Das hat sich der Wiener Bürgermeister womöglich etwas anders vorgestellt. Beim Landesparteitag wurde Michael Ludwig mit 90,8 Prozent der Stimmen als Wiener SPÖ-Vorsitzender wiedergewählt.Das ist kein berauschendes Votum, erwartet werden Ergebnisse um die 95 und mehr Prozent. Offenkundig hängt Ludwig noch die Kampfabstimmung im letzten Jahr um die Führungsposition in der Wiener SPÖ nach. Dabei setzte er sich mit 57 Prozent der Stimmen gegen seinen Konkurrenten und nunmehrigen EU-Wahl-Spitzenkandidaten Andreas Schieder durch.

Zum Vergleich: Sein Vorgänger Michael Häupl kam meist auf mehr als 90 Prozent Zustimmung. Erst bei seiner letzten Wahl 2017 stürzte er auf 77,4 Prozent ab, was damals wohl innerparteilichen Konflikten geschuldet war. Ludwig - damals noch als Wohnbaustadtrat - erhielt bei seiner letzten Wahl 2017 ins Parteipräsidium 67,8 Prozent.

Stellvertreter neu

Abgestimmt wurde heute auch über seine Stellvertreter, die zum Teil neu ins Gremium einzogen: Nationalratsmandatarin Ruth Becher, Stadträtin Kathrin Gaal, Gewerkschafter Christian Meidlinger sowie die beiden Neuzugänge, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und die Frauenvorsitzende Marina Hanke.  Becher kam auf 82,2 Prozent (2017: 78,7 Prozent), Gaal 90,9 Prozent (2017: 81,2 Prozent) und Meidlinger auf 91 Prozent (2017: 88 Prozent). Bures erhielt 83,5 Prozent der abgegebenen gültigen Delegiertenstimmen, Hanke 92,5 Prozent.

Heftige Debatte über Ess- und Alkoholverbot

Dem Votum gingen zum Teil heftige Debatte über das von der SPÖ eingeführten Essverbot in U-Bahnen und dem Alkoholverbot am Praterstern voraus.  Verlangt wurde sogar eine sofortige Abstimmung. Doch die Delegierten blieben dann doch auf Linie und folgten der Empfehlung der Antragskommission, die lautete: "Zuweisung an Gemeinderatsklub".

Die beiden Anträge zur Abschaffung der Verbote wurden von der Sozialistischen Jugend (SJ) und der Jungen Generation Wien eingebracht. Die Diskussion um die Verbote wurde durchaus hitzig geführt - allem voran von Gegnern der Maßnahmen. Marianne Hofbauer von der VSStÖ ärgerte sich beispielsweise: "Es ist reine Symbolpolitik. Anstatt sich damit zu beschäftigen, warum Menschen in Alkoholsucht verfallen, wird Symbolpolitik gemacht, die nur den Boulevard bedient." Dies sei der SPÖ nicht würdig. Auch das Essverbot in den U-Bahnen sei ein "unterschwelliger Ruf nach Disziplin" und verfolge nicht "das Ziel, Müll zu vermeiden", kritisierte sie.

Zur Verteidigung der städtischen Maßnahmen rückte Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) aus. Sie stellte klar, dass die gegenseitige Rücksichtnahme der Menschen in der Stadt durch den Speisenverzehr in der U-Bahn gelitten hätte. Früher hätten die Menschen nicht das Mittag- oder Abendessen in den Öffis verzehrt. Hinsichtlich des Alkoholverbots sprach Sima von einer "No-go-Area am Praterstern". Viele Wienerinnen und Wiener hätten sich abends nicht mehr alleine am Praterstern wohlgefühlt.

Ludwig aktiviert Kampfmaschine

Bürgermeister Ludwig hatte in seiner Rede am Vormittag am Landesparteitag  zu einem Rundumschlag gegen die türkis-blaue Bundesregierung ausgeholt und die Genossen auf Einigkeit sowie die Herausforderungen der Zukunft eingeschworen. Dazu will er die "Kampfmaschine SPÖ Wien" in Fahrt bringen, um den politischen Mitbewerbern zu zeigen, "was wir können".

