Selten noch waren die Dinge innenpolitisch so im Fluss wie in diesen Stunden. Beim Bundespräsidenten gaben sich in den Nachmittagstunden die Spitzenpolitiker die Klinke in die Hand: Kanzler Sebastian Kurz,  Innenminister Herbert Kickl, die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, der designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer waren zu Einzelterminen bei Alexander Van der Bellen geladen. Der Kanzler traf dann den Innenmininister und auch Hofer.

Wohin die Reise geht? Sofern nicht Überraschendes passiert, dürfte der Bundespräsident noch im Laufe des heutigen Abends oder am Dienstag den Innenminister entlassen. Eine solche Entlassung wäre eine Österreich-Premiere, normalerweise erklären Politiker aus freien Stücken ihren Rücktritt. Aus Solidarität mit Kickl werden dann auch alle FPÖ-Minister ihr Amt zurücklegen. In einigen Ministerien wurden bereits am Nachmittag die Kartons gepackt - für den Fall der Fälle.

Große Vorhaben liegen auf Eis

In der FPÖ wird allerdings versichert, dass man an einem "geordneten,  Übergang" interessiert sei, also nicht alles hinschmeißen werde. Generell herrscht in der FPÖ großes Unverständnis über die Abberufung des Innenministers. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus hätten nach Auffliegen der verhängnisvollen Ibiza-Ausflugs umgehend die  Konsequenzen gezogen. "Als die Affäre mit dem ÖVP-Mann Strasser aufflog (der EU-Parlamentarier bot in einem mit versteckter Kamera aufgenommenen Gespräch seine Dienste gegen Geld an), war auch nicht davon die Rede, dass der ÖVP-Innenminister damals gehen muss." Um dem hinzuzufügen: "Wir wären bereit gewesen, das türkis-blaue Reformprojekt umzusetzen", heißt es in FPÖ-Kreisen.

Mit dem Auszug aus der Regierung ist die Koalition Geschichte. In FPÖ-Kreisen weist man süffisant darauf hin, dass eine Fülle von Vorhaben dann auf Eis lägen. In einigen Punkten müssten sich die ÖVP um eine parlamentarische Mehrheit bemühen. So hätten im Juni die Budgetgespräche zur Erreichung des Nulldefizits in den nächsten Jahren begonnen, die Umsetzung der Steuer - oder auch der Kassenreform harre mehrerer Entscheidungen. Auch die Debatte über die Pflegereform sei im Gange.