Der frühere ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat gestern sein Buch "Haltung" präsentiert und dabei viel
Aufmerksamkeit bekommen. Mitterlehner hat mit den Umständen seiner Ablöse durch Sebastian Kurz und der aktuellen Regierungspolitik abgerechnet. Politologe Peter Filzmaier sagt, Mitterlehner habe einen Tabubruch begangen: "Er hat sich konkret zur Innenpolitik geäußert." Das sei früher nicht üblich gewesen, so Filzmaier im Ö1-Morgenjournal.

Reinhold Mitterlehners Antwort auf die letzte Frage von Armin Wolf überraschte: Wen er bei der kommenden EU-Wahl wählen werde? "Die ÖVP." Wie bitte? "Die ÖVP ist ja die einzige, glaubwürdige Europapartei, und Othmar Karas macht gute Politik."

Wie er das vertreten könne, wo er doch gerade gegen die ÖVP vom Leder ziehe? "Ich will eben erreichen, dass sie zu ihren Werten zurückkehrt, zu ihren Prinzipien."

Zuvor hatte der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler Mitterlehner im Gespräch mit Armin Wolf noch einmal erklärt, warum er den Weg der türkisen ÖVP für falsch hält, nachdem ihn zahlreiche Granden für sein Buch kritisiert hatten: Im Bereich der Flüchtlingspolitik werde gegen die christlichen Werte verstoßen. Österreich entwickle sich unter der Führung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz von einer pluralistischen, offenen Gesellschaft hin zu einer geschlossenen, ausschließenden Gesellschaft.

Autoritäre Demokratie

Die Gewaltentrennung werde teils aufgelöst, die Medien an die Kandare genommen. Die repräsentative Demokratie erfahre eine Abwertung, wenn von der Aufwertung der direkten Demokratie die Rede sei, so verberge sich dahinter die Absicht, aus populistischen Gründen noch stärker Volkes Stimme sprechen zu lassen. Mitterlehner bekräftigte: Österreich sei auf dem Weg zu einer autoritären Demokratie.

Wie SPÖ-Chef Christian Kern und er daran gehindert worden seien, im Jahr 2016 noch etwas weiterzubringen, habe den Rahmen der üblichen Intrige gesprengt. Das sei auch das Motiv, die Geschichte jetzt noch einmal aufzurollen, dass nämlich die jetzige Regierung nichts unversucht lasse, die Vorgängerregierung als gelähmte Institution, die an sich selbst gescheitert sei, darzustellen.

"Ich habe Kurz gesagt, dass ich nicht bereit bin, die Koalition für ihn zu sprengen. Ab da hat er sein Parallelimperium aufgebaut." Der heutige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, damals Innenminister,  habe dann die Rolle des Sprengmeisters übernommen.