Sie sind als Folge der Migrationswelle 2015 in die Politik geholt worden. Die Migration hat die SPÖ in die schwerste Identitätskrise der letzten Jahrzehnte gestürzt. Ein bizarrer Zufall?

Hans Peter Doskozil: Ohne die Geschehnisse wäre ich nicht dort, wo ich heute stehe. Es spielen auch andere Facetten hinein. Natürlich braucht man im Leben Glück. Man darf nicht immer nur taktieren, sondern muss auch die Gelegenheit, wenn sie sich bietet, beim Schopf packen. Dass ich Landeshauptmann werde, ist für mich als stolzer Burgenländer ein erhebendes Gefühl.

Geht ein Bubentraum in Erfüllung? Oder wollten Sie immer schon Polizist werden?

Nein, auch Polizist war nicht von klein auf mein Traum. 2015 war sicherlich eine Zäsur.

Auch für die Sozialdemokratie, die bis heute keine überzeugende Antwort gefunden hat.

Dass dies an der Migrationskrise liegt, ist zu kurz gedacht. Schauen Sie, was mit der SPD in Deutschland passiert! Dort verwaltet die Regierung gewaltige Budgetüberschüsse, auf der anderen Seite gibt es Hartz IV und Rentner, die von der Rente nicht leben können. Die SPD ist bei den roten Kernthemen mit der Union mitmarschiert. Das ist der Kardinalfehler der Sozialdemokratie, nicht die Migrationsthematik.

Die SPÖ hat wegen der Migration die Nationalratswahl verloren. 

Ja, wir haben um eine Position gerungen. Entscheidend ist, wohin sich die Gesellschaft entwickelt. Es kann nicht sein, dass ein Schubhaftzentrum von einer privaten Firma betrieben wird, am Flughafen Private die Kontrollen vornehmen. Ich will auch keine Privatisierung in den Spitälern.

Warum tut sich die SPÖ mit ihrer Positionierung so schwer, auch in Wirtschaftsfragen, bei der Vermögenssteuer, jetzt auch bei der Präventivhaft?

Wir sind keine Einheitspartei wie die ÖVP, wo an der Spitze der Messias steht, jeder ihm nachläuft und nachbetet, was gesagt wird. Das wollen wir nicht. Das ist auch nicht gut so. Es zahlt sich aus, in der Öffentlichkeit um Positionen zu ringen. Vom politischen Gegner wird aber auch viel Konfliktpotenzial hineingetragen.

Es war aber Kärntens Landeschef Kaiser, der Ihre Aussage zur Präventivhaft als „Einzelmeinung“ abgetan hat. Und Vranitzky meinte, das gehe gar nicht.

Ich würde mir wünschen, dass jeder Politiker, wenn er sich zu Wort meldet, sich zunächst genau informiert, was Sache ist, statt irgendwas zu sagen, um mit einem Sager den Medien zu gefallen. Ich habe in der ORF-Pressestunde gesagt, dass ich für eine verfassungskonforme Regelung, die den Grundrechten entspricht, eintrete, außerdem muss die Neuregelung dem Eingriffsvorbehalt der Grundrechte entsprechen. Ein Politiker sollte sich informieren, wenn er etwas kommentiert. Das habe ich in den letzten ein, zwei Tagen sehr vermisst.

Sie haben einmal erklärt, Sie sehen die SPÖ bei der Migration nicht in einer fundamentalen Opposition zur Regierung. Ist das ein Appell an die SPÖ, sich von der Regierung nicht in die Oppositionsfalle locken zu lassen?

Man darf nicht immer nur reflexartig Nein sagen. Immer nur Nein zu sagen, ist keine Politik. Als ich Verteidigungsminister war, habe ich vorgeschlagen, Leute mit der Herkules abzuschieben. Das war eine alte FPÖ-Forderung. Ich habe es für richtig empfunden. Mir ist das egal, wer das gefordert hat. Heute planen wir im Burgenland eine riesige Bio-Offensive. Da könnte man auch sagen, das ist eine Politik, die die Grünen schon lange gefordert haben.

