Haben Sie eine Erklärung, warum Ihre Inthronisierung von so vielen Querschüssen begleitet wird?
PAMELA RENDI WAGNER: Es war eine sehr große Entscheidung, die ich nicht leichtfertig getroffen habe. Für mich war eine Voraussetzung, die ich in den Gremien auch artikuliert habe, dass ich mit Menschen in Schlüsselpositionen arbeite, die ich gut kenne, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, wo ich weiß, das geht gut. Ich habe auch entschieden, die Klubführung zu übernehmen, da es mir wichtig ist, mich auch operativ dort einzubringen. Für mich sind die Parteizentrale und der Klub zwei Seiten einer Medaille. Und weil Sie die Kritik ansprechen: Es ist nachvollziehbar, dass sich die Steirer hinter Max Lercher stellen, die Wiener hinter Andreas Schieder. Das finde ich auch richtig so. Ich bin aber einstimmig als neue SPÖ-Chefin designiert worden, auch von den Steirern.

Eine steirische Abgeordnete hat wenig schmeichelhaft festgehalten, sie hätte sich einen Bundesgeschäftsführer gewünscht, mit dem sie am Fußballplatz ein paar Bier kippen kann. Drozda sei aber ein Bobo?
Ich will auf die Details der Kritik nicht eingehen. Ich bin im Dialog mit den Steirern. Ich komme nächste Woche in die Steiermark, um mich mit den Kollegen über die Inhalte auszutauschen. Es ist keine gute Idee, sich in Personaldiskussionen zu ergehen.

Die Personaldiskussion kommt nicht von den Medien, sondern aus der Partei. Wiens Bürgermeister Ludwig klagte, es komme keine Jubelstimmung auf. Und seine Ratschläge gleichen einer gefährlichen Drohung.
Auch mit Michael Ludwig bin ich in engem Kontakt. Ich verstehe nicht ganz die Verwunderung. Es ist ein ganz normaler Vorgang, wenn Landesparteien Erwartungshaltungen formulieren. Auch ich habe Erwartungshaltung an die Landesparteien. Ich war immer ein Mensch des Dialogs, beruflich wie privat.

Die SPÖ hat sich immer durch Geschlossenheit ausgezeichnet. Jetzt werden die Befindlichkeiten nicht in den Gremien, sondern öffentlich geäußert. Wie das?
Der Parteivorstand hat mich einstimmig designiert. Es wurde alles intern in den Gremien diskutiert. Wir sind gut beraten, die Auseinandersetzung mit dem politischen Mitbewerber zu führen und uns nicht mit Personaldebatte zu verzetteln.

Haben Sie, um einen Begriff der Tiroler SPÖ-Chefin zu verwenden, die männlichen Alphatiere in Ihrer Partei im Griff?
Es geht hier um ein Miteinander und niemals, wer wen im Griff hat. Mir ist wichtig, dass ich rasch mit allen eine gute Gesprächsbasis habe.

An der von Wien kritisierten Zusammenführung der Klubführung im Parlament halten Sie fest?
Ich habe mich entschieden, und dabei bleibt es. Ich habe nie eine berufliche Herausforderung gescheut. Kern war Bundeskanzler und Parteivorsitzender, Ludwig ist Bürgermeister und Parteivorsitzender, Strolz war Klubobmann und Parteivorsitzender. Ich verstehe nicht, warum man das jetzt infrage stellt.

Haben die Verwerfungen auch damit zu tun, dass Sie die erste SPÖ-Chef sind, die nicht aus dem Apparat kommt, und dass sie deshalb die feinen Verästelungen und subkutanen Befindlichkeiten nicht so kennen? Sie waren vor eineinhalb Jahren noch gar nicht Parteimitglied?
Aber diese eineinhalb Jahre waren geprägt von sehr unterschiedlichen Facetten, zuerst als Ministerin in einer bröckelnden Koalition, dann im Wahlkampf, schließlich in der Opposition. Viel mehr Facetten hat ein politisches Leben nicht, als jene, die ich in eineinhalb Jahren absolviert haben.

