Die SPÖ hält die Argumentation des Innenministeriums, die Anfrage zu Ermittlern in der rechtsextremen Szene sei im Auftrag seiner Partei erfolgt, für unglaubwürdig. Die Behauptung, es handle sich dabei um eine notwendige Vorbereitung für den Nationalen Sicherheitsrat, sei "nicht nur völlig unglaubwürdig, sondern auch rechtlich unhaltbar", meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda am Mittwoch.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hätte auf Fragen von Abgeordneten in der Sitzung zu den Namen von verdeckten Ermittlern - "die natürlich auch gar nicht gestellt wurden" - nicht antworten dürfen, meinte Drozda. Nach der österreichischen Verfassung hätten Minister auch gegenüber dem Nationalrat und dem Nationalen Sicherheitsrat Quellen zu schützen. Insbesondere dann, wenn durch die Preisgabe von Namen die Aufgabenwahrnehmung gefährdet würde.

Drozda ortet daher nicht nur eine "nervöse und unglaubwürdige Verteidigungsstrategie des Innenministers, sondern auch eine Respektlosigkeit gegenüber dem höchsten Beratungsorgan der Bundesregierung, in welcher der Bundeskanzler den Vorsitz führt". Die Aktivitäten des Innenministers zielten im Ergebnis darauf ab, den Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechtsextremismus zu schwächen.

Die Liste Pilz will durch eine parlamentarische Anfrage mehr Licht in die Causa bringen. "Das ist ja ein grandioser Zufall, dass man da im Extremismusreferat gleich alle Daten zu den Ermittlungen im Burschenschafter-Milieu mitnehmen konnte. Obwohl die Ermittlungen in Zusammenhang mit der Razzia überhaupt nichts damit zu tun hatten", kommentierte deren Abgeordneter Alfred Noll den zeitlichen Ablauf in der Causa.

Das FPÖ-geführte Innenministerium wollte schon vor der Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Auskunft über Ermittlungen gegen Burschenschaften erlangen. Wie die Wochenzeitung "Falter" berichtet, erging eine Anfrage dazu durch Generalsekretär Peter Goldgruberan BVT-Direktor Peter Gridling. Die Antwort fiel jedoch knapp aus, Namen wurden nicht genannt. Wenig später erfolgte die Hausdurchsuchung, Gridling wurde suspendiert.

Die Schlussfolgerungen des "Falter", wonach die spätere Hausdurchsuchung praktisch die Revanche für zu knappe Auskünfte gewesen seien, sind für das Innenministerium laut Stellungnahme falsch. Man begründet das damit, dass diese Auskünfte ja eben auf Wunsch Dritter, nämlich der SPÖ, eingeholt werden sollten.

Die Vorgeschichte:

Goldgruber soll am 29. Jänner, einen Tag nach der Niederösterreichischen Landtagswahl, im Zuge derer sich Niederösterreichs  FPÖ-Chef Udo Landbauer wegen der Liederbuchaffäre in Mißkredit gebracht hatte,  Gridling kontaktiert haben. Die Fragen, die Gridling in einem Aktenvermerk, der dem "Falter" vorliegt, festhielt:

  • Welche Burschenschaften waren zwischen 2012 und 2017 Gegenstand von Ermittlungen?
  • Gab es in dieser Zeit Ermittlungen gegen Personen, die Mitglieder einer Burschenschaft sind?
  • Wenn ja, gibt es Anzeigen?
  • Welche Maßnahmen im Zusammenhang mit Vereinsauflösungen -untersagungen wurden in der letzten Regierungsperiode seitens REX-Referat gesetzt?
  • Wo wurden im Bereich REX (Rechtsextremismus, Anm.) verdeckte Ermittler eingesetzt?

