Wo und wie die Debatte ihren Anfang genommen hat, ist unklar. In den letzten zwei Tagen machten in Wien Gerüchte die Runde, die Tage von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner seien gezählt. Der langjährige Medienmanager Gerhard Zeiler stehe in den Startlöchern, über Pfingsten könnte der Wechsel über die Bühne gehen.

Heute Nachmittag trifft sich die Partei zu einer Krisensitzung. Als Thema wird offiziell die Vorbereitung der Nationalratswahl genannt, es dürfte aber wohl auch um die fatale Kommunikation nach außen gehen. Zuvor hat SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda in einem internen Mail an Parteifunktionäre die Gerüchte um eine mögliche Ablöse von Rendi-Wagner als "haltlose Spekulationen" zurückgewiesen.

Spitzenvertreter der SPÖ haben sich bereits am Mittwoch zu einem Krisengespräch in Wien getroffen. Laut APA-Informationen ging es angesichts der schlechten Umfrageergebnisse für die Sozialdemokraten um die strategische Aufstellung und Ausrichtung der Partei vor der Nationalratswahl im September.

"Gerüchte und Spekulationen"

In dem der APA vorliegenden Mail an die Parteifunktionäre erklärt Drozda: "Die Gerüchte und Spekulationen um Gerhard Zeiler entbehren jeglicher Grundlage. " Erst gestern habe der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky Rendi-Wagner in einem persönlichen Gespräch Unterstützung zugesichert. Zuletzt war kolportiert worden, dass der Medienmanager zur Übernahme der Parteiführung bereit sei, sein Sprecher dementierte aber angebliche Gespräche darüber. Vranitzky hatte sich vor der Wahl von Christian Kern für Zeiler als Parteichef stark gemacht.

Die Debatte kommt nicht aus heiterem Himmel – im Gegenteil. In weiten Kreisen der SPÖ herrschen Resignation und Frustration über die Lage der Partei. Dass die SPÖ unter Rendi-Wagner auch nur einen Funken Chance habe, bei den Herbstwahlen ÖVP-Chef und Ex-Kanzler Sebastian Kurz vom Thron zu stoßen, glaubt niemand.

Dass die ehemalige Kanzlerpartei im Rennen ums Kanzleramt kaum Chancen besitzt, das gab es zuletzt 2002 nach dem Kollaps der FPÖ in Knittelfeld. Das dürftige Ergebnis bei den EU-Wahlen und drei unterschiedliche Umfragen, die die SPÖ 18 bzw. 15 bzw. 14 Prozentpunkte hinter der ÖVP sehen, verstärken den Frust.

Medienberichte, wonach einer der Rendi-Wagner-Berater mehr als 20.000 Euro verdient, sorgen, wie ein hoher SPÖ-Funktionär unter dem Mantel der Verschwiegenheit erzählt, für „schwere Verstimmung an der Basis“. Noch dazu habe dieser bereits Rudolf Hundstorfer, der bescheidenste elf Prozent bei den Präsidentschaftswahlen einfuhr, beraten.

Zeiler lässt die Kleine Zeitung wissen: „Es hat mich niemand angerufen, also stellt sich die Frage nicht.“ Mehr ist ihm nicht zu entlocken. In seinem weitesten Umfeld ist allerdings zu erfahren, dass der langjährige ORF-General und heutige Chef von Turner Broadcasting International, dem auch CNN gehört, durchaus zur Herausforderung bereit wäre, allerdings kaum mit einer Übersiedlung nach Wien rechne. „Der Eindruck ist eher, die SPÖ verfährt nach dem Motto: Augen zu und durch.“ Viele der SPÖ-Granden würden „die Berechenbarkeit der jetzigen Situation einer Unberechenbarkeit unter Zeiler, der wie Kurz in der ÖVP sicherlich schmerzhafte personelle Forderungen stellen würde, vorziehen“.

Ein anderer SPÖ-Insider meint: „Die Parteilogik deckt sich nicht immer mit dem, was logisch ist.“ Die Parteikader seien oft Gefangene ihres Selbstverständnisses. Er gehe davon aus, dass Rendi-Wagner zu 50 Prozent Parteichefin bleibe. Bessere Chancen als Zeiler räume er Nationalratspräsidentin Doris Bures ein.

Wachablöse?

Offiziell will niemand über eine mögliche Wachablöse spekulieren. So hält Kärntens Parteichef Peter Kaiser mehr denn je an Rendi-Wagner fest und bietet der Bundespartei die Expertise aus Kärnten als möglichen Ausweg an. Kaiser erinnert die aktuelle Situation auf Bundesebene an seine eigene Position vor den Landtagswahlen 2013. Damals sei seine Spitzenkandidatur auch heftig kritisiert worden. Er sei zu intellektuell und zu wenig leutselig, lautete die Kritik. Und trotzdem habe er die Wahl mit großem Abstand gewonnen.

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer sieht aktuell nicht einmal „ansatzweise“ eine Diskussion um eine mögliche Kandidatur von Zeiler. Er kenne Zeiler persönlich nicht, wisse aber, dass er „sein Leben lang Kanzler werden wollte“. Zeilers Kandidatur wäre „eine Antwort aus dem 20. Jahrhundert“. Er setze ganz auf die „künftige Kanzlerin“ Rendi-Wagner.

Lercher fordert Themendiskussion

Der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher hat am Donnerstag auf APA-Nachfrage einen Appell für Themen an seine Partei gerichtet: "Wir sollten uns auf Inhalte fokussieren. Es interessiert keinen Wähler, was wir hier gerade über die Medien diskutieren." Pamela Rendi-Wagner sei die gewählte Parteivorsitzende, für sie habe man sich bewusst entschieden.

Er selbst werde als Spitzenkandidat "des zweitgrößten Regionalwahlkreises Österreichs" bei der Nationalratswahl antreten und weiterhin bei der Leykam arbeiten. Für eine Unterstützung bei der Wahlkampagne in Wien winkte er ab: "Das geht sich nicht zusätzlich aus." Weitere Wortspenden enthalte er sich: "Ich will kein Balkonmuppet sein."

Gerstorfer: "Völlig aus der Luft gegriffen"

Für die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer sind die Diskussionen um eine eventuelle Ablöse von Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner oder einen Einstieg von Gerhard Zeiler "völlig aus der Luft gegriffen", wie sie auf APA-Anfrage am Donnerstag sagte.

In jenem Umfeld, mit dem sie sich unterhalten habe - "und das sind einige" - habe niemand Interesse daran gezeigt, diese Diskussion zu führen, geschweige denn, dass Rendi-Wagner abgelöst wird, betonte Gerstorfer. Ihr seien auch keine Absichten bekannt, Zeiler ins Boot zu holen, in welcher Funktion auch immer.