Die Gewerkschaft hat am Freitag den ORF gegen die Kritik der FPÖ in Schutz genommen. "Irgendwann ist der Bogen überspannt", betonte Barbara Teiber, Chefin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), in einer Aussendung. Wie einzelne FPÖ-Politiker seit geraumer Zeit Journalisten des ORF attackierten, sei "verheerend und demokratiepolitisch höchst bedenklich".

Ähnlich sah das Gerhard Moser vom GPA-djp-Wirtschaftsbereich ORF und Töchter. "Inzwischen liegt eine ganze Liste von demokratiepolitisch bedenklichen und bedrohlichen Ausritten von FPÖ-Politikern gegen den ORF und seinen Mitarbeiter vor, die man weder einem Wahlkampf noch einem 'persönlich-politischen Naturell' sondern schlicht einer Taktik zuschreiben kann, die den unabhängigen Journalismus und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Lande sturmreif schießen will", meinte er.

Rücktrittsforderung an Stenzel

Empört über das Interview Armin Wolfs mit FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimskyzeigte sich die nicht-amtsführende Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel auf oe24.tv. Es sei "ungeheuerlich, ein Thema in einer Form zu bringen, die der FPÖ NSDAP- und Stürmer-Nähe unterstellt". Mit einem "solchen Verhörton" könne Wolf "ja in einem  Volksgerichtshof auftreten".

Als sie beim ORF begonnen hatte, hätte sie "so etwas - egal unter welchen Generalintendanten - nicht überlebt", meint die ehemalige ZiB-Moderatorin. Sie begann in den 70er-Jahren beim ORF, stieg 1996 in die Politik um, wo sie zunächst EU-Mandatarin und Bezirksvorsteherin der  ÖVP war und 2015 zur FPÖ wechselte.

Wiens FPÖ hat am Freitag die Rücktrittsforderung der NEOS an die nicht amtsführende FP-Stadträtin Ursula Stenzel zurückgewiesen. "Wir sehen unsere politische Mission nicht darin, Wünsche von Kleinstparteien zu erfüllen", sagte Landesparteisekretär Michael Stumpf.

Unterdessen verlangte auch die SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, Sabine Schatz, den umgehenden Rückzug Stenzels. "Eine ehemalige Journalistin, ÖVP-Europapolitikerin und von Steuergeldern finanzierte Stadträtin verhöhnt die Opfer des NS-Regimes und greift einen Journalisten in unglaublicher Art und Weise an", kritisierte sie in einer Aussendung. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse Konsequenzen von seinem Koalitionspartner einfordern.

Wolf und Strache

Armin Wolf hingegen erinnerte heute an eine Richtigstellung zu seiner Person, die vor nicht allzu langer Zeit Heinz-Christian Strache (FPÖ) persönlich veröffentlichen musste:

Chefredakteure österreichischer Medien diskutierten Donnerstag abend in der Runde bei Ingrid Thurnher in ORF III über Nutzen und Schaden für die FPÖ.

Sehen Sie hier das Gespräch.

Krone-Mann Claus Pandi , Chefredakteur der Salzburger Krone, schrieb nach der Debatte über das Ratten-Gedicht: "Die Freiheitlichen sind nicht regierungsfähig." Der stellvertretende Chefredakteur Georg Wailand relativierte in der Rund der ChefredakteurInnen auf Österreich III: "Das ist nicht allgemeine Blattlinie, sondern die Meinung von Claus Pandi." Der Text über die Stadtratten sei aber unerträglich. Der Zauber des Neuen nach Eintritt der FPÖ in die Regierung sei verflogen, das Klima sei heute ein anderes.

Kleine-Chefredakteur Hubert Patterer hält den Befund von Klaus Pandi für zu apodiktisch, weil die Instanz, die in einer Demokratie darüber zu befinden habe, der Wähler sei. Die FPÖ sei eben mit einer Stärke ausgestattet, an der man nicht vorübergehen könne, wenngleich sie sich zuletzt massiv geschadet habe.

Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des Standard, ist der Meinung, dass die Ereignisse in Christchurch dazu führten, dass man zu den "Einzelfällen" in der FPÖ nicht mehr schweigen könne. "Es brodelt in der FPÖ, es ist ein gewisses Maß erreicht." Die FPÖ könne sich nicht ändern, weil diese Ausritte ein Teil ihrer Verfasstheit seien.

