Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) nimmt die türkis-blaue Bundesregierung gegen Kritik an der Reform der Mindestsicherung und den Plänen zur Sicherungshaft in Schutz. "Die mediale Punzierung der Regierung als zu rechtslastig und der FPÖ als zu menschenfeindlich finde ich übertrieben. Da gehört etwas mehr Gelassenheit her", erklärte Haslauer im Interview mit der APA.

"Da werden massiv Klischees bedient, die in der Wahrnehmung der Mehrheit der Bevölkerung anders aussehen, sonst wären die Umfrageergebnisse nicht so, wie sie sind", so Haslauer. "Die Koalition auf Bundesebene ist wirklich alternativlos, weil momentan kein Mensch eine Große Koalition will." Man dürfe die FPÖ "nicht auf einzelne Sager reduzieren". Die Bundesregierung leiste insgesamt gute Arbeit, das gelte auch für die einzelnen FPÖ-Minister. "Jede Woche wird ein Thema angegangen, erledigt, weiterentwickelt, das Tempo ist erstaunlich."

Kontakt zu Regierung "gut bis sehr gut"

Auch der Kontakt zwischen Ländern und Bundesregierung sei "gut bis sehr gut". Mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebe es "eine völlig unkomplizierte Kommunikation, die sehr leicht herzustellen ist, ein echter Qualitätssprung in der Zusammenarbeit". Dass die SPÖ-Landeshauptleute dies ganz anders sehen und sich von der Regierung übergangen und überfahren fühlen, begründet Haslauer mit der "politische Zielsetzung unserer SPÖ-Kollegen, an der Bundesregierung kein gutes Haar zu lassen. Das ist legitim und würde ich nicht überbewerten."

Bürgerliches Unbehagen über den Regierungskurs in Sachen Ausländer beurteilt Haslauer gelassen. "Das ist eine Mitte-Rechts-Regierung, und aus Sicht eines ÖVPlers ist die ÖVP immer schuld. Entweder weil sie etwas nicht gemacht hat, oder weil sie nicht verhindert hat, was wer anderer gemacht hat, oder weil sie mit ins Boot genommen wird für etwas, was ein Dritter anstellt. Die ÖVP hat eine schwierige, sehr individuelle Anhängerschaft, die ein Sammelsurium von Meinungen hat. Wir sind Kritik gewohnt, und ich würde das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn man aber die Dinge erklärt und hinterfragt, kommen auch andere Sichtweisen zutage."

Mindestsicherung: Salzburg will umsetzen

In der Frage der Mindestsicherungsreform laufe die Diskussion darum verkürzt, und es würden Einzelbeispiele herangezogen, "die eine an sich richtige Regelung in ein falsches Licht treiben". Mit der von der Regierung geplanten bundeseinheitlichen Regelung ist Haslauer zufrieden. Damit werde "Mindestsicherungstourismus" verhindert. Salzburg werde die neue Regelung umsetzen und die Möglichkeit der Wohnkostenzuschläge entsprechend nutzen. Insgesamt werde eine "Schieflage" zwischen Einkommen aus Mindestsicherung und Einkommen aus Arbeit begradigt, die dazu geführt hat, dass "wenig Motivation bestanden hat, von der Mindestsicherung in ein Arbeitsleben zu kommen".

Zum jüngst im ORF berichteten Fall einer 58-jährigen Asylberechtigten, die nicht lesen und schreiben kann, nicht deutsch spricht und nun mit einer Kürzung der Mindestsicherung rechnen muss, meinte Haslauer: "Ich habe herumtelefoniert, was man mit einer Frau macht, die nicht lesen und schreiben kann und nur gebrochen deutsch spricht. Ich weiß nicht, ob ich das sagen darf, aber es gibt einen unglaublichen Bedarf an Reinigungskräften im Land. Warum ist es nicht zumutbar, mit 58 als Reinigungskraft zu arbeiten und selbst dazu zu verdienen?" Dass Wien die neue Sozialhilfe nicht umsetzen will, ist für Haslauer der "Versuch der politischen Profilbildung".

