Pamela Rendi-Wagner wird die erste Frau an der Spitze der SPÖ sein. Heute will der Parteivorstand ihre Nominierung absegnen, Ende November soll sie der Parteitag wählen. Es ist nicht nur die Fassade der Sozialdemokratie, die bröckelt. Ob Rendi-Wagner als Speerspitze der Opposition jetzt und in vier Jahren Erfolg beschieden ist, wird sich schon in den eineinhalb Monaten bis zur Kür herauskristallisieren.

  1.  Die SPÖ-Männer und ihr Alpha-Trauma: Frauen werden von den Machern in der Partei nach wie vor als bedrohlich wahrgenommen, wie einst Johanna Dohnal, oder als Aufputz. An die Macht kamen sie meist nur dann, wenn alle Männer zuvor gescheitert waren. Und man(n) trug das Seine dazu bei, um sie ebenfalls rasch scheitern zu lassen. Pamela Rendi-Wagners Erfolg ist davon abhängig, dass ihr auch die starken Männer 100-prozentige Loyalität entgegenbringen. Und diesbezüglich auch stilsicher sind im Auftritt ihr gegenüber. Die ersten Reaktionen auf ihre Nominierung (etwa Michael Ludwig: „zu wenig Stallgeruch“) und die Begleitmusik in den Medien (Michael Schickhofer: „eine Frau, die logisch denken kann“) dokumentierten Lernbedarf in dieser Hinsicht.

  2. Die sozialdemokratische Partei und ihre Breite: Um an ihre einstige Bedeutung anzuschließen, muss es die SPÖ unter ihrer neuen Chefin schaffen, wieder möglichst viele Menschen anzusprechen. Wiener wie Vorarlberger, Arbeitnehmer wie Wirtschaftstreibende, Städter wie ländliche Bevölkerung. Entscheidend dafür ist, dass ihr auch die eigenen Funktionäre Gefolgschaft leisten, um ihr den Weg zu bereiten. Wiens Michael Ludwig legte nach anfangs kritischen Tönen das Ruder bereits um. Die Gewerkschaft mit Wolfgang Katzian an der Spitze ist sich des Wertes der politischen Rückendeckung bewusst, die Funktionäre auf den unteren Ebenen muss sie erst überzeugen. Vor allem aber: Sie muss das Kunststück zuwege bringen, nicht nur Leute wie Thomas Drozda um sich zu haben, denen sie zu 100 Prozent vertraut (und denen andere vielleicht misstrauen), sondern gleichzeitig viele Botschafter an sich zu binden, die ihre Worte in die Kernschichten hinein weitertragen. Erste Bewährungsprobe ist die EU-Wahl, wo es gilt, die Partei für den präsumptiven Spitzenkandidaten Christian Kern zum Laufen zu bringen.

  3. Die Ochsentour an der Basis: Rendi-Wagner ist erst vor eineinhalb Jahren der Partei beigetreten. Die Welt der Funktionäre kennt sie kaum. Wie es der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig gestern formulierte: „Es gibt den Wunsch, die künftige Parteichefin kennenzulernen.“ Kein Weg darf ihr in den kommenden Wochen zu weit, keine Veranstaltung zu minder sein, um diesen Wunsch zu erfüllen. Was die Organisation betrifft, muss sie sich zu 100 Prozent auf die Geschäftsführung verlassen können. Max Lercher hat sich im Krisenmanagement nach dem Kern-Abgang bewährt, und auf ihn bauen sowohl die starken Landesorganisationen als auch die Gewerkschaft. Rendi-Wagner wäre gut beraten, ebenfalls auf ihn zu vertrauen.

  4. Die Speerspitze der Opposition gegenüber der Regierung: Christian Kern ist es nicht gelungen, zu einer klaren Linie zu finden. Er wollte vermutlich immer noch zu sehr der bessere Kanzler sein. Rendi-Wagner muss Prioritäten setzen: Zuerst der Angriff, erst vor der Wahl ein eigenes Programm als Alternative. Das Soziale, die Gesundheit, die Bildung sind „Heimspiele“ für sie. Dass in der leidigen Migrationsfrage endlich eine noch zu beschließende Positionierung gefunden wurde, dass die Diskussion über die Statutenreform abgeschlossen ist, wird helfen.

  5. Die Marke: Am wichtigsten wird sein, dass die Neue an der Spitze der SPÖ zur Marke wird, mit der und durch die sich die Partei transportiert. Die Attribute, die ihr zugeschrieben werden – fachlich kompetent, führungserfahren, sympathisch, ehrlich, direkt – darf die weltläufige Städterin nicht aufs Spiel setzen, wenn sie durch die Lande reist. Auch hier kann sie vom negativen Beispiel ihres Vorgängers lernen.

Wie geht’s weiter mit der SPÖ? Heute ab 18.30 Uhr wird Pamela Rendi-Wagner als designierte Parteichefin vor die Presse treten - wir berichten live. Davor, ab 17.30 Uhr, suchen Altrebell Josef Cap und Jungrebellin Julia Herr im Streitgespräch auf www.kleinezeitung.at die „goldene Mitte“ der Sozialdemokratie.