Das war ein Crashkurs in Sachen SPÖ?
Wir sind nicht gecrasht, ich würde eher von einem Intensivkurs reden.

Die Kritik zielt ja auch darauf ab, dass Drozda und Sie in einem Milieu leben, das mit den Stammtischen in alten Industrieregionen wenig gemein hat?
Mein Ursprung ist in Wien. Ich bin in Favoriten in einer Gemeindebauwohung mit einer 19-jährigen, alleinerziehenden und alleinverdienenden Mutter aufgewachsen. Das hat mich sehr geprägt. Ich wäre heute nicht hier, hätte es die sozialdemokratischen Errungenschaften damals nicht gegeben, wie den Kindergarten, den sozialen Wohnbau, die Zugang zur Universitäten. Ich will keine Gesellschaft, die akzeptiert, dass Geburt, Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe über die Chancen eines Menschen entscheiden.

Warum sind Sie nicht früher der SPÖ beigetreten?
Ich war acht Jahre zuvor beim Bund Sozialdemokratischer Akademikerinnen. Nach dem Medizinstudium habe ich mich nicht für ein Fach wie Neurologie oder Dermatologie entschieden, sondern für den Bereich der öffentlichen Gesundheit und mich intensiv mit dem Thema der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit befasst. Soziale Gerechtigkeit war schon immer meine Denke.

Wie wollen Sie die SPÖ positionieren? Als Gegenstück zu Türkis-Blau?
Wir sollten uns nicht ausschließlich über unseren Gegner definieren. Wir sollten uns emanzipiert über unsere Werte, unsere Prinzipien, unsere Politik definieren. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und einen fairen Leistungsbegriff. Wenn wir das in den Mittelpunkt stellen, ergeben sich die Unterschiede.

Ist die SPÖ auf Basis dieser von Ihnen formulierten Werte die Antithese zu Schwarz-Blau?
Das würde ich mit Ja beantworten.

Vor zwei Wochen ist das Migrationspapier beschlossen worden. Soll es noch einmal aufgeschnürt werden?
Ich bin seit drei Tagen designierte Parteivorsitzende. Das Papier ist eine gute Grundlage für unsere weitere politische Auseinandersetzungen mit diesem Thema.

Hat die SPÖ in der Vergangenheit in der Migrationsfrage Fehler gemacht?
Die Frage ist eher, was wir aus der Vergangenheit lernen. Wir dürfen die Ängste der Menschen nicht ignorieren, negativ bewerten, dämonisieren.

Was sind noch andere thematische Bereiche, wo Sie ihre Handschrift hinterlassen wollen?
Ich bin Ärztin, komme aus einem sozialen Beruf. Mein ganzes Leben bin ich für ein Gesellschaftsbild eingestanden, wo es um soziale Gerechtigkeit uns Chancengleichheit geht. Ziel muss sein, dass die Menschen unser Gesellschaftsbild spüren. Es gibt auch nicht verhandelbare Prinzipien, wie die Gleichstellung von Mann und Frau, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie.

Das sind gerade Herausforderungen im Migrationsbereich?
Wir müssen uns dieser Diskussion stellen. Wir dürfen nicht in der Analyse stecken bleiben, sondern müssen Antworten finden.

Bis zur Wahl sind es noch ein paar Jahre, dennoch die Frage: Können Sie sich eine Koalition mit der FPÖ vorstellen?
Ich bin seit neun Monaten Abgeordnete und verfolge, was die FPÖ so tut. Ich sehe derzeit so gut wie keine Schnittmenge mit der Regierungspolitik der FPÖ.

Letzte Frage, weil das nicht immer so klar ist: Geht Kern als Spitzenkandidat in die EU-Wahl?
Christian Kern hat entschieden, dass er sich als Spitzenkandidat zur Verfügung stellt. Der Parteivorstand hat das unterstützt.

Ich meine als EU-Spitzenkandidat?
Christian Kern sondiert das gerade auf europäischer Ebene.