Die Antwort kam laut "Falter"-Bericht von der Leiterin des Extremismusreferats im BVT, deren Büro später durchsucht wurde, obwohl sie von der Staatsanwaltschaft nie als Beschuldigte in der Causa geführt worden war. "Seitens des BVT wurden bisher verdeckte Ermittler in den Bereichen der neonazistischen ideologisierten Szene, Skinhead Blood and Honour und Rechtsextremismus Hooliganismus eingesetzt", hieß es darin, ohne Namen oder konkrete Maßnahmen zu nennen.

Im Rahmen der Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz wurden im Büro der Referatsleiterin für Extremismus zahlreiche Datenträger beschlagnahmt. Darunter auch solche über Ermittlungen in der rechtsextremen Szene - etwa eine DVD des deutschen Verfassungsschutzes mit Bildern vom "Ulrichsberg-Treffen" 2015, aber nach Angaben der amtshandelnden Polizisten von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) auch CDs mit Kinderliedern.

Bemerkenswerte Doppelfunktion

Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang die Doppelbeschäftigung von einem weiteren Spitzenbeamten Kickls, Reinhard Teufel, berichtet der "Falter". Er ist Kabinettschef Kickls. Er ist Burschenschafter (Brixia). Er sitzt nebenberuflich auch als FPÖ-Mandatar im niederösterreichischen Landtag, neben seinem Chef Udo Landbauer, der genau zu dieser Zeit wegen der NS-Liederbuchaffäre in seiner Burschenschaft Germania zurücktreten musste und nun wieder in Amt und Würden ist.

Ein paar Wochen nach der Woche wurde Gridling von Kickl suspendiert - wie sich inzwischen herausstellte, rechtswidrig.

Die Stellungnahme des Innenministeriums:

"Der Aktenvermerk von BVT-Direktor Peter Gridling zum Thema Ermittlungen in Zusammenhang mit Burschenschaften ist die Zusammenfassung einer mündlichen Anfrage, die im Zuge einer Besprechung am 29. Jänner von mir an Gridling gerichtet wurde. Hintergrund war die am 30. Jänner bevorstehende Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats, in der von der SPÖ im Gefolge der sogenannten Liederbuch-Affäre ein Antrag zur 'rechtsextremistischen Situation in Österreich' auf die Tagesordnung gesetzt worden war", erklärte Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber am Dienstag zu den Vorwürfen. Gridling habe am 30. Jänner vor der Sicherheitsrat-Sitzung die benötigten Informationen übermittelt, damit dort die entsprechende Auskunft gegeben werden konnte.

"Einholung von Informationen ist üblich"

Wie vor solchen Sitzungen - etwa auch vor den Zusammenkünften des geheimen Unterausschusses des Innenausschusses - üblich, seien vom Kabinett oder Generalsekretariat Informationen zum Themenbereich der anstehenden Sitzung eingeholt worden, teilte das Innenministerium weiter mit. Vergleichbares sei etwa auch für dieselbe Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats sowie für die Sitzung des Unterausschusses Inneres am 12. Februar in Zusammenhang mit der Überprüfung von Ministerien auf Abhöreinrichtungen oder für den Nationalen Sicherheitsrat am 3. September zum Thema Zusammenarbeit des BVT mit ausländischen Nachrichtendiensten geschehen.

Das Innenressort verwies auch auf die grundsätzliche Gesetzeslage, wonach das Einholen sämtlicher Informationen für den ressortverantwortlichen Minister jederzeit möglich sei. Der Bundesminister für Inneres könne sich über alle in seinen Geschäftsbereich fallenden Angelegenheiten - dazu gehöre auch das BVT - jederzeit informieren lassen.

"Interpretation falsch"

Die von der Opposition und manchen Medien gegebene Darstellung, der Innenminister habe nur durch eine Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz in Besitz bestimmter Daten kommen können, entbehre daher jeder Grundlage, erklärte Goldgruber. "Eine derartige Motivation der Hausdurchsuchungen steht überdies in direktem Widerspruch zu den heutigen Ausführungen der fallführenden Staatsanwältin im BVT-Untersuchungsausschuss."