Sicherheitshaft: "Nur mit richterlichem Beschluss"

Rechtsstaatliche Bedenken an der von ÖVP und FPÖ geplanten Sicherungshaft teilt der gelernte Jurist Haslauer nicht. "Das ist ein sehr sensibler Bereich, der unsachlich diskutiert wird. Die einen sehen in einer Sicherungshaft - mit einem fast naiven Zugang - die Lösung aller Probleme, die anderen sehen darin eine extreme Gefährdung des Rechtsstaates. Wenn man zu den Fakten kommt, dann wird man feststellen, dass die Sicherungshaft für Asylwerber europarechtlich zulässig ist." Etliche Länder hätten dies auch umgesetzt. "Man darf nicht übersehen, dass die ÖVP auch fordert, dass ein derart massiver Eingriff in die Freiheitsrechte nur mit richterlichem Beschluss verfügt werden kann. Unter diesen Rahmenbedingungen und bei kürzestmöglicher Dauer halte ich das für richtig."

Dass die FPÖ immer wieder Druck für ein schärferes Vorgehen gegen Ausländer und Flüchtlinge macht, analysierte Haslauer als "bekanntes Phänomen in der politischen Praxis, dass Probleme oft nicht gelöst, sondern zu politischen Zwecken ausgebeutet werden und man Themen, die in der Mehrheit der Bevölkerung starken Widerhall finden, möglichst lange am Kochen hält". Laut Haslauer sollte man "von dem Thema auch mal wieder ein bisschen wegkommen". Die Bundesregierung habe ohnehin schon sehr viel getan, um die Dinge ins Lot zu bringen. Flüchtlingszahlen, Asylanträge, die Entwicklung der Rückstände bei Asylverfahren und die steigende Zahl an Arbeitsplätzen für Aylberechtigte zeigten mittlerweile, "das ist eigentlich gar nicht so schlecht gelaufen". Was es noch brauche, seien Investitionen in Bildung und Spracherwerb.

Schwarz-Grün-Pink im Land

Mit der Arbeit seiner schwarz-grün-pinken Landeskoalition ist Haslauer zufrieden. "Ich wollte bewusst eine Regierung der Mitte haben." Die geringste Arbeitslosigkeit Österreichs, das höchste Bruttoregionalprodukt pro Einwohner, Top-Platzierungen bei den verschiedenen Testungen im Schulbereich, Krankenstände 20 Prozent unter Bundesschnitt, gute Tourismusentwicklungszahlen und die hohe Lebensqualität führt der Landeshauptmann ins Treffen. "Das ist schön, aber kein Ruhekissen."

Wichtigstes Schwerpunktthema der nächsten Wochen sei das Thema Pflege. Die Arbeitsergebnisse der von der Landesregierung ins Leben gerufenen Pflegeplattform würden bald vorliegen. Danach werde man ein Maßnahmenpaket aufstellen und finanzieren. Auf das Pflegekonzept der Bundesregierung wolle man dabei nicht warten. Man werde das Konzept aber gegebenenfalls adaptieren, wenn die Regierungsvorhaben feststehen. "Das ist ein Schlüsselthema für die nächsten Jahre. Wir nehmen das selbst in die Hand."

Haslauer will kein Bundespräsident werden

Am Zenit seiner politischen Arbeit sieht sich Haslauer "noch lange nicht - ich hab ja gerade erst angefangen". Der Landeshauptmann kann sich eine weitere Legislaturperiode an der Spitze Salzburgs durchaus vorstellen. "Die nächsten Wahlen finden 2023 statt. Das ist auch eine gesundheitliche Frage, aber derzeit schaut es danach aus."

Dass es in der ÖVP auch Stimmen gibt, die Haslauer für einen guten Bundespräsidentschaftskandidaten halten, ist für den Landeshauptmann indes kein Thema. "Das strebe ich nicht an. Mein Platz ist in Salzburg." Er bevorzuge die Kombination einer stark erledigungs- und projektorientierten Tätigkeit und der Repräsentation des Bundeslandes. "Als Landeshauptmann ist man ja so eine Art Mischding zwischen einem Präsidenten und einem Regierungschef, und das ist eigentlich die ideale Kombination für mich und macht mir sehr viel Freude."