Der Nationalrat hat am Mittwoch mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der Liste Jetzt die vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode und damit vorgezogene Neuwahlen beschlossen. Einen konkreten Wahltermin gibt es noch nicht, durch einen rot-blauen Abänderungsantrag, der das Gesetz erst am 3. Juli in Kraft treten lässt, ist der 29. September aber so gut wie fix.

Auch die fraktionslosen Abgeordneten Efgani Dönmez und Martha Bißmann unterstützten den Neuwahlantrag. Nun ist die Bundesregierung am Zug. In einer Ministerrats-Verordnung muss sie im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats den Neuwahl-Termin festlegen.

Zahlreiche Gesetzesinitiativen

Die Sitzung des Nationalrats am heutigen Mittwoch zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass so viele Gesetzesinitiativen wie noch selten eingebracht werden und deren Erfolgschancen mangels handlungsfähiger Koalition schwerer einzuschätzen sind als üblich.

Eine Vorentscheidung wird schon am Ende der Sitzung fallen, denn dann wird per Fristsetzungsantrag bestimmt, ob die Materie bis zur Juli-Plenarwoche vom zuständigen Ausschuss behandelt werden muss. Jene Initiativen, die schon bei diesem Votum scheitern, haben realistischerweise auch keine Chance, vor der Wahl umgesetzt zu werden.

Rauchverbot scheint fix

Dem Rauchverbot in der Gastronomie steht kaum noch etwas im Weg. Die ÖVP hat sich mit den früheren Oppositionsparteien darauf verständigt, am Ende der heutigen Sitzung des Nationalrats einem entsprechenden Fristsetzungsantrag zuzustimmen, womit das Thema im Juli-Plenum abgehandelt werden kann.

Die Volkspartei wartet mit der Zustimmung zum Gesetz an sich noch formal ab, weil sie zunächst den VfGH-Entscheid zu dem Thema sehen will, der schon in den kommenden Wochen vorliegen könnte. Grundsätzlich hat man sich aber auf ein Agreement verständigt, dass das Verbot mit 1. November in Kraft treten kann.

Papa-Monat

Der Papa-Monat wird bereits am Donnerstag beschlossen.

Aus für Abdullah-Zentrum beschlossen

Im Nationalrat gibt es eine Mehrheit dafür, dass Österreich aus dem umstrittenen König-Abdullah-Zentrum aussteigt. Einer entsprechenden Initiative der Liste JETZT traten am Mittwoch alle Fraktionen außer der ÖVP bei. Die ÖVP forderte aber kurz darauf in einem eigenen Antrag die Einleitung von Schritten zur Schließung. Das Außenministerium sicherte zu, den Beschluss umzusetzen.

"Es gibt einen klaren Beschluss des Nationalrates, der umzusetzen ist", verlautete am Mittwoch aus dem Außenministerium gegenüber der APA. Außenminister Alexander Schallenberg "hat bereits die Prüfung aller rechtlich notwendigen Schritte beauftragt". "Er wird dafür Sorge tragen, dass die Umsetzung ohne Schaden für Österreichs außenpolitische Interessen und im Rahmen der internationalen Gepflogenheiten erfolgt", teilte das Außenministerium weiter mit. Dieses hatte in der Vergangenheit in einer Expertise darauf hingewiesen, dass ein sofortiger Ausstieg Österreichs aus dem Zentrum nicht möglich ist.

Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) ist in Wien am Schottenring beheimatet und wird großteils von Saudi-Arabien finanziert.

Vom Abgeordneten Peter Pilz vorgebrachter Anlassfall ist die drohende Hinrichtung eines 18-Jährigen in Saudi-Arabien, der wegen Teilnahme an einer Demonstration für Menschenrechte seit fünf Jahren in Haft sitzt. Ihm wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.

In dem vom Nationalrat angenommenen Entschließungsantrag wird Außenminister Alexander Schallenberg nicht nur aufgefordert, mit allen diplomatischen Mitteln für eine Freilassung des jungen Mannes zu kämpfen, vielmehr wird auch ein Ende der Zusammenarbeit mit dem Abdullah-Zentrum verlangt. Konkret sollte Österreich sowohl vom Errichtungs- als auch vom Amtssitzabkommen zurücktreten.

Verbindlich ist dieser Entschließungsantrag freilich nicht und hat zumindest fürs erste allenfalls symbolische Bedeutung. Die entsprechenden Abkommen, die die Etablierung des "Dialogzentrums" ermöglichten, waren 2012 vom Nationalrat abgesegnet worden.

Verbot für Wahlzuckerl und Plastiksackerl

Seitens der ÖVP wird unter anderem der Vorschlag eingebracht, dass sich der Nationalrat per Verfassungsgesetz bindet, keine teure Wahlzuckerl zu beschließen. Die entsprechende Initiative hat so gut wie keine Chancen auf Zustimmung. Ferner von der ÖVP eingebracht werden drei Gesetzesänderungen zur Reform der Parteienförderung, etwa mit einem Frauenförderungsfaktor. Ebenfalls auf den Weg bringen will die Volkspartei das Plastiksackerl-Verbot. Erst am Donnerstag dürfte der Antrag zur Erhöhung der Mindestpensionen zur Abstimmung kommen.

