Pamela Rendi-Wagner war nicht einmal die zweite Wahl. Als am Dienstag das Gerücht die Runde machte, Christian Kern würde von seinem Amt als SPÖ-Chef zurücktreten, wurde sofort darüber spekuliert, wer ihm denn folgen könnte. Im Umfeld der einflussreichen roten Granden wurden alle möglichen Namen genannt, nur einer wurde kategorisch ausgeschlossen: Rendi-Wagner – und zwar nicht wegen ihrer nachweislichen Kompetenzen, ihrer bunten Vita, ihrer ministeriellen Leistungsbilanz oder weil sie eine Frau ist.

Der Grund war ein simpler: Die 47-jährige Wienerin trat erst im Mai 2017, einen Tag vor ihrer Ernennung, der Partei bei und hatte sich nicht in der roten Funktionärsbewegung hochgedient. Nicht nur fehlt der Stallgeruch, sie hat auch keine Hausmacht.

Doch es sollte anders kommen: Schon am Mittwoch sagten die beiden beliebten Landeschefs Peter Kaiser und Hans-Peter Doskozil ab, auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian stand nicht zur Verfügung. Bis zuletzt hoffte man, die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures umstimmen zu können. Nachdem Bures gestern definitiv abgesagt hatte, ging es Schlag auf Schlag. Im Laufe des Nachmittags meldeten sich die einzelnen Landesorganisationen kaskadenartig zu Wort und stellt sich hinter der ehemaligen Tropenmedizinerin. Am längsten dauerte die Entscheidung bei den Wienern: Rendi-Wagner zählt eher zum linken Parteiflügel. Zuletzt gaben die roten Gewerkschafter ihre Zustimmung.


Mit der Kür der ehemaligen Gesundheitsministerin hat der scheidende Parteichef Christian Kern seine Wunschnachfolgerin durchgesetzt. Erstmals seit 130 Jahren steht eine Frau an der Spitze der Sozialdemokratie, von den österreichischen Parlamentsparteien war nur die Bundes-ÖVP noch nie in weiblicher Hand. Der FPÖ standen Susanne Riess und Ursula Haubner vor, den Grünen Eva Glawischnig, Madelaine Petrovic und Freda Meissner-Blau, den Neos Beate Meinl-Reisinger.
Nach der heutigen Kür im Parteipräsidium muss sie am Dienstag vom Vorstand bestätigt werden, im November stellt sie sich am Parteitag der Wahl.


Dass die Wahl auf Rendi-Wagner fiel, überrascht insofern, weil die umgängliche stets freundliche Ex-Ministerin kaum als Parteipolitikerin in Erscheinung getreten ist. Sie hat zwar im Wahlkampf Kern oft begleitet, auch hat sie sich im Parlament oder bei TV-Debatten wiederholt im parteipolitischen Infight mit der Regierung zu Wort gemeldet. Knallharte Oppositionspolitik und dröge Parteiarbeit sind nicht ihre Welt.
Rendi-Wagner ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Kern hatte nach dem Wechsel in die Politik mit seiner Eloquenz, seiner Weltläufigkeit und seiner intellektuellen Brillanz der SPÖ einen Aufschwung beschert, die Partei stellte freilich den Kanzler. Derzeit sitzt die SPÖ auf der harten, undankbaren Oppositionsbank. Der Partei weht ein eisiger Wind ins Gesicht – eine schwierige Gemengelage.