Die Koalition hatte keine andere Wahl. In einer verschwurbelten Aussendung erklärten ÖVP und FPÖ gestern Nachmittag zähneknirschend, dass man die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) „akzeptiert“, wonach die klassische Ehe ab 1. Jänner 2019 auch für homosexuelle Paare zu öffnen sei.

Die Erklärung kam bezeichnenderweise nicht aus dem Büro des Kanzlers und des Vizekanzlers, sondern wurde von den beiden Klubobleuten August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) verfasst und kommentarlos ausgeschickt. Der VfGH hatte die bisherige Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft als diskriminierend aufgehoben.

"Krampfhafte Versuche"

Der renommierte Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk betonte im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, dass der Regierung „nichts anderes übrig geblieben“ sei, als den Spruch des Verfassungsgerichtshofs zu akzeptieren. Funk weiß davon zu berichten, dass beide Regierungsparteien „krampfhaft“ versucht hätten, die klassische Ehe noch durch eine Sonderbestimmung gegenüber einer homosexuellen Verbindung hervorzuheben. Die Idee, die klassische Ehe in Verbindung mit der Zeugung von Kindern zu setzen, sei aus zwei Gründen nicht realisierbar gewesen: Zum eine sehe nicht einmal das kanonische Recht die Zeugung von Kindern als „Bedingung für eine Eheschließung“ vor (ist nur als Ziel definiert), zum anderen würden dadurch Paare, die keine Kinder (mehr) bekommen können, in Schwierigkeiten gebracht.

Die andere Idee, die offenkundig in FPÖ-Kreisen zirkulierte, die klassische Eheschließung durch eine neue Symbolik hervorzustreichen, war bereits durch einen früheren Spruch des VfGH, der die Trennung zwischen Standesamt und Bezirkshauptmannschaft aufgehoben hatte, vereitelt worden.

Die Verantwortung für das Einlenken schieben ÖVP und FPÖ der SPÖ und den Neos in die Schuhe, hätte man doch mit einer Zweidrittelmehrheit den Spruch des VfGH aushebeln können. Funk meint, damit wäre die Regierung „in die dunkelsten Zeiten der Großen Koalition“ zurückgefallen, als VfGH-Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit konterkariert worden sind (Frage der Taxikonzession, Eingriffe in Kompetenzverteilung). SPÖ und Neos zeigten sich erfreut über die Öffnung der Ehe.