Eines beherrscht diese Regierung perfekt: Timing und Marketing in eigener Sache. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Jubliläum präsentiert man heute der Öffentlichkeit die Leistungsschau. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst - ja nicht die Deutungshoheit anderen, den Medien oder gar dem politischen Gegner überlassen!

Mit der Einigung über Maßnahmen gegen das Sozialdumping im Transportgewerbe in der Nacht zuvor und mit der Präsentation der Mindestsicherung Neu wenige Tage zuvor hat man auch ganz aktuell ein innenpolitisches und ein außenpolitisches Thema im Köcher, mit dem sich der Erfolg illustrieren lässt.

Wie sieht die Leistungsbilanz der Regierung aus Sicht der kritischen Beobachter aus?

Die Pluspunkte:

Diese Regierung will regieren. Das Spitzenduo, Kanzler Sebastian Kurz Vize und Heinz-Christian Strache, kann miteinander, vertraut einander und signalisiert mit jedem Atemzug, das es etwas erreichen will, und dass es finster entschlossen ist, jeden Querschuss auch aus den eigenen Reihen zu parieren. Da nimmt eine ÖVP sogar in Kauf, dass gegen alle Vernunft das Rauchverbot zurückgenommen wird, und die FPÖ beißt in den sauren Apfel der Mindestsicherung Neu inklusive Regress.

Diese Regierung hat einen Plan. Kurz, Strache, ÖVP-Klubobmann Alois Wöginger und FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz geben die Richtung vor und dirigieren den Rest der Mannschaft streng nach Plan. Nach Art der einstigen steirischen Reformpartnerschaft wird kein Platz gelassen für Abweichler und Einzelgänge. Die Regierungspolitik ist - jedenfalls immer dann, wenn Ausreißer als Folge mangelnder Kompetenz oder politischen Abweichlertums wieder zur Ordnung gerufen wurden - aus einem Guss. Nicht einmal von Volksbegehren lässt man sich irritieren: die Demokratiereform kommt keinen Tag früher als geplant, obwohl viele Menschen darauf gesetzt hatten, dass das Anti-Raucher-Volksbegehren das Tempo beschleunigen und eine verbindliche Volksabstimmung bewirken könnte.

Diese Regierung vermarktet sich auf Teufel kommt raus. Ein schlagkräftiges und professionelles Team rund um Sebastian Kurz, fast alle engste Vertraute aus der Jungen ÖVP, kommt, sieht und siegt. Die Schwachpunkte des Gegners werden strategisch seziert und zum günstigsten Zeitpunkt verwertet - siehe zuletzt die Bekanntmachung des Horizontalen-Sagers des Tiroler SPÖ-Chefs am Tag der SPÖ-Frauenkonferenz, dem Tag vor dem SPÖ-Parteitag. Die eigenen Themen werden geschickt platziert, durch Vorabinformationen an bestimmte Journalisten und Medien "einbegleitet" und strategisch nachbearbeitet.

Diese Regierung ist - zumindest bisher - krisenfest. Für den Fall, dass ein Störsignal von außen kommt - sei es von der Presse, sei es von der Opposition - hat man immer ein Thema auf Lager, das Emotionen weckt, mit dem man in den sozialen Medien punkten kann und an dem auch die Massenmedien nicht vorbeikönnen. Quertreiber aus dem eigenen Lager werden zum Verstummen gebracht. Wie lange die "Friedhofsruhe" hält, wird sich zeigen, wenn rechte Recken wie Niederösterreichs Landesrat Waldhäusl dauerhaft über die Stränge schlagen oder die ÖVP-Arbeitnehmer bei den nahenden Arbeiterkammerwahlen im kommenden Frühjahr ums Überleben kämpfen. Der Wirbel rund um Innenminister Herbert Kickl im Zuge der BVT-Affäre hat der ÖVP allerdings schon mehr als eine Nervenprobe eingebracht.

Themen, bei denen man etwas weitergebracht hat:

  • Die Mindestsicherung Neu
  • Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz
  • Die Zusammenlegung der Krankenversicherungsträger
  • auf Europaebene die Einigung über neue Rahmenbedingungen für das Transportgewerbe

Die nächsten Themen auf der Agenda:

  • Die Steuerreform
  • Die Pflegesicherung

Die Minuspunkte:

Die Minister sind schwach. Diese Regierung besteht zu großen Teilen nicht aus politisch starken Spielern sondern aus Personen, die man aus den einzelnen Fachbereichen holte (Wirtschaftsministerin Schramböck, Bildungsminister Fassmann, Justizminister Moser, Finanzminister Löger, Sozialministerin Hartinger-Klein, etc.). Was die große Linie betrifft, müssen diese ihr Fachwissen jedoch den politischen Zielen unterordnen, es gibt keinen Spielraum für eigene Ideen. Wenn sie ihrer persönlichen Meinung Ausdruck verleihen und diese Meinung nicht in den großen Plan passt, wie bei Fasslabend mit seiner Skepsis gegenüber einem Kopftuchverbot, oder bei Hartinger, mit ihrem Widerstand dagegen, bei Arbeitslosen auf das Vermögen zuzugreifen, werden sie von den Regierungschefs öffentlich in die Schranken gewiesen.

Diese Regierung ist ausländerfeindlich. Sie generiert die Stabilität durch das Schüren von Emotionen gegen einen gemeinsamen "Feind", die Ausländer. Sie nimmt die Spaltung der Gesellschaft in Kauf, um selbst nicht gespalten zu werden. Sie riskiert den Verlust traditioneller Werte wie Offenheit, Toleranz und Bereitschaft zu sozialem Engagement, um nicht in Hinblick auf ihre eigenen Werte hinterfragt zu werden.

Diese Regierung ist ein Risiko für Europa. Kanzler Sebastian Kurz hat die Ratspräsidentschaft nicht dazu genützt, Brücken zu bauen, sondern er hat die nationalstaatlichen Egoismen gestärkt und Österreich, etwa in Sachen Migrationspaket, als "Guerilla" gegen das starke Zentraleuropa, getragen von Deutschland und Frankreich, positioniert.

Diese Regierung betreibt Sozialabbau. Bewährte Systeme wie Mindestsicherung, Krankenversicherung, Notstandshilfe werden in Frage gestellt und umgebaut, noch ohne glaubhaft machen zu können, dass es für die Betroffenen nicht schlechter wird, und ohne sich dem Abtausch der Argumente mit Experten, Wissenschaftlern und dem politischen Gegner zu stellen. Förderungen werden gekürzt, was zuletzt insbesondere Frauen- und Gewaltschutzprojekte massiv in Frage stellt.

Themen, bei denen man bisher nicht weitergekommen ist:

  • Das Arbeitslosengeld Neu (Reform der Notstandshilfe)
  • auf EU-Ebene die Digitalsteuer
  • auf EU-Ebene die Finanztransaktionssteuer
  • Integrationspolitik
  • Demokratiereform