Die SPÖ hat zwei Initiativen mit einer Fristsetzung morgen versehen. Das heißt, gibt es dafür eine Mehrheit, könnten bereits am Donnerstag der Rechtsanspruch auf einen "Papa-Monat" sowie eine Entgeltzahlung für freiwillige Helfer (auf Kosten der öffentlichen Hand) tatsächlich beschlossen werden. Ob es tatsächlich so schnell gehen wird, ist fraglich.

Glyphosat-Verbot

So gut wie fix durch ist hingegen der SPÖ-Antrag auf ein Glyphosat-Verbot, nachdem die FPÖ ihre Zustimmung angekündigt hat. Der endgültige Beschluss ist freilich erst für Juli vorgesehen. Ferner mit Fristsetzung Juli versehen werden die Übernahme von Leiharbeitern in die Stammbelegschaft sowie eine volle gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten.

Die NEOS werden per Fristsetzung einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt beantragen. Weiters auf der pinken Agenda findet sich etwa ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff. Die Liste Pilz ist jene, die es mit den meisten Anträgen versucht. Das Themen-Spektrum ist breit und geht vom Informationsfreiheitsgesetz bis zur Pflegegeld-Valorisierung.

Vermutlich ebenfalls noch heute, spätestens am morgigen Donnerstag per Fristsetzung behandelt wird jener Vier-Parteien-Antrag zum Rauchverbot in der Gastronomie. Auch die Initiative, Wasser vor Privatisierung per Verfassungsgesetz zu schützen, hat Chancen auf Erfolg.

Kritik an ÖVP

Die ÖVP hat nach ihrem Vorschlag zur Reform der Parteifinanzierung vorerst nur Kritik geerntet. So konstatierte NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak am Mittwoch in einer Aussendung, dass es der ÖVP nur um das "Fortführen ihrer Showpolitik" gehe. Gar nicht auf den Vorschlag ging SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ein, die stattdessen Aufklärung über die Wahlkampffinanzierung der ÖVP verlangte.

Die ÖVP schlägt vor, dass die Bundesparteien künftig weniger öffentliches Geld bekommen und die Besetzung von Mandaten durch Frauen gefördert wird. Nicht vorgesehen ist eine Spendenobergrenze, wie sie von den anderen Parteien gefordert wird.

"Der ÖVP geht es hier weder um Transparenz, noch um eine Kürzung der Förderungen", meinte Scherak dazu. Die "großen Fragen" würden nicht einmal angeschnitten. Die NEOS fordern unter anderem scharfe Sanktionen bei der Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze, originäre Einsichtsrechte des Rechnungshofes, einen Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung und die Einrechnung aller Vereine und Vorfeldorganisationen in die Rechenschaftsberichte der Parteien.

Unterstützung für neue Regierung

Sämtliche Parlamentsparteien haben der neuen Regierung nach deren Erklärung im Nationalrat ihre Unterstützung zugesichert. Ansonsten wurde allseits ein wenig Vorwahlkampf betrieben. Sämtliche Fraktionen machten klar, dass es noch vor der Wahl diverse Beschlüsse geben sollte, die aber nicht allzu viel Geld kosten dürften.

Die gerade aus einer Koalition mit der FPÖ geschiedene ÖVP wurde nicht müde, vor einem rot-blauen Pakt zu warnen, der sich etwa beim späten Wahltermin gezeigt habe, wie Klubchef August Wöginger ausführte. Dem konterte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Dass die ÖVP vor einer langen Wahlkampagne warne, wundert ihn, sei diese doch die einzige Partei die ihren Wahlkampf bereits gestartet habe.

Lob für Bierlein und Van der Bellen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich wiederum verzückt vom Kabinett Bierlein, hätte dieses doch bereits gezeigt, dass ihr Ansatz einer Experten-Übergangsregierung bis zur Wahl der richtige gewesen sei. Ausdrücklich dankte die rote Spitzenkandidatin neben Kanzlerin Brigitte Bierlein auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der seiner Verantwortung für das Land gerecht geworden sei.

Hofer streute speziell der Übergangs-Regierungschefin Rosen. Diese sei wahrscheinlich die kompetenteste Persönlichkeit an der Spitze einer Bundesregierung, seit er in der Politik sei. Ohnehin stünden Show und Schauspiel ansonsten zwischen den Parteien zu sehr im Vordergrund, fand der designierte FPÖ-Obmann auch sein Gutes an einer Periode ohne Parteipolitiker in der Regierung.

Beschließen wollen die Parteien bis September noch so einiges, etwa auch das Rauchverbot in der Gastronomie, was den Freiheitlichen missfällt. Hofer wies darauf hin, dass seine Partei im Gegensatz zur ÖVP aus Glaubwürdigkeitsgründen eben keine beschlossenen Gesetze rückgängig mache.

