Katharina Rogenhofer hat im Mai die Leitung des Klimavolksbegehrens von der Grünen Helga Krismer übernommen. Die 25-Jährige hat in Wien und Oxford Biologie und Naturschutz studiert und war eine der Initiatorinnen von „Fridays for Future“ in Österreich. Über den Sommer wird das Volksbeghren Infrastruktur aufbauen, im Herbst sollen Unterstützungserklärungen gesammelt werden.

Wenn wir uns die Parteien im Wahlkampf anschauen, tragen auf einmal alle den Klimaschutz im Herzen und im Programm. Wozu braucht es denn jetzt noch ein Klimavolksbegehren?

Katharina Rogenhofer: Damit Versprechen auch zu Taten umgesetzt werden. Hinter einem Volksbegehren können sich alle versammeln; Parteien kommen immer mit einem ganzen Paket – Sozialpolitik, Gesundheitspolitik und so weiter. Sich dafür zu entscheiden ist schwieriger, als sich geschlossen hinter ein Thema zu stellen wie beim Klimavolksbegehren. Wir kommen vielleicht auch an Menschen heran, die das Thema vielleicht bis jetzt noch nicht erreicht hat.

Sie planen erst nach der Wahl Unterstützungserklärungen und Unterschriften zu sammeln. Wäre es nicht sinnvoll, das vorzuziehen, um das Thema im Wahlkampf präsent zu halten?

Wir werden das Thema im Wahlkampf präsent halten. Eine unserer Aufgaben über den Sommer wird sein, uns politisch zu positionieren Aber wir wollen vor allem nach der Wahl Druck machen: Alle Parteien beziehen sich auf Klimaschutz, das ist gut und schön, aber wir werden ihnen danach auf die Finger schauen. Wir tragen die Stimmen der österreichischen Bevölkerung ins Parlament, um Handlungen zu sehen und nicht nur Versprechen.

Gerade das ist bei bisherigen Volksbegehren oft nicht passiert. Es gibt eine kurze Nationalratssitzung, dort wird diskutiert, dann verschwindet das Begehren in einer Schublade. Wieso glauben Sie, dass das beim Klimavolksbegehren nicht passieren wird?

Weil der Druck immer größer wird. Wir sehen Leute, die auf die Straße gehen, es gibt das Volksbegehren, Parteien beziehen sich darauf, das Thema ist medial präsent und wird immer größer. Nichts zu machen wird keine Option mehr sein.

Sie sind jetzt gerade in einer Crowd-Funding-Kampagne für das Volksbegehren. Warum sollte man Sie unterstützen?

Wie wir mit der Klimakrise umgehen, hat Auswirkungen, wie die nächsten 20, 30, 40 und 100 Jahre ausschauen. Wir sehen, dass die Klimaveränderungen bereits zu Katastrophen in der ganzen Welt führen; zu Dürre und Ernteausfällen und auch zum Waldsterben in Österreich. Es braucht eine breite Unterstützung von allen, denen eine gute Zukunft am Herzen liegt.

Wenn Ihre Forderungen umgesetzt werden sollten – was würde sich in Österreich verändern?

Ziemlich viel. Die ganze Art, wie wir leben. Wenn wir uns die Verkehrs- und Energiewende anschauen, dann betrifft das viele Lebensbereiche: Wie bauen wir öffentlichen Nah- und Fernverkehr breit aus und machen ihn gleichzeitig leistbar für alle? Wie sehen die Städte der Zukunft aus? Wo gibt es Grünflächen in der Stadt, um die Hitzepole abzufedern? Wo beziehen wir unsere Energie her und ist die regional produziert? Wird bei jedem Gesetzesentwurf das Klima mitberücksichtigt?

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Wir sitzen hier bei Kaffee und Tee; die wachsen nicht in Österreich. Werden wir das in zehn oder zwanzig Jahren noch haben?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, es wird immer eine Form von internationalem Handel geben, aber es ist auch eine Frage, wie dieser Handel stattfindet. Zotter hat zum Beispiel beim Transport von Kakao auf Segelboote umgestellt. Das ist noch teuer, weil es nicht in einer Menge wie bei Frachtschiffen stattfindet, aber da muss man sich ganz klar Gedanken machen, wie wir in Zukunft Produkte transportieren wollen und wie Handel aussieht. Wir müssen auch schauen, was wir in Österreich produzieren können und ein bisschen regionaler werden.

Eine Ihrer Forderungen ist, dass ein Ausstieg aus Gas, Öl, fossilen Energieträgern stattfinden muss. Was bedeutet das für die Hunderttausend Menschen, die eine Gasheizung zu Hause haben?

