Die Staatsanwaltschaft Wien hat Ermittlungen gegen unbekannte Täter aufgenommen, ob Martin Sellner, Sprecher der "Identitären Bewegung" vorab über die Hausdurchsuchung in seiner Wiener Wohnung Ende März informiert worden ist.

Sellner war eine Woche nach den Anschlägen auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch, bei denen ein Rechtsextremer 51 Menschen ermordet hatte, auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz wegen früherer Kontakte zu dem Attentäter durchucht worden. Die Hausdurchsuchung wurde von eigenartigen Ereignissen begleitet: Weniger als eine Stunde vor Beginn der Razzia hatte Sellner Mails mit dem Christchurch-Attentäter gelöscht; und die Polizisten warteten, nachdem sie geklopft hatte, zwölf Minuten, bevor sie mit der Durchsuchung begannen.

Die Neos hatten nach Bekanntwerden dieser Tatsachen Anzeige wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses erstattet - auch SPÖ und Jetzt hatten einen ähnlichen Verdacht geäußert.

Jetzt zeigen Anfragebeantwortungen von Innenminister Wolfgang Peschorn bzw. Justizminister Clemens Jabloneran die Neos, an die SPÖ und an Jetzt, dass die Staatsanwaltschaft Ende Mai Ermittlungen"wegen eines denkmöglichen Verrats" aufgenommen hat. "Die Staatsanwaltschaft Wien hat am 4. Juni 2019 das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung mit der Durchführung von Ermittlungen beauftragt", heißt es in Peschorns Auskunft.

"Ich bin froh, dass nunmehr im Sinne meiner im Mai übermittelten Sachverhaltsdarstellungen ermittelt wird, ob Informationen zur Hausdurchsuchung durch einen Maulwurf im BMI an Sellner weitergegeben wurden", erklärt Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper gegenüber der Kleinen Zeitung. Unerklärlich sei aber, dass der Beantwortung zufolge offenbar noch nicht einmal die beteiligten Beamten einvernommen worden seien, so Krisper, die auf rasche Aufklärung drängt.

Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper: "Es ist wahrzunehmen, dass die Strafjustiz in Österreich in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeitet."
Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper: "Es ist wahrzunehmen, dass die Strafjustiz in Österreich in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeitet." © APA/HERBERT NEUBAUER

Kickls Generalsekretär Tage im voraus über Hausdurchsuchung informiert

Details zu den Ermittlungen werden "um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden" nicht bekanntgegeben. Es war aber jedenfalls ein weiter Kreis über die bevorstehende Hausdurchsuchung informiert: Neben der Staatsanwaltschaft Graz wurde auch das fallführende Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bereits am Tag vor der Hausdurchsuchung, am 24. März, von der Genehmigung der Razzia verständigt. Die beigezogenen Wiener Polizisten, die dem BVT bei der Hausdurchsuchung assistierten, wurden erst am Tag der Amtshandlung, dem 25. März, davon informiert.

Wusste vorab von der Hausdurchsuchung bei Sellner: Kickls Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber (r.)
Wusste vorab von der Hausdurchsuchung bei Sellner: Kickls Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber (r.) © APA/ROLAND SCHLAGER

Politisch brisant: Schon am 21. März hat das BVT Peter Goldgruber, damals Herbert Kickls Generalsekretär im FPÖ-geführten Innenministerium, "der zu erwartenden Medienberichterstattung" wegen über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Sellner informiert.

Die FPÖ war im Frühjahr wegen Verbindungen zu den Identitären massiv in die Kritik geraten.