Heute wird im Parlament die Sozialversicherungsreform beschlossen – schon gestern protestierten in Wien Tausende gegen die Kassenfusion. „Seids ihr wuggi?“, formulierte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian in schönstem Wienerisch. Die Regierung hungere das Gesundheitssystem aus.

Im Parlament werden die Wogen hoch gehen. Die Regierungsparteien mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) werden die Reform verteidigen, die Opposition mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner als Speerspitze wird zum Angriff blasen.



Zu den zahlreichen weiteren Gesetzesbeschlüssen zählt das neue Ärztegesetz, das es Medizinern ermöglicht, andere Ärzte anzustellen. Eine Änderung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes räumt den Ländern die Möglichkeit ein, in ihren öffentlichen Spitälern Sonderklassegebühren für jene ambulanten Leistungen einzuheben, die bisher stationär erbracht wurden.

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Schon im Vorfeld des Beschlusses hat das Gesundheitsministerium versucht, Tatsachen zu schaffen. Im Juli wurde eine vorläufige „Ausgabenbremse“ beschlossen, um den Druck zu erhöhen. Im September beschloss die niederösterreichische GKK mit Unterstützung des Hauptverbandes den Gang zum Verfassungsgerichtshof. Es handle sich um einen unzulässigen Eingriff in die Selbstverwaltung. Ausgang: offen.

Die Ausgabenbremse begrenzt den Spielraum der Kassen bei Ärzteverträgen, Bauprojekten und beim Personal. Nun machte das Sozialministerium ernst und legte österreichweit gegen die Dienstpostenpläne 2019 sein Veto ein.

Dabei geht es nicht um Kosten, denn die 48 Stellen in der Steiermark und die acht in Kärnten, die keinen Eingang in den Plan finden dürfen, sind finanziell bedeckt, die Beschäftigten seit Monaten angestellt, ihre Tätigkeitsbereiche unumstritten. Laut Josef Harb (GKK-Obmann Steiermark) und Johann Lintner (GKK-Direktor Kärnten) geht es dabei um die Case Manager im Reha-Bereich, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um Datensicherheitsmanager und Personal im Bereich der (kostensparenden) Prävention etc.

Aber: Das Ministerium blockiert die Festschreibung, offenbar, um sich Spielraum zu schaffen: Spielraum dafür, dass diese Stellen nicht nachbesetzt werden müssen, wenn jemand ausfällt. Bis 2028 will man ja 30 Prozent des Personals einsparen.

Die Gesamtverträge mit Ärzten in der Steiermark und in Kärnten wurden dagegen nicht beeinsprucht, obwohl die Kosten den prognostizierten Rahmen übersteigen. Mit den Ärzten will sich Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) offenbar nicht anlegen.

Die Ärzte bauen auch in Bezug auf die geplanten Primärversorgungszentren Druck auf: Sie wollen einen kassenfreien Raum, in dem Kassenärzte für bestimmte Leistungen privat Honorare verrechnen dürfen. Für Harb ein Schritt Richtung Zweiklassenmedizin.

Die Dienststellenpläne wurden von den Gremien einhellig trotz des ministeriellen Vetos beschlossen (mit den Stimmen der ÖVP-Arbeitnehmer und Arbeitgebervertreter). Sollte das Ministerium die Einwände doch noch berücksichtigen oder der VfGH korrigieren, treten sie automatisch in Kraft.