Die Würfel sind gefallen, die Suche nach einem Übergangskanzler, der bis in den Spätherbst die Regierungsgeschäfte leitet, ist abgeschlossen: Die amtierende Verfassungsgerichtshof-Präsidentin Brigitte Bierlein wird zur ersten Bundeskanzlerin in der Geschichte Österreichs ernannt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sie um 15 Uhr in der Hofburg offiziell vorgestellt. Die Kleinen Zeitung hatte von den Gerüchten schon vorab als erstes berichtet. Bierlein erhält jetzt den Auftrag zur Regierungsbildung. Bierleins Regierung wird die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Nationalratswahl im Herbst führen. 

Auch weitere Mitglieder der Übergangregierung stehen bereits fest. Wie Bierlein in ihrer ersten gemeinsamen Stellungnahme mit dem Bundespräsidenten bekannt gab, soll der frühere VwGH-Präsident Clemens Jabloner Vizekanzler und Justizminister werden.

Botschafter Alexander Schallenberg, derzeit Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt und enger Mitarbeiter von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ist laut Bierlein als Außen- und Europaminister vorgesehen. Weitere Persönlichkeiten für die übrigen Ministerien werde sie in den kommenden Tagen benennen. Gespräche mit erfahrenen Personen aus der Verwaltung würden nun unmittelbar beginnen.

Die 69-jährige Wienerin soll an der Spitze einer reinen Beamtenregierung, die aus Sektionschefs besteht, bis in den Herbst die Amtsgeschäfte führen. Die Leitung des Verfassungsgerichtshofs übernimmt in der Zwischenzeit der Grazer Universitätsprofessor Christoph Grabenwarter, der im VfGH Bierleins Stellvertreter ist.

Ob bereits am Freitag oder erst am Montag die neue Regierung angelobt wird, steht noch in den Sternen. Am Dienstag löste Hartwig LögerSebastian Kurz als Bundeskanzler ab. Bei einer Ablöse am Freitag wäre Löger 72 Stunden, bei einer Übergabe am Montag sechs Tage Kanzler. FPÖ-Chef Norbert Hofer war am Donnerstag der erste Parteichef, der den Deal angedeutet hatte: "Man hat sich auf einen Namen verständigt", so Hofer nach einer Unterredung beim Bundespräsidenten.

Einzelgespräche mit Kurz, Hofer, Rendi-Wagner

Offen war zunächst, ob Van der Bellen die betreffende Person noch am Donnerstag oder doch erst am Freitag präsentieren würde. Auch die weiteren Kabinettsmitglieder stünden noch nicht fest. Vor Hofer hatte der Bundespräsident auch Einzelgespräche mit Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner geführt.

Nicht nur Hofer, sondern auch Kurz und Rendi-Wagner nannten nach ihren Gesprächen in der Präsidentschaftskanzlei keine Namen: Es sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es reihum.

Telefonischer Kontakt mit NEOS und JETZT

Lange dürfte es bis zur Namensverkündung nicht mehr dauern, ließ Hofer gegenüber den wartenden Journalisten durchblicken. Man könne aber ruhig noch Mittagessen gehen. Dem Vernehmen nach sollten die Parteichefs der NEOS und von JETZT nicht mehr in der Präsidentschaftskanzlei kommen; hier war von einem telefonischen Kontakt die Rede. Zumindest jenes mit NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger soll schon stattgefunden haben.