"Das aktuelle Gesundheitssystem ist eine sozialpolitische Errungenschaft, die man in Österreich bereits sehr früh geschafft hat.“ Diesen Satz schickt Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker im Gespräch mit der Kleinen Zeitung voraus. Doch der Umstand, dass wir immer älter werden, bringe das System im Hinblick auf die Pflege ins Wanken.

Die Ökonomin sieht hier drei Problembereiche. „Erstens werden Gesundheit und Pflege in Österreich nicht als das gesehen, was sie sind – ein Kuppelprodukt.“ Fortschritte in der Medizin hätten dazu geführt, dass wir schwere Krankheiten deutlich öfter überleben und dank guter Versorgung ein höheres Alter erreichen. Damit steigen die Ausgaben für die Gesundheitsleistungen, die man dadurch über einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme, erklärt Hofmarcher-Holzhacker. „Hier muss man überlegen: Was kann ich tun, um die Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern und welche Strukturen muss ich schaffen, um dieser Entwicklung begegnen zu können?“

Mangel an Pflegekräften

Ein zweiter Punkt sei die Frage nach den personellen Ressourcen. „Erhebungen haben gezeigt, dass wir bis 2030 zusätzlich 1.000 Ärzte und 22.000 Beschäftigte im Pflegebereich bräuchten.“ Hier gebe es deutlichen Nachholbedarf, vor allem bei der Bezahlung. „Der Beruf muss attraktiver gemacht werden.“ Sich auf die Arbeitskräfte aus dem Ausland zu verlassen, sei langfristig nicht genug. „Das steigende Lohnniveau in unseren Nachbarländern sorgt dafür, dass viele dort bleiben. Dafür kommen Frauen aus Rumänien oder Bulgarien nach Österreich. Das sind lange und teure Wege.“

Ein drittes Problemfeld sei die Versorgung außerhalb der Spitäler. „Zwar gibt es seit Langem die Doktrin, dass man diese Versorgung ausbaut – Stichwort Primärversorgungszentren. Aber vor allem am Land geht es nach wie vor nur schleppend voran.“

Machtverlust und viel Geld

Die Behebung all dieser Problemfelder kostet Geld – viel Geld. Das räumt auch die Ökonomin ein. Aber: „Es kommt darauf an, wie man die Mittel einsetzt. Derzeit gibt es keine gesamtheitliche Planung.“ Dabei erkenne sie hier unter gegebenen Umständen sogar einen gewissen finanziellen Spielraum. „Aber nur, wenn man es auf der regionalen Ebene schafft – und das wäre eine Glanzleistung –, dass die regionalen Strukturpläne, der Stellenplan und der Pflegebedarfsplan gemeinsam gedacht werden. Dann könnte man überlegen: Wo braucht es mehr Heime, wo 24-Stunden-Betreuung.“ Doch das bedeute auch Machtverlust für einzelne Organisationen. „Hier muss man hartnäckig sein. Es geht immerhin um viel Steuergeld.“

Ein Blick in die Vergangenheit zeige: „Keine der bisherigen Regierungskonstellationen hat es geschafft, dieses Thema mit Weitblick und ganzheitlich anzugehen.“ Mit kleinen Maßnahmen wie der Erhöhung des Pflegegeldes versuche man immer wieder nur, den Druck herauszunehmen. Hofmarcher-Holzhacker räumt ein: „Es handelt sich hier um neue Herausforderungen in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Aber es braucht einen Plan, damit wir uns das leisten können.“