil über den Schaden nach einem Verkehrsunfall anstrebt – der muss sich dieser Tage auf eine längere Verfahrensdauer einstellen.

Und auch das Höchstgericht pfeift aus dem letzten Loch. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) richtet einen "dringenden Appell" an die Politik, das Höchstgericht mit zusätzlichem Personal auszustatten. Grund: Im Vorjahr hat der Verwaltungsgerichtshof 7.900 neue Verfahren registriert, zusätzlich waren 2.800 Fälle aus den Vorjahren offen. Eine Mitte 2018 gewährte zusätzliche Richterplanstelle fällt aber mit Jahresende wieder weg.

Wie aus dem Tätigkeitsbericht Gerichtshofs für 2018 hervorgeht, hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorjahr fast 8.000 Verfahren abgeschlossen. Das ist zwar deutlich mehr als 2017 (6.600), bedeutet aber, dass immer noch 2.700 unerledigte Altfälle ins neue Jahr mitgenommen werden mussten. Besonders viele neue Verfahren gab es demnach im Asylbereich, wo 2.900 Berufungen an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurden. Zusätzliche Arbeit macht aber auch der Glücksspielbereich mit rund 500 neuen Verfahren im Vorjahr und einem auch für heuer erwarteten "starken Neuanfall".

Notfallplan mit Prioritäten

„Können nicht alle Aufgaben erfüllt werden, so müssen Prioritäten gesetzt werden“, steht in einem Notfallplan, den Österreichs Gerichtsvorsteher vor Kurzem bei ihrer Generalversammlung verabschiedet haben. Und „weniger dringliche“ Verfahren – wie die genannten: kleinere Besitzstörungen, Verlassenschaftssachen, Klagen nach Verkehrsunfällen und so weiter – sollen dem Dokument zufolge, das der Kleinen Zeitung vorliegt, hintangestellt werden, wenn „akute Personalnot“ ein Abarbeiten aller anstehenden Fälle unmöglich macht.

Stattdessen soll gewährleistet werden, dass Verfahren, „deren Einstellung oder Verzögerung besonders schmerzhaft für die Rechtssuchenden wäre“, aufrechterhalten werden können: Gewaltschutz- und Pflegschaftsfälle etwa, Obsorge und Kontaktrecht.

Es ist symptomatisch für die Zustände an Österreichs Gerichten, dass sich die Richterschaft veranlasst sieht, einen solchen Plan zu verabschieden – explizit nicht als Protestmaßnahme, wie es in dem Papier heißt, sondern als Checkliste, wie Gerichte mit einem drohenden Notstand umgehen sollen, wenn sie aus Mangel an Personal nicht mehr all ihre Aufgaben erledigen können. Inzwischen wird der Plan bereits an mehreren Gerichten umgesetzt, sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung.

Derzeit macht sich dieser Engpass vor allem beim Hilfspersonal bemerkbar: bei Schriftführern und Kanzleimitarbeitern, die Akten verwalten, Urteile ausfertigen, Posteingang bearbeiten und Parteienverkehr abwickeln – kurz jenen Menschen, die die Gerichte am Laufen halten. Bei diesen sei in den vergangenen Jahren massiv eingespart worden, sagt Matejka und nennt als Beispiel das Wiener Landesgericht für Strafsachen. Zahlreicher Wirtschaftsverfahren wie des Buwog-Prozesses wegen sei dort die Zahl der Richter von 65 auf 80 erhöht worden; jene der Mitarbeiter dagegen sank von 117 auf 104 – und allein zwischen Juli und November werden weitere acht Mitarbeiter abgehen.

Verwaltungsbereich

Auch Cornelia Koller, Präsidentin der Staatsanwälte, sieht im Verwaltungsbereich das größte Personalproblem. Mittlerweile stehe etwa nur mehr die Hälfte an Mitarbeitern zur Verfügung wie vor zehn Jahren.

Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, pflichtet bei: Selbst bei großen Bezirksgerichten gebe es teilweise nur noch eine Schreibkraft – mit der Folge, dass Bürger wochenlang auf Ausfertigung von Urteilen warten müssten. „Unzumutbar“ seien teilweise die Zustände an den Gerichten inzwischen, sagt Wolff, „schlichtweg ein Wahnsinn“. Der oberste Vertreter der Anwälte sieht sogar das „demokratische Gleichgewicht“ in Gefahr: „Wenn die Justiz nicht funktioniert, kommt die Gewalt“, sagt Wolff und verweist auf die Rolle der gerichtlichen Streitschlichtung als Kernaufgabe des Staates.

Eine Thematik, der sich auch Übergangsjustizminister Clemens Jabloner bewusst ist: Er attestierte vor wenigen Wochen einen „stillen Tod der Justiz“ durch chronischen Ressourcenmangel für schnelle Verfahren. Lösen könne das freilich erst die nächste Regierung.