Sie verstehen sich als Pragmatiker, weniger als Ideologe?

Natürlich habe ich Ideologien, sonst wäre ich kein Sozialdemokrat. Mir ist wichtig, dass wir den Mindestlohn in der Verwaltung umsetzen, eine Antwort auf die Pflegefrage finden. Ich bin gegen wirtschaftsliberale Ansätze. Wir haben im Burgenland 2010 die Reinigungskräfte ausgegliedert. Das kostet uns inklusive Arbeitgeberbeiträge 3600 Euro pro Person. Wären sie im Land beschäftigt, würden sie uns – bei einem Mindestlohn von 1700 Euro netto – 3200 Euro kosten. Wir ersparen uns Geld. In der Migrationsfrage gehe ich einen sehr konsequenten Weg, wobei ich genau weiß, wo der Verfassungs- und Grundrechtsbogen beginnt und aufhört.

Wäre das Burgenland für die SPÖ das Modell, um außerhalb der Bundeshauptstadt wieder die Hegemonie zurückzuerobern?

Wir werden im Burgenland beweisen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Es gibt noch andere Themen. Beim Thema Bio werden wir mit der Landwirtschaftskammer harte Diskussionen führen, wenn es um Anbauverbote geht oder wenn wir konventionelle Großmastbetriebe nicht mehr genehmigen werden. Ich will auch bildungspolitisch Markierungen setzen. Ab September gibt es an den Volksschulen Englisch für alle. Englisch ist nicht mehr wegzudenken, wollen wir international reüssieren.

Mit qualifizierten Lehrern?

Ja, etwa, dass ein Hauptschullehrer an der Volksschule unterrichtet. Wir reden auch immer von Gratis-Kindergarten, nur gibt es den zwischen acht und zwölf Uhr. Ein Gratis-Kindergarten muss von Montag bis Freitag, von der Früh bis zum Abend auch tatsächlich gratis sein. Das werden wir umsetzen.

Was wissen Sie über den Verbleib der Parteivorsitzenden?

Sie kommt heute zu meiner Wahl ins Burgenland. Ich wehre mich dagegen, immer nur der Parteichefin die Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Wir können nicht in der Loge der Länder sitzen und in Richtung Parteivorsitzende herumagitieren. Jeder trägt in seinem Bereich eine hohe Verantwortung. Das heißt auch, wenn ich merke, dass ich durch meine Politik, meine Person nicht mehr bei den Menschen ankomme, wir Gefahr laufen, Wahlen zu verlieren, muss man zurücktreten.

Gilt das auch für den Bund?

Das gilt für alle Ebenen. Politik ist keine Selbstverwirklichung. Wollen wir als SPÖ erfolgreich sein, brauchen wir Erfolge auf Gemeinde- und Landesebene.

Wie nehmen Sie den Bundeskanzler wahr?

Natürlich hat er derzeit einen großen Zuspruch, es fehlt aber an inhaltlicher Tiefe, das zeigt gerade die Karfreitagsdebatte. Da wird die Scheinwelt brüchig.

Wie sehen Sie die Karfreitagsregelung?

Ich halte sie für eine grobe Missachtung der evangelischen Christen. Den Evangelischen den Feiertag wegzunehmen, ist Ausdruck einer Wirtschaftshörigkeit.

Sie hätten kein Problem, wenn Parndorf am Karfreitag zusperrt?

Überhaupt nicht.

Wie werden Sie als Landeshauptmann Ihre Liebe zu Rapid leben? Wird die im Untergrund weiterwuchern?

Nicht im Untergrund. Wenn man Emotionen hat, muss man dazu stehen, auch wenn nicht jeder damit glücklich ist. Für mich ist das der beste, schönste, leidenschaftlichste Verein in Österreich. Das wird er immer bleiben.