Zu Beginn der mehr als einstündigen Rede hob Ludwig die Einigkeit in der Partei hervor: "Wenn man in den Saal hereinkommt, merkt man schon die Kraft unserer Bewegung." Er, Ludwig, habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche geführt: "Wir haben - wie wir in Wien sagen - uns ausg'redt. Das war gut und wichtig."

Ludwig ging in seiner Rede erwartungsgemäß auch mit der türkis-blauen Bundesregierung hart ins Gericht. Es dürfe keine Toleranz gegen Neofaschismus und Rechtsextremismus geben, mahnte er. "Wenn wir jetzt konfrontiert sind in einer Situation, wo man im Tagesrhythmus von sogenannten Einzelfällen hört, von der Nichtabgrenzung zum rechtsextremen Gedankengut", so müsse man sich fragen, welche Konsequenzen daraus abgeleitet würden.

Dabei wies Ludwig auf die von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) errichtete "roten Linie" hin, auf die der Regierungschef fast täglich hinweise. Da stelle sich die Frage nach der Wirksamkeit dieser roten Linie, so Ludwig: "Das Machtwort, das der Bundeskanzler spricht, das offensichtlich verhallt." Damit verknüpft sei auch die Frage: "Wer treibt wen? Die Bundesregierung die Rechtsextremen oder die Rechtsextremen die Bundesregierung?" Es bestehe Gefahr, dass sich das gesamte politische Spektrum aufgrund dieser Entwicklung immer stärker nach rechts entwickle, warnte er.

Kurz ging der Bürgermeister auch auf das Verhältnis der SPÖ zur FPÖ ein. Es gebe einen Kriterienkatalog auf Bundesparteiebene und einen "eindeutigen Beschluss der SPÖ Wien, dass mit dieser FPÖ in Wien keine Koalition einzugehen ist". Weiter: "Ich gehe davon aus, dass wir derzeit keine Veranlassung haben, von diesem Beschluss abzugehen."

Harsche Kritik gab es auch für das - von ihm als "hartherzig und unsozial" bezeichnete - neue Sozialhilfegesetz. In diesem Zusammenhang sicherte er der Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner seine Unterstützung zu, über den Bundesrat gegen das Gesetz vorzugehen. "Ich werde gleich am Montag die sozialdemokratischen Bundesräte aus Wien zu mir bitten, dass wir uns da gemeinsam verständigen." In Richtung Rendi-Wagner fügte er hinzu: "Du kannst sicher sein, wir stehen an deiner Seite, wie auch in allen anderen Fragen."

Eine weitere Zusicherung gab es auch für seinen einstigen Konkurrenten um den Bürgermeister-Sessel, den nunmehrigen EU-Wahl-Spitzenkandidaten Andreas Schieder, der ebenfalls anwesend war. "Lieber Andi, du kannst ganz sicher sein, wir stehen an deiner Seite und kämpfen um den ersten Platz in Wien."

In seiner Rede kritisierte Ludwig auch den Umgang der FPÖ mit den Medien, die von der Bundesregierung eingeführte Regelung für den Karfreitag und überhaupt die "unrichtigen Angriffe" der Bundesregierung auf Wien. Ebenso strich er die Wichtigkeit der Sozialpartnerschaft, der sozialen Gerechtigkeit und des respektvollen Umgangs der Menschen miteinander hervor.

Zum Abschluss gab er sich kämpferisch: "Wir haben schwere Monate vor uns." Es gebe starke Signale, dass ÖVP, FPÖ und auch NEOS in Zukunft einen sozialdemokratischen Bürgermeister verhindern wollen würden. "Ich kann euch eines sagen: Ich kann auch sehr ungemütlich werden." Vor allem dann, wenn es darum gehe, Angriffe gegen die Stadt abzuwehren. "Die SPÖ Wien ist eine Kampfmaschine", motivierte er schließlich seine Parteifreunde - diese solle nun in Fahrt gebracht werden. Das solle aber nicht aus einem Selbstzweck passieren, sondern: "Weil es uns darum geht, dass wir die Zukunft unsere Stadt bestimmen wollen. Denn 'Zusammen sind wir Wien'", spielte er auf das Motto des Parteitags an