Rainer Nowak, Chefredakteur der Presse, sieht ein Problem auch für ÖVP-Chef Sebastian Kurz, "international und wenn er in den Spiegel schaut": Er habe den Koalitionspartner nicht fest im Griff, so wie auch Heinz-Christian Strache seine eigene Partei nicht im Griff zu haben scheine. Auch für ihn ist die FPÖ derzeit nicht regierungsfähig. Er sei negativ überrascht: Man habe eher gerechnet, dass Inkompetenz und Korruption ein Problem in Zusammenhang mit der FPÖ werden könnten. Kurz sei "angewidert und zugleich angewiesen" auf den Koalitionspartner.

Christian Rainer, Chefredakteur des "profil" sieht ein Problem für den FPÖ-Vorsitzenden, wenn er seinen Funktionären ständig predigen müsse, was diese nicht sagen dürften. Bemerkenswert sei, dass es nicht mehr die "linken Gesellen" innerhalb der Journalisten seien, die die Regierungsfähigkeit der FPÖ in Zweifel zögen, sondern eine breite Mehrheit der Journalisten.

Politikwissenschafter Peter Pelinka hielt fest, der Kern der FPÖ sei offenbar ideologisch noch wesentlich gefestigter als bei Schwarz-Blau I. Wenn Strache sich noch weiter von diesen Funktionären distanziere, könnte es zu einem Aufstand kommen.

Keine "Ausbrecher" in Sicht

Dem widersprach Nowak: Er sieht die FPÖ immer noch geeint, auch wenn Strache sichtlich "müder" werde. Im Gegensatz zu seinerzeit, mit der Abspaltung des BZÖ, sehe er keine "Gruppe", die auszubrechen suche aus der FPÖ oder die jemand "herausbrechen" könne.

Über eines waren sich die Chefredakteure einig: Die Vorfälle rund um die Identitären, die Diskussion über das Attentat in Christchurch, habe der FPÖ in Bezug auf die Zustimmung ihrer Wähler jedenfalls nicht geholfen.

Wie sehr sehen die Chefredakteure ihre Medien von der FPÖ bedroht, nachdem FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky Armin Wolf, der FPÖ-Karikaturen mit dem "Stürmer" verglichen hatte, Konsequenzen angedroht hatte?

Mehr Druck als unter Schwarz-Blau I?

Christian Rainer (Profil): "Bei sind es eher Drohungen  über Social Media von diversen FPÖ-Spitzen, dass ich mich schleichen möge, möglichst ins Ausland oder gleich ins Grab. Aber den direkten Zugriff, wie beim ORF gibt es nicht." Die FPÖ mache heute schneller und direkter Angst als unter Schwarz-Blau I. Armin Wolf sei nicht gefährdet, aber es bestehe die Gefahr, dass bei einzelnen Redakteuren eine "Schere im Kopf" entstehe.

Hubert Patterer widersprach und erinnerte an die Heftigkeit, mit der in der Zeit der Regierung Schwarz-Blau I gerade in Kärnten die heutige Chefredakteurin Antonia Gössinger von der FPÖ angegriffen wurde und FPÖ-Funktionäre geradezu das Landesstudio gestürmt hätten.

Der ORF sei tatsächlich in einer schwierigen Situation als die unabhängigen Medien, monierte Georg Wailand (Krone). Er würde die Unabhängigkeit eines hart geführten Interviews "jederzeit verteidigen", das müsse auch im ORF jederzeit möglich sein, ohne dass eingegriffen wird.

Die Angriffe auf den ORF, die beleidigte Geste, ist für Nowak und Rainer bereits Teil des nächsten Wahlkampfes, des Kampfes um Wien.

"Nicht nur Kalkül"

Patterer glaubt nicht, dass es "blankes Kalkül" ist, dass sich Heinz-Christian Strache von den "alten Dämonen" zu befreien sucht, sondern dass die Partei ihr Verhältnis zu ihren rechten Rändern tatsächlich klären wolle, dass Strache diesen Kampf um Reifung und Läuterung aber verlieren, dass die Partei Schaden erleiden werde. Die Gegnerschaft mit den "etablierten Medien" sei hingegen der Griff in einen vertrauten "Werkzeugkasten" mit Blick auf die nächste Wahl.

Petra Stuiber machte darauf aufmerksam, dass die FPÖ  zunehmend auf eigene Medien setze, die Auseinandersetzung mit etablierten Medien ablehne.