"Casino-Parlamentarismus"

Wöginger warnte indes vor einem "Casino-Parlamentarismus", der sündteure Wahlzuckerl zur Folge hätte. Freilich will auch die ÖVP Beschlüsse fassen wie eine Anhebung der Mindestpensionen oder den Ausbau der Ganztagesschulen. Wichtig ist der Volkspartei auch das Verbot der Plasticksackerl.

Seitens Rendi-Wagners hervorgehoben wurde der SP-Wunsch nach einem Verfassungsgesetz, das Wasser vor Privatisierung schützt. Dazu kommen das Verlangen nach einer Entgeltfortzahlung für freiwillige Helfer sowie eine reformierte Parteienfinanzierung, die übrigens alle Fraktionen wollen.

Ansonsten kamen diverse Partikularwünsche zu Tage, etwa von der FPÖ an den neuen Verteidigungsminister, die Sistierung des Projekts Sicherheitsschule zu überdenken. Die Liste JETZT forderte Maßnahmen zum Klimaschutz. Diese seien ein Wahlzuckerl zum Nulltarif, wie der geschäftsführende Klubobmann Wolfgang Zinggl befand. NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger wiederum sprach von der Verantwortung, nichts das Budget belastendes zu beschließen. Bedauerlich ist für sie, dass in der laufenden Gesetzgebungsperiode nichts getan wurde, um das Pensionssystem abzusichern.

Bierlein: "Das Vertrauen der Menschen gewinnen"

Brigitte Bierlein, die neue Kanzlerin, hat ihren ersten großen Auftritt im Parlament. Sie wird sich im Beisein von Vizekanzler Clemens Jabloner und ihren Ministern von der Regierungsbank aus an die 183 Abgeordneten und die breitere Öffentlichkeit wenden.

Bierlein begann in ihrer Rede damit, dass sie selbst nicht damit gerechnet hätte, als erste Bundeskanzlerin eine Erklärung abzugeben. Sie habe diese Aufgabe mit Demut angenommen und wolle den Mitgliedern der Regierung danken, die diese Aufgabe ebenfalls angenommen haben. Der Weg aus dem Verfassungsgerichtshof sei ihr nicht leicht gefallen, "das können Sie mir glauben".

"Wir haben kein Wahlprogramm abzuarbeiten, wir haben keine Versprechen einzulösen", aber diese nicht direkt gewählte Regierung habe die Aufgabe, die Sicherheit für die Menschen in diesem Land zu gewährleisten. "Wir werden das Vertrauen der Menschen in diesem Land zu gewinnen suchen", zudem wolle man "auf tagespolitisches Kalkül verzichten" und sparsam sein.

"Einigkeit zeigen"

Bierlein appellierte zudem an die Abgeordneten, "Einigkeit zu zeigen". Sie freue sich auf eine gute Zusammenarbeit und beendete ihre Rede.

Im Anschluss war Vizekanzler Clemens Jabloner am Wort. Er beteuerte, Bierlein als Vizekanzler "stetig zu unterstützen". Er habe das Amt mit Zuversicht "und großer Heiterkeit" übernommen und bat die Abgeordneten um ihr Vertrauen.

"Dienerin im Staat"

Bierlein skizziert damit einmal mehr ihr Amtsverständnis, das sich radikal von jenem bisheriger, gewählter Bundeskanzler unterscheidet: Sie versteht sich als erste Dienerin im Staat, die im Sinn einer Übergangsregierung keine politische Initiativen setzt, keine personellen Weichenstellungen vornimmt, keine Großprojekte beschließt, sondern in erster Linie das reibungslose Funktionieren des Staates garantiert. „Ich möchte Ihnen, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, versichern, dass Ihnen alle Dienstleistungen des Staates uneingeschränkt und in höchster Qualität zur Verfügung stehen werden“, lautete der Kern ihres Statement unmittelbar nach der Angelobung. In der Erklärung beteuerte die 69-jährige Ex-Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, dass sie sich dem Allgemeinwohl verpflichtet fühle, auf eine höchst sparsame Amtsführung setze, in Demut ihre Aufgabe wahrnehmen wolle.

Neue Abgeordnete angelobt

Zu Beginn der Nationalratssitzung am Mittwoch sind fünf ÖVP-Abgeordnete angelobt worden. Es sind dies die drei ausgeschiedenen Regierungsmitglieder Juliane Bogner-Strauß, Elisabeth Köstinger und Josef Moser sowie die beiden niederösterreichischen Mandatare Lukas Brandweiner und Christian Stocker.

Ausgeschieden sind Angela Fichtinger, Franz Hörl, Angelika Kuss-Bergner, Johann Rädler und Josef Smolle. Köstinger fungiert auch als Klubobmann-Stellvertreterin, ebenso wie die künftige Europaabgeordnete Angelika Winzig.