SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher entschuldigte sich Mittwoch in der "ZiB2" bei den Wählern, die über die Vorgangsweise rund um Christian Kerns Wechsel nach Brüssel "irritiert" waren. Diese sei "holprig", aber "nicht so geplant" gewesen. Kern habe sich vorzeitig erklären müssen, weil Medien Meldungen unreflektiert übernommen hätten. Lercher räumte aber ein: "Wo Menschen wirken passieren auch Fehler, auch den besten."

"So etwas darf nicht mehr passieren", stellte der Bundesgeschäftsführer fest - und unterstrich mehrfach, dass die SPÖ nichtsdestotrotz "sehr froh" sei, mit Kern den "besten Kandidaten" für die EU-Wahl zu haben. Er habe "selbstverständlich" von Kerns Entscheidung gewusst. Diese sei auch schon "länger in ihm gereift". Dass sie dann "mit einem Knalleffekt nach außen gegangen ist" sei so nicht geplant gewesen.

Die Personaldebatte über Kerns Nachfolge wollte Lercher "nicht über die Zeit im Bild führen", wich er allen Fragen nach Nachfolgekandidaten aus. Aber er meinte - angesprochen auf das Drängen einiger SPÖ-Politiker auf eine rasche Entscheidung -, dass sich die SPÖ zwar die Frist 15. Oktober gesetzt habe, er jedoch "nichts dagegen habe, wenn wir schneller sind".

Aus der Deckung

Der Noch-SPÖ-Chef will bei der EU-Wahl im Mai 2019 auch als europaweiter Spitzenkandidat der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) antreten. Kern kündigte seine Bewerbung am Mittwoch am Rande des Salzburger EU-Gipfels bei einem Treffen der Europäischen Sozialdemokraten an. Der Frage, ob er auch das Amt des EU-Kommissionspräsidenten anstrebe, wich Kern aus.

Die Reaktionen der europäischen Sozialdemokraten waren verhalten. "Die Sozialdemokratie lebt", formulierte trocken der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn: Es gebe zwei sehr gute Kandidaten, und weitere dürften folgen. "Je mehr desto besser."

"Sie verstehen mich richtig, dass ich dafür zur Verfügung stehe, aber es gibt andere Kandidaten auch", sagte Kern zur europaweiten Spitzenkandidatur. Über Details wollte Kern freilich nicht reden. Laut Kern gibt es eine ganze Reihe guter Kandidaten, die das Potenzial zur Spitzenkandidatur haben. Das Prozedere der Europäischen Sozialdemokraten sieht vor, dass von 1. bis 18. Oktober Bewerbungen möglich sind, die endgültige Entscheidung fällt am 7. Dezember bei einem S&D-Kongress in Lissabon.

Bedeckt in Bezug auf Ämter

Der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im EU-Parlament hat gute Chancen auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker und den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Der Frage, ob er mit seiner Bewerbung auch diesen Posten anstrebe, wich Kern aus: "Ich möchte das Vertrauen der Österreicher in Europa stärken. Wir haben eine Auseinandersetzung zu führen mit Kräften, die Europa zerstören wollen. Und wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, was können wir tun, welche Allianzen können wir bilden, um das Erbe der Gründerväter zu bewahren. Das ist das, worum es mir geht. Gemeinsam werden wir schauen, dass wir den Kahn wieder flott kriegen. Ich möchte nicht hinnehmen, dass wir hinter die Liberalen oder vor allem hinter die Rechtsdemagogen zurückfallen."

"Es gibt immer Trennungsschmerz"

Zur schwierigen Lage der SPÖ meinte Kern, dass er in den nächsten Tagen ein Profil seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin erarbeiten werde, dann werde man dem Parteipräsidium Vorschläge vorlegen und gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Auf die Frage, ob er einen Scherbenhaufen hinterlassen habe und wie sehr die Partei mit seinem angekündigten Rückzug als Vorsitzender hadere, erklärte Kern: "Es gibt immer Trennungsschmerz, aber man sollte sich selbst nicht überbewerten. Es gibt viele Leute, die einen Beitrag geleistet haben. Das wird auch in Zukunft so sein. Jeder hat seine Stärken, jeder hat seinen Platz. Ich bin der Meinung, dass das Geschäft der Opposition, diese Arbeit der Zuspitzung, etwas ist, was andere mindestens so gut können. Ich konzentriere mich auf das, wovon ich was versteh und was ich mit Freude in den nächsten Jahren betreiben möchte."

Nicht nur selbst schuld

Auf die Kritik von Ex-SPÖ-Chef und -Kanzler Franz Vranitzky, wonach man so nicht abtreten könne, reagierte Kern zurückhaltend. Er habe gerade vorhin mit Vranitzky am Telefon geplaudert. "Er hat nicht jedes Detail des Prozesses gekannt, er kann jetzt vielleicht das eine oder andere besser einordnen." Kern übte auch Kritik am Umstand, dass ein Teil seiner Pläne durch Indiskretion von internen Quellen nach außen getragen worden war und zu einem chaotischen Bild in der Partei geführt hatte. Der Prozess sei "nicht nur in meinem Einflussbereich etwas holprig gelaufen", sagte der SPÖ-Chef.