Ich kann natürlich nicht von heute auf morgen Gasheizungen verbieten und die ersetzen. Es muss weiter gezielte Förderprogramme geben, um die Umstellung zu ermöglichen. Generell werden wir nachdenken müssen, wie wir heizen, wie wir unsere Transportmittel antreiben, wo wir Strom für unsere elektrischen Geräte herbekommen.

Der Bundesrat hat jetzt schon dafür gestimmt, der Nationalrat wird wohl im Herbst den „Klimanotstand“ ausrufen – eine Forderung der „Fridays for Future“-Bewegung, die Sie mit nach Österreich gebracht haben. Sind Sie damit zufrieden?

Es ist ein erster Schritt, aber man muss sich die Anträge genau anschauen. Es gibt gute wie den von Traiskirchen, an dem „Fridays for Future“ direkt mitgearbeitet hat. Da hat sich die Gemeinde verpflichtet, den CO2-Ausstoß zu messen und bis 2030 auf netto null zu kommen, was sehr ambitioniert ist. Wenn das unkonkret bleibt, hilft es nicht und ist nur Symbolpolitik.

Werden Sie die Parteiprogramme kommentieren?

Ja, das ist ein großes Ziel über den Sommer, aufzuzeigen, wo es gute Ansätze gibt und auch aufzuzeigen, welche Ansätze wir nicht so sinnvoll finden.

Ist das taktisch gescheit, wenn man sich so politisch exponiert? Das Klimavolksbegehren wurde ursprünglich von einer Grünen ins Leben gerufen, scheint sowieso aus einer Ecke zu kommen.

Mittlerweile sind wir vollkommen parteiunabhängig und unsere Arbeit findet breiten Anklang. Es gibt überall gute und weniger ambitionierte Ideen. Wenn wir uns den Wiener Gemeinderatsbeschluss zum Klimaschutz anschauen, dann bin ich damit auch nicht zufrieden. Wir haben eine rot-grüne Regierung, die sagt, sie wollen bis 2050 im Verkehr auf netto null sein und bis 2050 minus 85 Prozent der Treibhausgase reduzieren: Das ist viel zu wenig.

Momentan ist die Welt auf dem Kurs, die Paris-Ziele zu verfehlen. Glauben Sie, dass wir es schaffen?

Ich glaube schon daran, denn sonst würde ich nicht dafür kämpfen, sondern mich unter der Decke verkriechen. Aber ja, an manchen Tagen ist es schwerer als an anderen, wenn sich etwa die EU nicht auf 2050 einigen kann, obwohl Prognosen zeigen, dass zum Kipppunkt nur noch fünf Jahre Zeit bleiben. Dann denk ich mir, fünf Jahre, das ist eine Legislaturperiode, wie soll sich das ausgehen? Andererseits war Klima noch nie so Thema. In Umfragen finden 20 Prozent der Österreicher, das sei das wichtigste Thema, noch vor Asyl und Migration; da schöpfe ich Mut.

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Worauf verzichten Sie persönlich, um das Klima zu retten?

Das ist etwas, was die Leute bei „Fridays for Future“ immer als Erstes gefragt werden: Wir müssten zuerst auf unser Handy verzichten, dürften nicht mehr auf Urlaub fliegen, erst dann dürfen wir auf die Straße gehen. Ja, ich habe in England studiert und bin immer mit dem Zug dorthin gefahren. Allerdings ist das viel teurer und es dauert länger. Es ist gut, dass ich mich dafür entscheiden kann, aber mir ist wichtig, dass jeder den politischen Aspekt dahinter erkennt. Ich kann nicht entscheiden, wie viel Flüge und wie viel Züge kosten – das ist eine politische Entscheidung. Ich will das nicht kleinreden – jeder einzelne Beitrag ist wichtig, aber was wir jetzt brauchen, sind die großen Hebel und die muss die Politik setzen. Das kann nicht jeder Einzelne von uns machen.

Fliegen muss teurer werden?

Der erste Schritt muss sein, Züge und öffentlichen Verkehr billiger zu machen. Das ist natürlich auch eine Frage der Besteuerung: Wenn Kerosin gar nicht besteuert wird, dann können sich auch alle Autofahrer aufregen. Die Autofahrer werden individuell mehr besteuert als ein Flugzeug, das mit Kerosin fliegt. Warum?

Wie viele Unterschriften wollen Sie denn erreichen?

Eigentlich sollten alle Österreicher und Österreicherinnen, die können, unterschreiben, weil ich glaube, dass es das dringlichste Thema unserer Zukunft ist und dass da alle dahinterstehen müssen. Ich sag jetzt ganz polemisch: Auf einem toten Planeten wird es keine Arbeitsplätze und keine Wirtschaft geben.